Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.I Theil. Viertes Capitel. dieser Ueberzeugung gieng Aesopus beständig unter den Bildhauern undBaumeistern umher. In viel späterer Zeit war der Maler Diognetus einer von denen, welche den Marcus Aurelius die Weisheit lehreten. Dieser Kaiser bekennet, daß er von demselben gelernet habe, das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden, und nicht Thorheiten für würdige Sachen anzunehmen. Der Künstler konnte ein Gesetzgeber werden: denn alle Gesetzgeber waren gemeine Bürger, wie Aristoteles 1) bezeuget. Er konnte Kriegsheere führen, wie Lamachus, einer der dürfdigsten Bürger zu Athen, und seine Statue neben dem Militiades und Themistocles, ja neben den Göttern selbst, gesetzet sehen: so stelleten Xenophilus 2) und Strato ihre sitzenden Figuren bey ihrer Statue des Aesculapius und der Hygiea zu Argus. Chirisophus 3), der Meister des Apollo zu Tegea, stand in Marmor neben seinem Werke, und Alcamenes 4) war erhaben gearbeitet an dem Gipfel des Eleusinischen Tempels; Parrhasius und Silanion 5) wurden in ihrem Ge- mälde des Theseus zugleich mit diesem verehret. Andere Künstler setzten ihren Namen auf ihr Werk, und Phidias den seinigen 6) zu den Füßen des Olympischen Jupiters. Es stand auch an verschiedenen Statuen der Sieger zu Elis 7) der Name der Künstler, und an dem Wagen mit vier Pferden von Erzt, welchen der Sohn des Königs Hiero zu Syracus, Di- nomenes, seinem Vater setzen ließ, war in zween Versen 8) angezeiget, daß Onatas der Meister dieses Werks sey. Dieser Gebrauch aber war dennoch nicht so allgemein, daß man aus dem Mangel des Namens des Künstlers an vorzüglichen Statuen schließen könnte, daß es Werke aus spätern 1) Polit. L. 4. c. 11. p 115. l. 20. ed. 1577, 4. 2) Pausan. L. 2. p. 163. l. 36. 3) Pausan. L. 8. p. 708. l. 9. 4) Pausan. L. 5. p. 399. l. 37. 5) Plutarch. Thes. p. 5. l. 22. 6) Pausan. L. 5. p. 397. l. 41. 7) conf. Id. L. 6. p. 456. l. 36. 8) Id. L. 8. p. 688. l. 1.
I Theil. Viertes Capitel. dieſer Ueberzeugung gieng Aeſopus beſtaͤndig unter den Bildhauern undBaumeiſtern umher. In viel ſpaͤterer Zeit war der Maler Diognetus einer von denen, welche den Marcus Aurelius die Weisheit lehreten. Dieſer Kaiſer bekennet, daß er von demſelben gelernet habe, das Wahre von dem Falſchen zu unterſcheiden, und nicht Thorheiten fuͤr wuͤrdige Sachen anzunehmen. Der Kuͤnſtler konnte ein Geſetzgeber werden: denn alle Geſetzgeber waren gemeine Buͤrger, wie Ariſtoteles 1) bezeuget. Er konnte Kriegsheere fuͤhren, wie Lamachus, einer der duͤrfdigſten Buͤrger zu Athen, und ſeine Statue neben dem Militiades und Themiſtocles, ja neben den Goͤttern ſelbſt, geſetzet ſehen: ſo ſtelleten Xenophilus 2) und Strato ihre ſitzenden Figuren bey ihrer Statue des Aeſculapius und der Hygiea zu Argus. Chiriſophus 3), der Meiſter des Apollo zu Tegea, ſtand in Marmor neben ſeinem Werke, und Alcamenes 4) war erhaben gearbeitet an dem Gipfel des Eleuſiniſchen Tempels; Parrhaſius und Silanion 5) wurden in ihrem Ge- maͤlde des Theſeus zugleich mit dieſem verehret. Andere Kuͤnſtler ſetzten ihren Namen auf ihr Werk, und Phidias den ſeinigen 6) zu den Fuͤßen des Olympiſchen Jupiters. Es ſtand auch an verſchiedenen Statuen der Sieger zu Elis 7) der Name der Kuͤnſtler, und an dem Wagen mit vier Pferden von Erzt, welchen der Sohn des Koͤnigs Hiero zu Syracus, Di- nomenes, ſeinem Vater ſetzen ließ, war in zween Verſen 8) angezeiget, daß Onatas der Meiſter dieſes Werks ſey. Dieſer Gebrauch aber war dennoch nicht ſo allgemein, daß man aus dem Mangel des Namens des Kuͤnſtlers an vorzuͤglichen Statuen ſchließen koͤnnte, daß es Werke aus ſpaͤtern 1) Polit. L. 4. c. 11. p 115. l. 20. ed. 1577, 4. 2) Pauſan. L. 2. p. 163. l. 36. 3) Pauſan. L. 8. p. 708. l. 9. 4) Pauſan. L. 5. p. 399. l. 37. 5) Plutarch. Theſ. p. 5. l. 22. 6) Pauſan. L. 5. p. 397. l. 41. 7) conf. Id. L. 6. p. 456. l. 36. 8) Id. L. 8. p. 688. l. 1.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0184" n="134"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Theil. Viertes Capitel.</hi></fw><lb/> dieſer Ueberzeugung gieng Aeſopus beſtaͤndig unter den Bildhauern und<lb/> Baumeiſtern umher. In viel ſpaͤterer Zeit war der Maler Diognetus<lb/> einer von denen, welche den Marcus Aurelius die Weisheit lehreten.<lb/> Dieſer Kaiſer bekennet, daß er von demſelben gelernet habe, das Wahre<lb/> von dem Falſchen zu unterſcheiden, und nicht Thorheiten fuͤr wuͤrdige<lb/> Sachen anzunehmen. Der Kuͤnſtler konnte ein Geſetzgeber werden: denn<lb/> alle Geſetzgeber waren gemeine Buͤrger, wie Ariſtoteles <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Polit. L. 4. c. 11. p 115. l. 20. ed.</hi> 1577, 4.</note> bezeuget. Er<lb/> konnte Kriegsheere fuͤhren, wie Lamachus, einer der duͤrfdigſten Buͤrger zu<lb/> Athen, und ſeine Statue neben dem Militiades und Themiſtocles, ja neben<lb/> den Goͤttern ſelbſt, geſetzet ſehen: ſo ſtelleten Xenophilus <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Pauſan. L. 2. p. 163. l.</hi> 36.</note> und Strato ihre<lb/> ſitzenden Figuren bey ihrer Statue des Aeſculapius und der Hygiea zu Argus.<lb/> Chiriſophus <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Pauſan. L. 8. p. 708. l.</hi> 9.</note>, der Meiſter des Apollo zu Tegea, ſtand in Marmor neben<lb/> ſeinem Werke, und Alcamenes <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Pauſan. L. 5. p. 399. l.</hi> 37.</note> war erhaben gearbeitet an dem Gipfel des<lb/> Eleuſiniſchen Tempels; Parrhaſius und Silanion <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">Plutarch. Theſ. p. 5. l.</hi> 22.</note> wurden in ihrem Ge-<lb/> maͤlde des Theſeus zugleich mit dieſem verehret. Andere Kuͤnſtler ſetzten<lb/> ihren Namen auf ihr Werk, und Phidias den ſeinigen <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq">Pauſan. L. 5. p. 397. l.</hi> 41.</note> zu den Fuͤßen<lb/> des Olympiſchen Jupiters. Es ſtand auch an verſchiedenen Statuen der<lb/> Sieger zu Elis <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#aq">conf. Id. L. 6. p. 456. l.</hi> 36.</note> der Name der Kuͤnſtler, und an dem Wagen mit vier<lb/> Pferden von Erzt, welchen der Sohn des Koͤnigs Hiero zu Syracus, Di-<lb/> nomenes, ſeinem Vater ſetzen ließ, war in zween Verſen <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#aq">Id. L. 8. p. 688. l.</hi> 1.</note> angezeiget,<lb/> daß Onatas der Meiſter dieſes Werks ſey. Dieſer Gebrauch aber war<lb/> dennoch nicht ſo allgemein, daß man aus dem Mangel des Namens des<lb/> Kuͤnſtlers an vorzuͤglichen Statuen ſchließen koͤnnte, daß es Werke aus<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſpaͤtern</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0184]
I Theil. Viertes Capitel.
dieſer Ueberzeugung gieng Aeſopus beſtaͤndig unter den Bildhauern und
Baumeiſtern umher. In viel ſpaͤterer Zeit war der Maler Diognetus
einer von denen, welche den Marcus Aurelius die Weisheit lehreten.
Dieſer Kaiſer bekennet, daß er von demſelben gelernet habe, das Wahre
von dem Falſchen zu unterſcheiden, und nicht Thorheiten fuͤr wuͤrdige
Sachen anzunehmen. Der Kuͤnſtler konnte ein Geſetzgeber werden: denn
alle Geſetzgeber waren gemeine Buͤrger, wie Ariſtoteles 1) bezeuget. Er
konnte Kriegsheere fuͤhren, wie Lamachus, einer der duͤrfdigſten Buͤrger zu
Athen, und ſeine Statue neben dem Militiades und Themiſtocles, ja neben
den Goͤttern ſelbſt, geſetzet ſehen: ſo ſtelleten Xenophilus 2) und Strato ihre
ſitzenden Figuren bey ihrer Statue des Aeſculapius und der Hygiea zu Argus.
Chiriſophus 3), der Meiſter des Apollo zu Tegea, ſtand in Marmor neben
ſeinem Werke, und Alcamenes 4) war erhaben gearbeitet an dem Gipfel des
Eleuſiniſchen Tempels; Parrhaſius und Silanion 5) wurden in ihrem Ge-
maͤlde des Theſeus zugleich mit dieſem verehret. Andere Kuͤnſtler ſetzten
ihren Namen auf ihr Werk, und Phidias den ſeinigen 6) zu den Fuͤßen
des Olympiſchen Jupiters. Es ſtand auch an verſchiedenen Statuen der
Sieger zu Elis 7) der Name der Kuͤnſtler, und an dem Wagen mit vier
Pferden von Erzt, welchen der Sohn des Koͤnigs Hiero zu Syracus, Di-
nomenes, ſeinem Vater ſetzen ließ, war in zween Verſen 8) angezeiget,
daß Onatas der Meiſter dieſes Werks ſey. Dieſer Gebrauch aber war
dennoch nicht ſo allgemein, daß man aus dem Mangel des Namens des
Kuͤnſtlers an vorzuͤglichen Statuen ſchließen koͤnnte, daß es Werke aus
ſpaͤtern
1) Polit. L. 4. c. 11. p 115. l. 20. ed. 1577, 4.
2) Pauſan. L. 2. p. 163. l. 36.
3) Pauſan. L. 8. p. 708. l. 9.
4) Pauſan. L. 5. p. 399. l. 37.
5) Plutarch. Theſ. p. 5. l. 22.
6) Pauſan. L. 5. p. 397. l. 41.
7) conf. Id. L. 6. p. 456. l. 36.
8) Id. L. 8. p. 688. l. 1.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |