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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Griechen.
Man findet auch, daß das Griechische Frauenzimmer, die Fehler des Ge-
wächses zu verbergen, den Leib mit dünnen Brettergen von Lindenholz
gepresset habe 1). Der Gebrauch sich zu schnüren muß auch bey den He-
truriern gewesen seyn, wie sich auf einer alten Paste an einer Scylla zei-
get 2), deren Leib gegen die Hüften wie eine Schnürbrust enger zuläuft.
An entkleideten Personen bis auf das Unterkleid, ist dieses mit einem Gür-
tel gebunden, welches im völligen Anzuge, wie es scheinet, nicht geschah.

Der Weibliche Rock war gewöhnlich nichts anders, als zwey langec Von dem
Rocke.
aa der vier-
eckigte Rock.

Stücke Tuch, ohne Schnitt und ohne andere Form, welche nur in der
Länge zusammen genähet waren, und auf den Achseln durch einen oder
mehr Knöpfe zusammenhiengen: zuweilen war an statt des Knopfs ein
spitziger Heft, und die Weiber zu Argos und Aegina trugen dergleichen
Hefte größer, als zu Athen 3). Dieses war der sogenannte viereckigte Rock,
welcher auf keine Weise rund geschnitten seyn kann, wie Salmasius
glaubet 4), (er giebt die Form des Mantels dem Rocke, und des Rocks
dem Mantel) und es ist die gemeinste Tracht Göttlicher Figuren, oder aus
der Heldenzeit. Dieser Rock wurde über den Kopf geworfen. Die
Röcke der Spartanischen Jungfrauen waren unten auf den Seiten offen 5),
und flogen frey von einander, wie man es an einigen Tänzerinnen in er-
hobener Arbeit sieht. Andere Röcke sind mit engen genäheten Ermeln,bb mit en-
gen genäheten
Ermeln.

welche bis an die Knöchel der Hand reichen, und die daher karpotoi,
von karpos, der Knöchel, genennet wurden 6). So ist die ältere von
den zwo schönsten Töchtern der Niobe gekleidet; die vermeynte Dido un-
ter den Hetrurischen Gemälden, wie auch die mehresten Weiblichen Figuren
der ältesten erhobenen Arbeiten, haben eben dergleichen Ermel. Vielmalscc mit an-
dern Ermeln.

gehen die Ermel nur über das Obertheil des Arms, welche Kleidung da-

her
1) Casaub. Not. in Spartian. p. 55. D. Petit. Miscel. L. 5. c. 9. p. 174.
2) Descr. de Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 174.
3) Herodot. L. 5. p. 201. l. 24.
4) Not. in Script. Hist. Aug. p. 389. D.
5) Plutarch. in Numa, p. 140. l. 19.
6) Salmas. in Tertul. de Pal. p. 44.
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Von der Kunſt unter den Griechen.
Man findet auch, daß das Griechiſche Frauenzimmer, die Fehler des Ge-
waͤchſes zu verbergen, den Leib mit duͤnnen Brettergen von Lindenholz
gepreſſet habe 1). Der Gebrauch ſich zu ſchnuͤren muß auch bey den He-
truriern geweſen ſeyn, wie ſich auf einer alten Paſte an einer Scylla zei-
get 2), deren Leib gegen die Huͤften wie eine Schnuͤrbruſt enger zulaͤuft.
An entkleideten Perſonen bis auf das Unterkleid, iſt dieſes mit einem Guͤr-
tel gebunden, welches im voͤlligen Anzuge, wie es ſcheinet, nicht geſchah.

Der Weibliche Rock war gewoͤhnlich nichts anders, als zwey langec Von dem
Rocke.
aa der vier-
eckigte Rock.

Stuͤcke Tuch, ohne Schnitt und ohne andere Form, welche nur in der
Laͤnge zuſammen genaͤhet waren, und auf den Achſeln durch einen oder
mehr Knoͤpfe zuſammenhiengen: zuweilen war an ſtatt des Knopfs ein
ſpitziger Heft, und die Weiber zu Argos und Aegina trugen dergleichen
Hefte groͤßer, als zu Athen 3). Dieſes war der ſogenannte viereckigte Rock,
welcher auf keine Weiſe rund geſchnitten ſeyn kann, wie Salmaſius
glaubet 4), (er giebt die Form des Mantels dem Rocke, und des Rocks
dem Mantel) und es iſt die gemeinſte Tracht Goͤttlicher Figuren, oder aus
der Heldenzeit. Dieſer Rock wurde uͤber den Kopf geworfen. Die
Roͤcke der Spartaniſchen Jungfrauen waren unten auf den Seiten offen 5),
und flogen frey von einander, wie man es an einigen Taͤnzerinnen in er-
hobener Arbeit ſieht. Andere Roͤcke ſind mit engen genaͤheten Ermeln,bb mit en-
gen genaͤheten
Ermeln.

welche bis an die Knoͤchel der Hand reichen, und die daher καρπωτοί,
von κάρπος, der Knoͤchel, genennet wurden 6). So iſt die aͤltere von
den zwo ſchoͤnſten Toͤchtern der Niobe gekleidet; die vermeynte Dido un-
ter den Hetruriſchen Gemaͤlden, wie auch die mehreſten Weiblichen Figuren
der aͤlteſten erhobenen Arbeiten, haben eben dergleichen Ermel. Vielmalscc mit an-
dern Ermeln.

gehen die Ermel nur uͤber das Obertheil des Arms, welche Kleidung da-

her
1) Caſaub. Not. in Spartian. p. 55. D. Petit. Miſcel. L. 5. c. 9. p. 174.
2) Deſcr. de Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 174.
3) Herodot. L. 5. p. 201. l. 24.
4) Not. in Script. Hiſt. Aug. p. 389. D.
5) Plutarch. in Numa, p. 140. l. 19.
6) Salmaſ. in Tertul. de Pal. p. 44.
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[195/0245] Von der Kunſt unter den Griechen. Man findet auch, daß das Griechiſche Frauenzimmer, die Fehler des Ge- waͤchſes zu verbergen, den Leib mit duͤnnen Brettergen von Lindenholz gepreſſet habe 1). Der Gebrauch ſich zu ſchnuͤren muß auch bey den He- truriern geweſen ſeyn, wie ſich auf einer alten Paſte an einer Scylla zei- get 2), deren Leib gegen die Huͤften wie eine Schnuͤrbruſt enger zulaͤuft. An entkleideten Perſonen bis auf das Unterkleid, iſt dieſes mit einem Guͤr- tel gebunden, welches im voͤlligen Anzuge, wie es ſcheinet, nicht geſchah. Der Weibliche Rock war gewoͤhnlich nichts anders, als zwey lange Stuͤcke Tuch, ohne Schnitt und ohne andere Form, welche nur in der Laͤnge zuſammen genaͤhet waren, und auf den Achſeln durch einen oder mehr Knoͤpfe zuſammenhiengen: zuweilen war an ſtatt des Knopfs ein ſpitziger Heft, und die Weiber zu Argos und Aegina trugen dergleichen Hefte groͤßer, als zu Athen 3). Dieſes war der ſogenannte viereckigte Rock, welcher auf keine Weiſe rund geſchnitten ſeyn kann, wie Salmaſius glaubet 4), (er giebt die Form des Mantels dem Rocke, und des Rocks dem Mantel) und es iſt die gemeinſte Tracht Goͤttlicher Figuren, oder aus der Heldenzeit. Dieſer Rock wurde uͤber den Kopf geworfen. Die Roͤcke der Spartaniſchen Jungfrauen waren unten auf den Seiten offen 5), und flogen frey von einander, wie man es an einigen Taͤnzerinnen in er- hobener Arbeit ſieht. Andere Roͤcke ſind mit engen genaͤheten Ermeln, welche bis an die Knoͤchel der Hand reichen, und die daher καρπωτοί, von κάρπος, der Knoͤchel, genennet wurden 6). So iſt die aͤltere von den zwo ſchoͤnſten Toͤchtern der Niobe gekleidet; die vermeynte Dido un- ter den Hetruriſchen Gemaͤlden, wie auch die mehreſten Weiblichen Figuren der aͤlteſten erhobenen Arbeiten, haben eben dergleichen Ermel. Vielmals gehen die Ermel nur uͤber das Obertheil des Arms, welche Kleidung da- her c Von dem Rocke. aa der vier- eckigte Rock. bb mit en- gen genaͤheten Ermeln. cc mit an- dern Ermeln. 1) Caſaub. Not. in Spartian. p. 55. D. Petit. Miſcel. L. 5. c. 9. p. 174. 2) Deſcr. de Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 174. 3) Herodot. L. 5. p. 201. l. 24. 4) Not. in Script. Hiſt. Aug. p. 389. D. 5) Plutarch. in Numa, p. 140. l. 19. 6) Salmaſ. in Tertul. de Pal. p. 44. B b 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/245>, abgerufen am 25.11.2024.