Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.Juli begrüßte, die Aufstände in Hessen, Braunschweig, Sachsen etc. etc. Juli begrüßte, die Aufſtaͤnde in Heſſen, Braunſchweig, Sachſen ꝛc. ꝛc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="69"/> Juli begrüßte, die Aufſtaͤnde in Heſſen, Braunſchweig, Sachſen ꝛc. ꝛc.<lb/> die edle Theilnahme an dem Schickſale Polens, dann die mächtig ſich<lb/> erhebende öffentliche Meinung, genährt durch eine entſchiedene Oppoſi-<lb/> tion, und zur Begeiſterung geſteigert durch die Gründung des deutſchen<lb/> Vaterlandsvereins, Alles dies mußte die Freunde und Vertheidiger der<lb/> Freiheit zu hohen, herrlichen Erwartungen berechtigen. Dieſe Erwar-<lb/> tungen wären jetzt ſchon erfüllt, hätten damals die Völker ihre <hi rendition="#g">vortheil-<lb/> hafte</hi> Stellung eben ſo ſchnell begriffen, als die Könige ihre <hi rendition="#g">mißliche</hi><lb/> Lage erkannten. Die Könige ſchloſſen ein enges Bündniß, ſie befürch-<lb/> teten: es gelte den Kampf auf Leben und Tod; — während die Völker<lb/> der Täuſchung ſich hingaben: die Forderungen der Vernunft und der<lb/> Civiliſation müßten endlich jetzt vor den Thronen Gehör finden. Und<lb/> ſo gelang es denn wiederum der Heuchelei der Machthaber, die Völker zu<lb/> betrügen, denn noch war es nicht klar geworden, daß mit dem Unſinn,<lb/> der auf den Thronen ſitzt, mit der künſtlich und gewaltſam vererbten<lb/> Barbarei aus einer Zeit, die in Ruinen liegt, — eine vernünftige und red-<lb/> liche Verſtändigung unmöglich ſey. — Das Volk wußte nicht, daß Ver-<lb/> nunft von Seiten eines legitimen Fürſten Selbſtverrath an der eigenen<lb/> Majeſtät wäre, deſſen ſich kein gekröntes Haupt ſchuldig machen kann. —<lb/> Die Machthaber ſahen den Untergang ihrer jetzigen Herrſcherweiſe vor-<lb/> aus, wenn ſie den Forderungen der Vernunft und der Civiliſation nach-<lb/> gäben: jedes Zugeſtändniß wäre ja ein Schritt näher zur Volksſouveräni-<lb/> tät!— Darum: wo ein Zugeſtändniß dennoch gemacht werden muß, iſt<lb/> es voll von Trug: die Freiheit wird zur Feſſel, ſobald das Volk ernſt-<lb/> lich davon Gebrauch machen will: das Volk hat keine Garantie für<lb/> ſeine Rechte! — So lange noch irgend ein Schein für die Möglichkeit<lb/> abſoluter Herrſchaft vorhanden iſt, muß die aufſtrebende Freiheit der<lb/> Völker im engen Zwinger veralteter Staatsformen gefeſſelt bleiben; die<lb/> Anerkennung des Rechts und der Vernunft, wird bis zur letzten, drin-<lb/> gendſten Stunde verſchoben, indeß Elend, Verarmung und Unterdrückung<lb/> von Millionen der morſchen Herrſchaft zur Stütze dienen. Glücklich der<lb/> Fürſt, hat der morſche Bau wenigſtens bis zu ſeinem Lebensende gehal-<lb/> ten! — Er konnte das Maas ſeiner Sünden in Ruhe häufen, er hat<lb/> ruhig in der ſturmbewegten Zeit <hi rendition="#g">ſein</hi> Volk und <hi rendition="#g">ſein</hi> Land regiert, er<lb/> kann wohlgefällig von feilen Höflingen ſich beklatſchen laſſen. — Und<lb/> ſollte auch, ſtatt der Thränen des Volks, der Fluch der lebenden und<lb/> kommenden Geſchlechter ſeinem Namen folgen, er hat genug des Ruhmes:<lb/> er hat zu Gunſten der meuteriſchen Canaille keines einzigen Rechtes ſeiner<lb/> fürſtlichen Krone ſich begeben! — Der Bund zu London, wie der Bund<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [69/0011]
Juli begrüßte, die Aufſtaͤnde in Heſſen, Braunſchweig, Sachſen ꝛc. ꝛc.
die edle Theilnahme an dem Schickſale Polens, dann die mächtig ſich
erhebende öffentliche Meinung, genährt durch eine entſchiedene Oppoſi-
tion, und zur Begeiſterung geſteigert durch die Gründung des deutſchen
Vaterlandsvereins, Alles dies mußte die Freunde und Vertheidiger der
Freiheit zu hohen, herrlichen Erwartungen berechtigen. Dieſe Erwar-
tungen wären jetzt ſchon erfüllt, hätten damals die Völker ihre vortheil-
hafte Stellung eben ſo ſchnell begriffen, als die Könige ihre mißliche
Lage erkannten. Die Könige ſchloſſen ein enges Bündniß, ſie befürch-
teten: es gelte den Kampf auf Leben und Tod; — während die Völker
der Täuſchung ſich hingaben: die Forderungen der Vernunft und der
Civiliſation müßten endlich jetzt vor den Thronen Gehör finden. Und
ſo gelang es denn wiederum der Heuchelei der Machthaber, die Völker zu
betrügen, denn noch war es nicht klar geworden, daß mit dem Unſinn,
der auf den Thronen ſitzt, mit der künſtlich und gewaltſam vererbten
Barbarei aus einer Zeit, die in Ruinen liegt, — eine vernünftige und red-
liche Verſtändigung unmöglich ſey. — Das Volk wußte nicht, daß Ver-
nunft von Seiten eines legitimen Fürſten Selbſtverrath an der eigenen
Majeſtät wäre, deſſen ſich kein gekröntes Haupt ſchuldig machen kann. —
Die Machthaber ſahen den Untergang ihrer jetzigen Herrſcherweiſe vor-
aus, wenn ſie den Forderungen der Vernunft und der Civiliſation nach-
gäben: jedes Zugeſtändniß wäre ja ein Schritt näher zur Volksſouveräni-
tät!— Darum: wo ein Zugeſtändniß dennoch gemacht werden muß, iſt
es voll von Trug: die Freiheit wird zur Feſſel, ſobald das Volk ernſt-
lich davon Gebrauch machen will: das Volk hat keine Garantie für
ſeine Rechte! — So lange noch irgend ein Schein für die Möglichkeit
abſoluter Herrſchaft vorhanden iſt, muß die aufſtrebende Freiheit der
Völker im engen Zwinger veralteter Staatsformen gefeſſelt bleiben; die
Anerkennung des Rechts und der Vernunft, wird bis zur letzten, drin-
gendſten Stunde verſchoben, indeß Elend, Verarmung und Unterdrückung
von Millionen der morſchen Herrſchaft zur Stütze dienen. Glücklich der
Fürſt, hat der morſche Bau wenigſtens bis zu ſeinem Lebensende gehal-
ten! — Er konnte das Maas ſeiner Sünden in Ruhe häufen, er hat
ruhig in der ſturmbewegten Zeit ſein Volk und ſein Land regiert, er
kann wohlgefällig von feilen Höflingen ſich beklatſchen laſſen. — Und
ſollte auch, ſtatt der Thränen des Volks, der Fluch der lebenden und
kommenden Geſchlechter ſeinem Namen folgen, er hat genug des Ruhmes:
er hat zu Gunſten der meuteriſchen Canaille keines einzigen Rechtes ſeiner
fürſtlichen Krone ſich begeben! — Der Bund zu London, wie der Bund
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