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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.

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zu Frankfurt, beobachtet in diesem Sinne jeden Schritt der unter-
drückten Völker und "Rückwärts" ertönt der schmachvolle Ruf, sobald sie
erkennen, daß der Schritt ein Schritt zur Freiheit ist: "Rückwärts"
ist auch der Inhalt aller ihrer Protokolle und Beschlüsse, die sanctionirt
durch die Macht der Bajonette, in Europa als Völkerrecht gelten sollen.
Wehe dem Volke, das durch die fromme Gerechtigkeitssprache dieser
diplomatischen Inquisitionsgerichte sich täuschen läßt! Die Emanzipation
der Völker zu hindern, ist das oberste Gesetz dieser Verbündeten, und die
Zugeständnisse, die Einer oder der Andre zu machen gezwungen ist, wer-
den zurückgenommen, sobald die Möglichkeit des Gewaltstreichs erkannt
wird. -- Aus Allem dem aber sollten die Völker die Lehre ziehen: daß
sie vom Regime des bon plaisir vergeblich einen bessern Zustand der
Dinge erwarten. -- Der beste Fürst von Gottes-Gnaden ist ein geborner
Hochverräther an der menschlichen Gesellschaft, und erst dann ist ein
besserer Zustand der gesellschaftlichen Ordnung zu hoffen, wenn statt der
Bundestags- und Conferenzmänner die Repräsentanten des befreiten
Deutschlands und die Vertreter der freien, unabhängigen Völker Eu-
ropa's zu Congressen zusammentreten. Nichts zu hoffen aber ist von der
jetzigen Kabinetspolitik und der europäischen Diplomatie, welche auf das
Recht der Bajonette gestützt, unberufen sich anmaßen, über das Schick-
sal der Völker nach Laune und Interessen der einzelnen Machthaber zu
entscheiden. Die Anarchie, vor der man zurückschreckt, der traurige Zu-
stand der Verwirrung und Ungewißheit, der aller Länder Europa's sich
bemächtigt, sie sind die natürliche Frucht des verkehrten Systems dieser
Gewalthaber. -- Deutsche Männer, gegen Diejenigen, welche Körper
und Geist in trauriger Zwingherrschaft gefesselt halten, welche durch
Verarmung und Verdummung die Völker zu ohnmächtiger Ruhe zwin-
gen wollen, gegen sie sprecht das "Schuldig" aus, wenn über kurz oder
lang, der unselige Zustand Europa's und unsers unglücklichen Vater-
landes, statt auf dem Wege friedlicher Reform, in gewaltsamer Umwäl-
zung das Heilmittel sucht. -- Werft einen Blick auf die 15 Jahre der
Täuschung und Unterdrückung, durch welche unser schönes Deutschland
verarmt und entwürdigt ist: das freie Wort war immer verfolgt; Han-
del und Gewerbe sind gefesselt und vernichtet, und wo etwas zu ihrem
Besten geschieht, da ist es auf Kosten und zum Ruin des nächsten Grenz-
nachbars, der unser deutscher Mitbruder ist (allgemeiner Beifall); der
Landmann, durch Steuern, Zehnten, Frohnden, Gilt und Zins für
kleine und große Zwingherrn, verarmt und verschuldet, muß Hütte,
Acker, Heimath, wo er glücklich seyn könnte, verlassen, will er

zu Frankfurt, beobachtet in dieſem Sinne jeden Schritt der unter-
drückten Völker und »Ruͤckwärts« ertönt der ſchmachvolle Ruf, ſobald ſie
erkennen, daß der Schritt ein Schritt zur Freiheit iſt: »Rückwärts«
iſt auch der Inhalt aller ihrer Protokolle und Beſchlüſſe, die ſanctionirt
durch die Macht der Bajonette, in Europa als Völkerrecht gelten ſollen.
Wehe dem Volke, das durch die fromme Gerechtigkeitsſprache dieſer
diplomatiſchen Inquiſitionsgerichte ſich täuſchen läßt! Die Emanzipation
der Völker zu hindern, iſt das oberſte Geſetz dieſer Verbündeten, und die
Zugeſtändniſſe, die Einer oder der Andre zu machen gezwungen iſt, wer-
den zurückgenommen, ſobald die Möglichkeit des Gewaltſtreichs erkannt
wird. — Aus Allem dem aber ſollten die Völker die Lehre ziehen: daß
ſie vom Regime des bon plaisir vergeblich einen beſſern Zuſtand der
Dinge erwarten. — Der beſte Fürſt von Gottes-Gnaden iſt ein geborner
Hochverräther an der menſchlichen Geſellſchaft, und erſt dann iſt ein
beſſerer Zuſtand der geſellſchaftlichen Ordnung zu hoffen, wenn ſtatt der
Bundestags- und Conferenzmänner die Repräſentanten des befreiten
Deutſchlands und die Vertreter der freien, unabhängigen Völker Eu-
ropa’s zu Congreſſen zuſammentreten. Nichts zu hoffen aber iſt von der
jetzigen Kabinetspolitik und der europäiſchen Diplomatie, welche auf das
Recht der Bajonette geſtützt, unberufen ſich anmaßen, über das Schick-
ſal der Völker nach Laune und Intereſſen der einzelnen Machthaber zu
entſcheiden. Die Anarchie, vor der man zurückſchreckt, der traurige Zu-
ſtand der Verwirrung und Ungewißheit, der aller Länder Europa’s ſich
bemächtigt, ſie ſind die natürliche Frucht des verkehrten Syſtems dieſer
Gewalthaber. — Deutſche Männer, gegen Diejenigen, welche Körper
und Geiſt in trauriger Zwingherrſchaft gefeſſelt halten, welche durch
Verarmung und Verdummung die Völker zu ohnmächtiger Ruhe zwin-
gen wollen, gegen ſie ſprecht das »Schuldig« aus, wenn über kurz oder
lang, der unſelige Zuſtand Europa’s und unſers unglücklichen Vater-
landes, ſtatt auf dem Wege friedlicher Reform, in gewaltſamer Umwäl-
zung das Heilmittel ſucht. — Werft einen Blick auf die 15 Jahre der
Täuſchung und Unterdrückung, durch welche unſer ſchönes Deutſchland
verarmt und entwürdigt iſt: das freie Wort war immer verfolgt; Han-
del und Gewerbe ſind gefeſſelt und vernichtet, und wo etwas zu ihrem
Beſten geſchieht, da iſt es auf Koſten und zum Ruin des nächſten Grenz-
nachbars, der unſer deutſcher Mitbruder iſt (allgemeiner Beifall); der
Landmann, durch Steuern, Zehnten, Frohnden, Gilt und Zins für
kleine und große Zwingherrn, verarmt und verſchuldet, muß Hütte,
Acker, Heimath, wo er glücklich ſeyn könnte, verlaſſen, will er

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[70/0012] zu Frankfurt, beobachtet in dieſem Sinne jeden Schritt der unter- drückten Völker und »Ruͤckwärts« ertönt der ſchmachvolle Ruf, ſobald ſie erkennen, daß der Schritt ein Schritt zur Freiheit iſt: »Rückwärts« iſt auch der Inhalt aller ihrer Protokolle und Beſchlüſſe, die ſanctionirt durch die Macht der Bajonette, in Europa als Völkerrecht gelten ſollen. Wehe dem Volke, das durch die fromme Gerechtigkeitsſprache dieſer diplomatiſchen Inquiſitionsgerichte ſich täuſchen läßt! Die Emanzipation der Völker zu hindern, iſt das oberſte Geſetz dieſer Verbündeten, und die Zugeſtändniſſe, die Einer oder der Andre zu machen gezwungen iſt, wer- den zurückgenommen, ſobald die Möglichkeit des Gewaltſtreichs erkannt wird. — Aus Allem dem aber ſollten die Völker die Lehre ziehen: daß ſie vom Regime des bon plaisir vergeblich einen beſſern Zuſtand der Dinge erwarten. — Der beſte Fürſt von Gottes-Gnaden iſt ein geborner Hochverräther an der menſchlichen Geſellſchaft, und erſt dann iſt ein beſſerer Zuſtand der geſellſchaftlichen Ordnung zu hoffen, wenn ſtatt der Bundestags- und Conferenzmänner die Repräſentanten des befreiten Deutſchlands und die Vertreter der freien, unabhängigen Völker Eu- ropa’s zu Congreſſen zuſammentreten. Nichts zu hoffen aber iſt von der jetzigen Kabinetspolitik und der europäiſchen Diplomatie, welche auf das Recht der Bajonette geſtützt, unberufen ſich anmaßen, über das Schick- ſal der Völker nach Laune und Intereſſen der einzelnen Machthaber zu entſcheiden. Die Anarchie, vor der man zurückſchreckt, der traurige Zu- ſtand der Verwirrung und Ungewißheit, der aller Länder Europa’s ſich bemächtigt, ſie ſind die natürliche Frucht des verkehrten Syſtems dieſer Gewalthaber. — Deutſche Männer, gegen Diejenigen, welche Körper und Geiſt in trauriger Zwingherrſchaft gefeſſelt halten, welche durch Verarmung und Verdummung die Völker zu ohnmächtiger Ruhe zwin- gen wollen, gegen ſie ſprecht das »Schuldig« aus, wenn über kurz oder lang, der unſelige Zuſtand Europa’s und unſers unglücklichen Vater- landes, ſtatt auf dem Wege friedlicher Reform, in gewaltſamer Umwäl- zung das Heilmittel ſucht. — Werft einen Blick auf die 15 Jahre der Täuſchung und Unterdrückung, durch welche unſer ſchönes Deutſchland verarmt und entwürdigt iſt: das freie Wort war immer verfolgt; Han- del und Gewerbe ſind gefeſſelt und vernichtet, und wo etwas zu ihrem Beſten geſchieht, da iſt es auf Koſten und zum Ruin des nächſten Grenz- nachbars, der unſer deutſcher Mitbruder iſt (allgemeiner Beifall); der Landmann, durch Steuern, Zehnten, Frohnden, Gilt und Zins für kleine und große Zwingherrn, verarmt und verſchuldet, muß Hütte, Acker, Heimath, wo er glücklich ſeyn könnte, verlaſſen, will er

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/12>, abgerufen am 29.04.2024.