Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.II Theil. Von der Griechischen Kunst eben daselbst 1), ist wegen ähnlicher Unverschämtheit des Vorgebens zu mer-ken: "Einer von den Gefangenen, welche die Architrave an dem Thore "des Pallastes von dem Vicekönig in Aegypten trugen, nachdem Camby- "ses dieses Reich erobert hatte." Die Statue des Marcus Aurelius zu Pferd, stand auf dem Platze vor der Kirche von St. Johann Lateran, weil in dieser Gegend das Haus war, wo dieser Kaiser gebohren war; die Figur des Kaisers aber muß in der mittlern Zeit verschüttet gelegen haben. Denn in dem Leben des berühmten Cola von Rienzo, wird nur von dem Pferde allein geredet, und man nennete es das Pferd des Constantins. Bey Gelegenheit eines großen Festes, zur Zeit, da die Päbste ihren Sitz zu Avignon hatten, lief für das Volk aus dem Kopfe des Pferdes, und zwar aus dem rechten Nasenloche, rother Wein, und aus dem linken, Was- ser 2): in Rom war damals kein ander Wasser, als aus der Tiber, da die Wasserleitungen eingegangen waren, und an entlegenen Orten von dem Flusse wurde es verkauft, wie itzo auf den Gassen zu Paris 3). Von der Sta- tue des Aristi- des, und vom Herodes Atti- cus. Die Statue des Rhetors Aristides in der Vaticanischen Bibliothek cus, 1) Tab. 20. 2) Fiortifioc. Vita di Col. di Rienz. p. 107. 3) Der Senat zu Rom giebt alle Jahre einen Blumenstrauß an das Capitel der Kirche von
St. Johann Lateran, gleichsam als eine Lehnpflicht, zur Bekenntniß des alten Rechts dieser Kirche an die Statue des Marcus Aurelius. Es ist eine öffentliche Bedienung über diese Statue von der Zeit, da dieselbe auf das Campidoglio gebracht worden, be- stellet, welche monathlich zehen Scudi einträgt; derjenige, welcher dieselbe versieht, heißt Custode del Cavallo. Eine andere einträglichere, eben so müßige, aber noch ältere Bedienung, ist die Lettura di Tito Livio, welche jährlich dreyhundert Scudi einträgt, die aus dem Salzimposte genommen werden. Beyde Stellen vergiebt der Pabst, und sie ruhen auf gewissen Häusern von dem ältesten Adel in Rom: die letzte Bedienung hat das Haus Conti, und sollte auch niemand von ihnen des Livius Ge- schichte mit Augen gesehen haben. II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt eben daſelbſt 1), iſt wegen aͤhnlicher Unverſchaͤmtheit des Vorgebens zu mer-ken: „Einer von den Gefangenen, welche die Architrave an dem Thore „des Pallaſtes von dem Vicekoͤnig in Aegypten trugen, nachdem Camby- „ſes dieſes Reich erobert hatte.“ Die Statue des Marcus Aurelius zu Pferd, ſtand auf dem Platze vor der Kirche von St. Johann Lateran, weil in dieſer Gegend das Haus war, wo dieſer Kaiſer gebohren war; die Figur des Kaiſers aber muß in der mittlern Zeit verſchuͤttet gelegen haben. Denn in dem Leben des beruͤhmten Cola von Rienzo, wird nur von dem Pferde allein geredet, und man nennete es das Pferd des Conſtantins. Bey Gelegenheit eines großen Feſtes, zur Zeit, da die Paͤbſte ihren Sitz zu Avignon hatten, lief fuͤr das Volk aus dem Kopfe des Pferdes, und zwar aus dem rechten Naſenloche, rother Wein, und aus dem linken, Waſ- ſer 2): in Rom war damals kein ander Waſſer, als aus der Tiber, da die Waſſerleitungen eingegangen waren, und an entlegenen Orten von dem Fluſſe wurde es verkauft, wie itzo auf den Gaſſen zu Paris 3). Von der Sta- tue des Ariſti- des, und vom Herodes Atti- cus. Die Statue des Rhetors Ariſtides in der Vaticaniſchen Bibliothek cus, 1) Tab. 20. 2) Fiortifioc. Vita di Col. di Rienz. p. 107. 3) Der Senat zu Rom giebt alle Jahre einen Blumenſtrauß an das Capitel der Kirche von
St. Johann Lateran, gleichſam als eine Lehnpflicht, zur Bekenntniß des alten Rechts dieſer Kirche an die Statue des Marcus Aurelius. Es iſt eine oͤffentliche Bedienung uͤber dieſe Statue von der Zeit, da dieſelbe auf das Campidoglio gebracht worden, be- ſtellet, welche monathlich zehen Scudi eintraͤgt; derjenige, welcher dieſelbe verſieht, heißt Cuſtode del Cavallo. Eine andere eintraͤglichere, eben ſo muͤßige, aber noch aͤltere Bedienung, iſt die Lettura di Tito Livio, welche jaͤhrlich dreyhundert Scudi eintraͤgt, die aus dem Salzimpoſte genommen werden. Beyde Stellen vergiebt der Pabſt, und ſie ruhen auf gewiſſen Haͤuſern von dem aͤlteſten Adel in Rom: die letzte Bedienung hat das Haus Conti, und ſollte auch niemand von ihnen des Livius Ge- ſchichte mit Augen geſehen haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0102" n="414"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Theil. Von der Griechiſchen Kunſt</hi></fw><lb/> eben daſelbſt <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Tab.</hi> 20.</note>, iſt wegen aͤhnlicher Unverſchaͤmtheit des Vorgebens zu mer-<lb/> ken: „Einer von den Gefangenen, welche die Architrave an dem Thore<lb/> „des Pallaſtes von dem Vicekoͤnig in Aegypten trugen, nachdem Camby-<lb/> „ſes dieſes Reich erobert hatte.“ Die Statue des Marcus Aurelius zu<lb/> Pferd, ſtand auf dem Platze vor der Kirche von St. Johann Lateran,<lb/> weil in dieſer Gegend das Haus war, wo dieſer Kaiſer gebohren war; die<lb/> Figur des Kaiſers aber muß in der mittlern Zeit verſchuͤttet gelegen haben.<lb/> Denn in dem Leben des beruͤhmten <hi rendition="#fr">Cola von Rienzo</hi>, wird nur von dem<lb/> Pferde allein geredet, und man nennete es das Pferd des Conſtantins.<lb/> Bey Gelegenheit eines großen Feſtes, zur Zeit, da die Paͤbſte ihren Sitz<lb/> zu Avignon hatten, lief fuͤr das Volk aus dem Kopfe des Pferdes, und<lb/> zwar aus dem rechten Naſenloche, rother Wein, und aus dem linken, Waſ-<lb/> ſer <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Fiortifioc. Vita di Col. di Rienz. p.</hi> 107.</note>: in Rom war damals kein ander Waſſer, als aus der Tiber, da die<lb/> Waſſerleitungen eingegangen waren, und an entlegenen Orten von dem<lb/> Fluſſe wurde es verkauft, wie itzo auf den Gaſſen zu Paris <note place="foot" n="3)">Der Senat zu Rom giebt alle Jahre einen Blumenſtrauß an das Capitel der Kirche von<lb/> St. Johann Lateran, gleichſam als eine Lehnpflicht, zur Bekenntniß des alten Rechts<lb/> dieſer Kirche an die Statue des Marcus Aurelius. Es iſt eine oͤffentliche Bedienung<lb/> uͤber dieſe Statue von der Zeit, da dieſelbe auf das Campidoglio gebracht worden, be-<lb/> ſtellet, welche monathlich zehen Scudi eintraͤgt; derjenige, welcher dieſelbe verſieht,<lb/> heißt <hi rendition="#fr">Cuſtode del Cavallo.</hi> Eine andere eintraͤglichere, eben ſo muͤßige, aber noch<lb/> aͤltere Bedienung, iſt die <hi rendition="#fr">Lettura di Tito Livio</hi>, welche jaͤhrlich dreyhundert Scudi<lb/> eintraͤgt, die aus dem Salzimpoſte genommen werden. Beyde Stellen vergiebt der<lb/> Pabſt, und ſie ruhen auf gewiſſen Haͤuſern von dem aͤlteſten Adel in Rom: die letzte<lb/> Bedienung hat das Haus <hi rendition="#fr">Conti</hi>, und ſollte auch niemand von ihnen des Livius Ge-<lb/> ſchichte mit Augen geſehen haben.</note>.</p><lb/> <note place="left"><hi rendition="#aq">e.</hi><lb/> Von der Sta-<lb/> tue des Ariſti-<lb/> des, und vom<lb/> Herodes Atti-<lb/> cus.</note> <p>Die Statue des Rhetors Ariſtides in der Vaticaniſchen Bibliothek<lb/> iſt aus der Zeit, von welcher wir reden, und unter den ſitzenden bekleideten<lb/> Figuren nicht die ſchlechteſte. Nach der Beſchreibung einer bewafneten<lb/> Venus, welche der beruͤhmte Redner <hi rendition="#fr">Herodes</hi>, mit dem Zunamen <hi rendition="#fr">Atti-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">cus</hi>,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [414/0102]
II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt
eben daſelbſt 1), iſt wegen aͤhnlicher Unverſchaͤmtheit des Vorgebens zu mer-
ken: „Einer von den Gefangenen, welche die Architrave an dem Thore
„des Pallaſtes von dem Vicekoͤnig in Aegypten trugen, nachdem Camby-
„ſes dieſes Reich erobert hatte.“ Die Statue des Marcus Aurelius zu
Pferd, ſtand auf dem Platze vor der Kirche von St. Johann Lateran,
weil in dieſer Gegend das Haus war, wo dieſer Kaiſer gebohren war; die
Figur des Kaiſers aber muß in der mittlern Zeit verſchuͤttet gelegen haben.
Denn in dem Leben des beruͤhmten Cola von Rienzo, wird nur von dem
Pferde allein geredet, und man nennete es das Pferd des Conſtantins.
Bey Gelegenheit eines großen Feſtes, zur Zeit, da die Paͤbſte ihren Sitz
zu Avignon hatten, lief fuͤr das Volk aus dem Kopfe des Pferdes, und
zwar aus dem rechten Naſenloche, rother Wein, und aus dem linken, Waſ-
ſer 2): in Rom war damals kein ander Waſſer, als aus der Tiber, da die
Waſſerleitungen eingegangen waren, und an entlegenen Orten von dem
Fluſſe wurde es verkauft, wie itzo auf den Gaſſen zu Paris 3).
Die Statue des Rhetors Ariſtides in der Vaticaniſchen Bibliothek
iſt aus der Zeit, von welcher wir reden, und unter den ſitzenden bekleideten
Figuren nicht die ſchlechteſte. Nach der Beſchreibung einer bewafneten
Venus, welche der beruͤhmte Redner Herodes, mit dem Zunamen Atti-
cus,
1) Tab. 20.
2) Fiortifioc. Vita di Col. di Rienz. p. 107.
3) Der Senat zu Rom giebt alle Jahre einen Blumenſtrauß an das Capitel der Kirche von
St. Johann Lateran, gleichſam als eine Lehnpflicht, zur Bekenntniß des alten Rechts
dieſer Kirche an die Statue des Marcus Aurelius. Es iſt eine oͤffentliche Bedienung
uͤber dieſe Statue von der Zeit, da dieſelbe auf das Campidoglio gebracht worden, be-
ſtellet, welche monathlich zehen Scudi eintraͤgt; derjenige, welcher dieſelbe verſieht,
heißt Cuſtode del Cavallo. Eine andere eintraͤglichere, eben ſo muͤßige, aber noch
aͤltere Bedienung, iſt die Lettura di Tito Livio, welche jaͤhrlich dreyhundert Scudi
eintraͤgt, die aus dem Salzimpoſte genommen werden. Beyde Stellen vergiebt der
Pabſt, und ſie ruhen auf gewiſſen Haͤuſern von dem aͤlteſten Adel in Rom: die letzte
Bedienung hat das Haus Conti, und ſollte auch niemand von ihnen des Livius Ge-
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