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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen
Athen wider diese mit den Thebanern vereiniget war: die ganze Schatzung
betrug sechstausend zweyhundert und funfzig Talente 1).

a.
Vergleichung
der damaligen
Umstände der
Kunst mit der
Theatralischen
Dichtkunst.

Jn diesem Kriege scheinen die Poesie und die Kunst nicht gleiches
Schicksal, wie vorher, gehabt zu haben. Denn da sonderlich die Athe-
nienser aus eigenen Kosten diesem Kriege nicht gewachsen waren, so konnte
nicht viel auf Werke der Kunst verwendet werden. Allein die Schauspiele
ließ das Volk nicht eingehen; sie wurden bey ihnen gleichsam unter die
Nothwendigkeiten des Lebens gerechnet, und als die Stadt nachher unter
dem Regimente des Macedonischen Lachares von dem Demetrius Poliorce-
tes belagert wurde, dieneten die Schauspiele in der Hungersnoth den Ma-
gen zu befriedigen 2). Wir finden Nachricht, daß, nach besagtem sogenann-
ten Peloponnesischen Kriege, in der größten Armuth, worinnen sich Athen
befand, ein gewisses Geld unter die Bürger, um die Schauspiele sehen zu
können, und zwar eine Drachme auf den Mann, ausgetheilet wurde.
Denn sie hielten dieselbe in gewisser Maße, so wie die öffentlichen Spiele,
für heilig, wie sie denn auch mehrentheils an großen Festen aufgeführet
wurden, und das Theater zu Athen ist das erste Jahr dieses Krieges durch
den Wettstreit des Euripides mit dem Sophocles und Euphorion über die
Tragödie Medea, welche für das beste Stück von jenem gehalten wurde 3),
eben so bekannt, als es die nächst folgenden Olympischen Spiele sind durch
den Doriäus aus Rhodus, den Sohn des berühmten Diagoras, welcher
den Sieg und Preis erhielt. Das dritte Jahr nach Aufführung der Me-
dea, trat Eupolis mit seinen Comödien hervor, und in eben dieser Olym-
pias Aristophanes mit seinen Wespen. Jn der folgenden, nemlich der
acht und achtzigsten Olympias, führete er seine zwey Stücke, die Wolken
und die Acharnenser betitelt, auf. Aus angeführtem Grunde sollte man

glauben,
1) Polyb. L. 2. p. 148. B.
2) Dionys. Halic. de Thucyd. judic. c. 18. p. 235.
3) Epigr. gr. ap. Orvil. Anim. in Charit. p. 387.

II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
Athen wider dieſe mit den Thebanern vereiniget war: die ganze Schatzung
betrug ſechstauſend zweyhundert und funfzig Talente 1).

a.
Vergleichung
der damaligen
Umſtaͤnde der
Kunſt mit der
Theatraliſchen
Dichtkunſt.

Jn dieſem Kriege ſcheinen die Poeſie und die Kunſt nicht gleiches
Schickſal, wie vorher, gehabt zu haben. Denn da ſonderlich die Athe-
nienſer aus eigenen Koſten dieſem Kriege nicht gewachſen waren, ſo konnte
nicht viel auf Werke der Kunſt verwendet werden. Allein die Schauſpiele
ließ das Volk nicht eingehen; ſie wurden bey ihnen gleichſam unter die
Nothwendigkeiten des Lebens gerechnet, und als die Stadt nachher unter
dem Regimente des Macedoniſchen Lachares von dem Demetrius Poliorce-
tes belagert wurde, dieneten die Schauſpiele in der Hungersnoth den Ma-
gen zu befriedigen 2). Wir finden Nachricht, daß, nach beſagtem ſogenann-
ten Peloponneſiſchen Kriege, in der groͤßten Armuth, worinnen ſich Athen
befand, ein gewiſſes Geld unter die Buͤrger, um die Schauſpiele ſehen zu
koͤnnen, und zwar eine Drachme auf den Mann, ausgetheilet wurde.
Denn ſie hielten dieſelbe in gewiſſer Maße, ſo wie die oͤffentlichen Spiele,
fuͤr heilig, wie ſie denn auch mehrentheils an großen Feſten aufgefuͤhret
wurden, und das Theater zu Athen iſt das erſte Jahr dieſes Krieges durch
den Wettſtreit des Euripides mit dem Sophocles und Euphorion uͤber die
Tragoͤdie Medea, welche fuͤr das beſte Stuͤck von jenem gehalten wurde 3),
eben ſo bekannt, als es die naͤchſt folgenden Olympiſchen Spiele ſind durch
den Doriaͤus aus Rhodus, den Sohn des beruͤhmten Diagoras, welcher
den Sieg und Preis erhielt. Das dritte Jahr nach Auffuͤhrung der Me-
dea, trat Eupolis mit ſeinen Comoͤdien hervor, und in eben dieſer Olym-
pias Ariſtophanes mit ſeinen Weſpen. Jn der folgenden, nemlich der
acht und achtzigſten Olympias, fuͤhrete er ſeine zwey Stuͤcke, die Wolken
und die Acharnenſer betitelt, auf. Aus angefuͤhrtem Grunde ſollte man

glauben,
1) Polyb. L. 2. p. 148. B.
2) Dionyſ. Halic. de Thucyd. judic. c. 18. p. 235.
3) Epigr. gr. ap. Orvil. Anim. in Charit. p. 387.
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[334/0022] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden Athen wider dieſe mit den Thebanern vereiniget war: die ganze Schatzung betrug ſechstauſend zweyhundert und funfzig Talente 1). Jn dieſem Kriege ſcheinen die Poeſie und die Kunſt nicht gleiches Schickſal, wie vorher, gehabt zu haben. Denn da ſonderlich die Athe- nienſer aus eigenen Koſten dieſem Kriege nicht gewachſen waren, ſo konnte nicht viel auf Werke der Kunſt verwendet werden. Allein die Schauſpiele ließ das Volk nicht eingehen; ſie wurden bey ihnen gleichſam unter die Nothwendigkeiten des Lebens gerechnet, und als die Stadt nachher unter dem Regimente des Macedoniſchen Lachares von dem Demetrius Poliorce- tes belagert wurde, dieneten die Schauſpiele in der Hungersnoth den Ma- gen zu befriedigen 2). Wir finden Nachricht, daß, nach beſagtem ſogenann- ten Peloponneſiſchen Kriege, in der groͤßten Armuth, worinnen ſich Athen befand, ein gewiſſes Geld unter die Buͤrger, um die Schauſpiele ſehen zu koͤnnen, und zwar eine Drachme auf den Mann, ausgetheilet wurde. Denn ſie hielten dieſelbe in gewiſſer Maße, ſo wie die oͤffentlichen Spiele, fuͤr heilig, wie ſie denn auch mehrentheils an großen Feſten aufgefuͤhret wurden, und das Theater zu Athen iſt das erſte Jahr dieſes Krieges durch den Wettſtreit des Euripides mit dem Sophocles und Euphorion uͤber die Tragoͤdie Medea, welche fuͤr das beſte Stuͤck von jenem gehalten wurde 3), eben ſo bekannt, als es die naͤchſt folgenden Olympiſchen Spiele ſind durch den Doriaͤus aus Rhodus, den Sohn des beruͤhmten Diagoras, welcher den Sieg und Preis erhielt. Das dritte Jahr nach Auffuͤhrung der Me- dea, trat Eupolis mit ſeinen Comoͤdien hervor, und in eben dieſer Olym- pias Ariſtophanes mit ſeinen Weſpen. Jn der folgenden, nemlich der acht und achtzigſten Olympias, fuͤhrete er ſeine zwey Stuͤcke, die Wolken und die Acharnenſer betitelt, auf. Aus angefuͤhrtem Grunde ſollte man glauben, 1) Polyb. L. 2. p. 148. B. 2) Dionyſ. Halic. de Thucyd. judic. c. 18. p. 235. 3) Epigr. gr. ap. Orvil. Anim. in Charit. p. 387.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/22>, abgerufen am 24.11.2024.