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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Viertes Capitel.
aus einem einzigen Stücke zu machen 1). Aus zwey Stücken waren, außer
dem im zweyten Capitel angeführten Aegyptischen Antinous, zwo Sta-
tuen, des Hadrianus und des Antoninus Pius, in dem Pallaste Ruspoli,
wie die deutliche Spur der Fugung an dem erhaltenen Obertheile zeiget.
Merkwürdig ist, daß an einigen der besten Statuen in Marmor schon an-
fänglich bey ihrer Anlage die Köpfe besonders gemacht und angesetzet wor-
den sind: dieses ist augenscheinlich an den Köpfen der Niobe und ihrer
Töchter, welche in die Schultern eingefuget sind, und es findet hier kein
Verdacht einer Beschädigung oder Ausbesserung Platz. Der Kopf der
mehrmals angeführten Pallas, in der Villa Albani, ist ebenfalls eingese-
tzet, so wie die Köpfe der ohnlängst gefundenen vier Caryatiden. Es
wurden auch zuweilen die Arme eingefuget, wie die Pallas und ein paar
gedachter Caryatiden dieselbe haben.

B.
Ins besondere.

Ueber die Ausarbeitung der Materie ist erstlich des Elfenbeins zu ge-
a Von der
Arbeit in
Elfenbein.
denken. Elfenbein zu Statuen scheinet auf der Drehbank gearbeitet zu
seyn, und da Phidias sich vornehmlich in dieser Arbeit hervorgethan, wel-
cher die Kunst, die bey den Alten Torevtice, d. i. das Drechseln, heißt,
erfunden, so könnte dieses keine andere Kunst seyn, als diejenige, welche
das Gesicht, die Hände, und die Füße ausdrechselte. Auf der Drehbank
arbeitete man auch das Schnitzwerk an Gefäßen, wie dasjenige von dem
göttlichen Alcimedon beym Virgilius war, welches als ein Preiß unter
zween Schäfer ausgesetzet wurde.

b Von der Ar-
beit in Stein.

Die Ausarbeitung, in Absicht auf den Stein, gehet vornehmlich den
aa In Mar-
mor.
Marmor, den Basalt, und den Porphyr an. Figuren von Marmor wur-
den entweder mit dem bloßen Eisen geendiget, ohne sie zu glätten, oder
sie wurden, wie itzo geschieht, geglättet. Es ist nicht zu sagen, ob dieses
oder jenes älter sey, da die ältesten Aegyptischen Figuren aus den härtesten

Steinen
1) Leg. L. 12. p. 956. A.

I Theil. Viertes Capitel.
aus einem einzigen Stuͤcke zu machen 1). Aus zwey Stuͤcken waren, außer
dem im zweyten Capitel angefuͤhrten Aegyptiſchen Antinous, zwo Sta-
tuen, des Hadrianus und des Antoninus Pius, in dem Pallaſte Ruſpoli,
wie die deutliche Spur der Fugung an dem erhaltenen Obertheile zeiget.
Merkwuͤrdig iſt, daß an einigen der beſten Statuen in Marmor ſchon an-
faͤnglich bey ihrer Anlage die Koͤpfe beſonders gemacht und angeſetzet wor-
den ſind: dieſes iſt augenſcheinlich an den Koͤpfen der Niobe und ihrer
Toͤchter, welche in die Schultern eingefuget ſind, und es findet hier kein
Verdacht einer Beſchaͤdigung oder Ausbeſſerung Platz. Der Kopf der
mehrmals angefuͤhrten Pallas, in der Villa Albani, iſt ebenfalls eingeſe-
tzet, ſo wie die Koͤpfe der ohnlaͤngſt gefundenen vier Caryatiden. Es
wurden auch zuweilen die Arme eingefuget, wie die Pallas und ein paar
gedachter Caryatiden dieſelbe haben.

B.
Ins beſondeꝛe.

Ueber die Ausarbeitung der Materie iſt erſtlich des Elfenbeins zu ge-
a Von der
Arbeit in
Elfenbein.
denken. Elfenbein zu Statuen ſcheinet auf der Drehbank gearbeitet zu
ſeyn, und da Phidias ſich vornehmlich in dieſer Arbeit hervorgethan, wel-
cher die Kunſt, die bey den Alten Torevtice, d. i. das Drechſeln, heißt,
erfunden, ſo koͤnnte dieſes keine andere Kunſt ſeyn, als diejenige, welche
das Geſicht, die Haͤnde, und die Fuͤße ausdrechſelte. Auf der Drehbank
arbeitete man auch das Schnitzwerk an Gefaͤßen, wie dasjenige von dem
goͤttlichen Alcimedon beym Virgilius war, welches als ein Preiß unter
zween Schaͤfer ausgeſetzet wurde.

b Von der Ar-
beit in Stein.

Die Ausarbeitung, in Abſicht auf den Stein, gehet vornehmlich den
aa In Mar-
mor.
Marmor, den Baſalt, und den Porphyr an. Figuren von Marmor wur-
den entweder mit dem bloßen Eiſen geendiget, ohne ſie zu glaͤtten, oder
ſie wurden, wie itzo geſchieht, geglaͤttet. Es iſt nicht zu ſagen, ob dieſes
oder jenes aͤlter ſey, da die aͤlteſten Aegyptiſchen Figuren aus den haͤrteſten

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1) Leg. L. 12. p. 956. A.
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[252/0302] I Theil. Viertes Capitel. aus einem einzigen Stuͤcke zu machen 1). Aus zwey Stuͤcken waren, außer dem im zweyten Capitel angefuͤhrten Aegyptiſchen Antinous, zwo Sta- tuen, des Hadrianus und des Antoninus Pius, in dem Pallaſte Ruſpoli, wie die deutliche Spur der Fugung an dem erhaltenen Obertheile zeiget. Merkwuͤrdig iſt, daß an einigen der beſten Statuen in Marmor ſchon an- faͤnglich bey ihrer Anlage die Koͤpfe beſonders gemacht und angeſetzet wor- den ſind: dieſes iſt augenſcheinlich an den Koͤpfen der Niobe und ihrer Toͤchter, welche in die Schultern eingefuget ſind, und es findet hier kein Verdacht einer Beſchaͤdigung oder Ausbeſſerung Platz. Der Kopf der mehrmals angefuͤhrten Pallas, in der Villa Albani, iſt ebenfalls eingeſe- tzet, ſo wie die Koͤpfe der ohnlaͤngſt gefundenen vier Caryatiden. Es wurden auch zuweilen die Arme eingefuget, wie die Pallas und ein paar gedachter Caryatiden dieſelbe haben. Ueber die Ausarbeitung der Materie iſt erſtlich des Elfenbeins zu ge- denken. Elfenbein zu Statuen ſcheinet auf der Drehbank gearbeitet zu ſeyn, und da Phidias ſich vornehmlich in dieſer Arbeit hervorgethan, wel- cher die Kunſt, die bey den Alten Torevtice, d. i. das Drechſeln, heißt, erfunden, ſo koͤnnte dieſes keine andere Kunſt ſeyn, als diejenige, welche das Geſicht, die Haͤnde, und die Fuͤße ausdrechſelte. Auf der Drehbank arbeitete man auch das Schnitzwerk an Gefaͤßen, wie dasjenige von dem goͤttlichen Alcimedon beym Virgilius war, welches als ein Preiß unter zween Schaͤfer ausgeſetzet wurde. a Von der Arbeit in Elfenbein. Die Ausarbeitung, in Abſicht auf den Stein, gehet vornehmlich den Marmor, den Baſalt, und den Porphyr an. Figuren von Marmor wur- den entweder mit dem bloßen Eiſen geendiget, ohne ſie zu glaͤtten, oder ſie wurden, wie itzo geſchieht, geglaͤttet. Es iſt nicht zu ſagen, ob dieſes oder jenes aͤlter ſey, da die aͤlteſten Aegyptiſchen Figuren aus den haͤrteſten Steinen aa In Mar- mor. 1) Leg. L. 12. p. 956. A.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/302>, abgerufen am 24.11.2024.