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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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vereinte freie und glückliche Deutschland, das die Fürsten
uns verheißen hatten? Die Censur, der Gewissenszwang, die Mauthen,
die Feudalherrschaft, das Mainzer Inquisitionsgericht, das Register der
deutschen Steuern, die 38 Fetzen des Landes, die Gesetze, wodurch
man alle diese Lappen gegenseitig für ausländisch erklärt, und dem
deutschen Bürger das Recht benimmt, in jedem Theile seines großen
Vaterlandes zu wohnen, die Verweigerung constitutioneller Verfassungen,
das Gerichtsverfahren, die Kabinetsjustizen, die Kabinetsregierungen,
die Congregationen, die Lotterien, das enorme Steigen der Staats-
schulden, die Heimlichkeit, die Camarilla's, der furchtbarste Gesetzesdruck,
die krebsähnlich um sich greifende Verarmung der Bürger, das zahllose
Heer von Armen und Bettlern, endlich die Quelle, der Stützpunkt und
der Inbegriff aller dieser Herrlichkeiten, der Bundestag geben die
Antwort. In der That, es giebt kein Volk das bitterer getäuscht
worden wäre, als das deutsche Volk. Neuer unerträglicher Druck inne-
rer Tyrannei, abermalige Zerrissenheit und neue Ohnmacht nach Außen
war der Lohn seiner Anstrengungen, die Frucht seiner Siege. Doch
man trug die Leiden des Landes und Volkes nicht mehr gefühllos: man
wußte, daß man betrogen war, und der Schmerz der Täuschung rief
eine patriotische Opposition im Volke hervor, die durch Gewalt mehrere
Jahre zwar niedergehalten wurde, doch im Stillen sich fortpflanzte und
blos einer schicklichen Gelegenheit bedurfte, um mit neuer Kraft und
gesteigertem Nachdrucke hervorzutreten. -- Einige kleinere Mächte Deutsch-
lands waren theils durch drückende Finanznoth, theils durch den Drang
anderer Umstände gezwungen worden, eine Art von Repräsentativ-Verfas-
sungen zu bewilligen. So armselig und krüppelhaft diese Constitutionen
nun auch waren, so gaben sie doch durch öffentliche Verhandlungen von
Wahlkammern einen Impuls zur Weckung des öffentlichen Lebens. Die
erste Frucht zeigte sich in dem Aufstreben der Presse. Sie gewann in
Franken und Rheinbaiern den ersten Aufschwung, ermuthigte und stärkte
die öffentliche Meinung und ließ bald gewahr werden, welche Kraft in
den Deutschen liegt und wie reif unser Volk schon ist für eine Ver-
fassung mit der umfassendsten Freiheit. Da trat denn vollends die große
Katastrophe des Julius ein und weckte neue herrliche Kräfte auch im
deutschen Volke. Einem baierschen Minister war der Impuls, den die
Julirevolution für Erweckung des Volksgeistes in Deutschland gegeben
hatte, noch nicht kräftig genug; er ahmte daher das Beispiel der Räthe
Carl X. nach, griff mit kecker Hand in die Verfassung des Landes ein
und schuf augenblicklich eine so allgemeine und so nachdrückliche Opposi-

vereinte freie und glückliche Deutſchland, das die Fürſten
uns verheißen hatten? Die Cenſur, der Gewiſſenszwang, die Mauthen,
die Feudalherrſchaft, das Mainzer Inquiſitionsgericht, das Regiſter der
deutſchen Steuern, die 38 Fetzen des Landes, die Geſetze, wodurch
man alle dieſe Lappen gegenſeitig für ausländiſch erklärt, und dem
deutſchen Bürger das Recht benimmt, in jedem Theile ſeines großen
Vaterlandes zu wohnen, die Verweigerung conſtitutioneller Verfaſſungen,
das Gerichtsverfahren, die Kabinetsjuſtizen, die Kabinetsregierungen,
die Congregationen, die Lotterien, das enorme Steigen der Staats-
ſchulden, die Heimlichkeit, die Camarilla’s, der furchtbarſte Geſetzesdruck,
die krebsähnlich um ſich greifende Verarmung der Bürger, das zahlloſe
Heer von Armen und Bettlern, endlich die Quelle, der Stützpunkt und
der Inbegriff aller dieſer Herrlichkeiten, der Bundestag geben die
Antwort. In der That, es giebt kein Volk das bitterer getäuſcht
worden wäre, als das deutſche Volk. Neuer unerträglicher Druck inne-
rer Tyrannei, abermalige Zerriſſenheit und neue Ohnmacht nach Außen
war der Lohn ſeiner Anſtrengungen, die Frucht ſeiner Siege. Doch
man trug die Leiden des Landes und Volkes nicht mehr gefühllos: man
wußte, daß man betrogen war, und der Schmerz der Täuſchung rief
eine patriotiſche Oppoſition im Volke hervor, die durch Gewalt mehrere
Jahre zwar niedergehalten wurde, doch im Stillen ſich fortpflanzte und
blos einer ſchicklichen Gelegenheit bedurfte, um mit neuer Kraft und
geſteigertem Nachdrucke hervorzutreten. — Einige kleinere Mächte Deutſch-
lands waren theils durch drückende Finanznoth, theils durch den Drang
anderer Umſtände gezwungen worden, eine Art von Repräſentativ-Verfaſ-
ſungen zu bewilligen. So armſelig und krüppelhaft dieſe Conſtitutionen
nun auch waren, ſo gaben ſie doch durch öffentliche Verhandlungen von
Wahlkammern einen Impuls zur Weckung des öffentlichen Lebens. Die
erſte Frucht zeigte ſich in dem Aufſtreben der Preſſe. Sie gewann in
Franken und Rheinbaiern den erſten Aufſchwung, ermuthigte und ſtärkte
die öffentliche Meinung und ließ bald gewahr werden, welche Kraft in
den Deutſchen liegt und wie reif unſer Volk ſchon iſt für eine Ver-
faſſung mit der umfaſſendſten Freiheit. Da trat denn vollends die große
Kataſtrophe des Julius ein und weckte neue herrliche Kräfte auch im
deutſchen Volke. Einem baierſchen Miniſter war der Impuls, den die
Julirevolution für Erweckung des Volksgeiſtes in Deutſchland gegeben
hatte, noch nicht kräftig genug; er ahmte daher das Beiſpiel der Räthe
Carl X. nach, griff mit kecker Hand in die Verfaſſung des Landes ein
und ſchuf augenblicklich eine ſo allgemeine und ſo nachdrückliche Oppoſi-

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[2/0010] vereinte freie und glückliche Deutſchland, das die Fürſten uns verheißen hatten? Die Cenſur, der Gewiſſenszwang, die Mauthen, die Feudalherrſchaft, das Mainzer Inquiſitionsgericht, das Regiſter der deutſchen Steuern, die 38 Fetzen des Landes, die Geſetze, wodurch man alle dieſe Lappen gegenſeitig für ausländiſch erklärt, und dem deutſchen Bürger das Recht benimmt, in jedem Theile ſeines großen Vaterlandes zu wohnen, die Verweigerung conſtitutioneller Verfaſſungen, das Gerichtsverfahren, die Kabinetsjuſtizen, die Kabinetsregierungen, die Congregationen, die Lotterien, das enorme Steigen der Staats- ſchulden, die Heimlichkeit, die Camarilla’s, der furchtbarſte Geſetzesdruck, die krebsähnlich um ſich greifende Verarmung der Bürger, das zahlloſe Heer von Armen und Bettlern, endlich die Quelle, der Stützpunkt und der Inbegriff aller dieſer Herrlichkeiten, der Bundestag geben die Antwort. In der That, es giebt kein Volk das bitterer getäuſcht worden wäre, als das deutſche Volk. Neuer unerträglicher Druck inne- rer Tyrannei, abermalige Zerriſſenheit und neue Ohnmacht nach Außen war der Lohn ſeiner Anſtrengungen, die Frucht ſeiner Siege. Doch man trug die Leiden des Landes und Volkes nicht mehr gefühllos: man wußte, daß man betrogen war, und der Schmerz der Täuſchung rief eine patriotiſche Oppoſition im Volke hervor, die durch Gewalt mehrere Jahre zwar niedergehalten wurde, doch im Stillen ſich fortpflanzte und blos einer ſchicklichen Gelegenheit bedurfte, um mit neuer Kraft und geſteigertem Nachdrucke hervorzutreten. — Einige kleinere Mächte Deutſch- lands waren theils durch drückende Finanznoth, theils durch den Drang anderer Umſtände gezwungen worden, eine Art von Repräſentativ-Verfaſ- ſungen zu bewilligen. So armſelig und krüppelhaft dieſe Conſtitutionen nun auch waren, ſo gaben ſie doch durch öffentliche Verhandlungen von Wahlkammern einen Impuls zur Weckung des öffentlichen Lebens. Die erſte Frucht zeigte ſich in dem Aufſtreben der Preſſe. Sie gewann in Franken und Rheinbaiern den erſten Aufſchwung, ermuthigte und ſtärkte die öffentliche Meinung und ließ bald gewahr werden, welche Kraft in den Deutſchen liegt und wie reif unſer Volk ſchon iſt für eine Ver- faſſung mit der umfaſſendſten Freiheit. Da trat denn vollends die große Kataſtrophe des Julius ein und weckte neue herrliche Kräfte auch im deutſchen Volke. Einem baierſchen Miniſter war der Impuls, den die Julirevolution für Erweckung des Volksgeiſtes in Deutſchland gegeben hatte, noch nicht kräftig genug; er ahmte daher das Beiſpiel der Räthe Carl X. nach, griff mit kecker Hand in die Verfaſſung des Landes ein und ſchuf augenblicklich eine ſo allgemeine und ſo nachdrückliche Oppoſi-

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/10>, abgerufen am 03.12.2024.