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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.

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mit Weib und Kindern nicht Hungers sterben. Diesem Allen abzuhel-
fen versprach die deutsche Bundesakte, versprachen die deutschen Fürsten
in den Tagen ihrer Bedrängniß, sie wissen nichts mehr von den Ver-
sprechungen, aber o der Schmach! achtzehn Jahre nachdem das deutsche
Volk Gut und Blut geopfert, diese Fürsten von napoleonischem Despo-
tismus zu befreien, rufen dieselben die Ordonanzen Napoleons, mit dem
Blute Palms besudelt, Napoleons nie gesetzlich sanctionirte Decrete, die
den Despoten vom Throne gestürzt haben, rufen sie zur Unterdrückung
der deutschen Preßfreiheit und persönlichen Freiheit zurück. Dies, deutsche
Männer, ist empörend und schmählig! -- Jetzt oder nie gilt es, daß
Deutschland zeige, ob es werth sey, aus diesem Zustande der Entwürdigung
herauszutreten, oder ob es werth sey einer noch schimpflicheren Skla-
verei! -- Durch rege allgemeine Theilnahme an der Ehrensache des
Vaterlandes, an dem herrlich begonnenen Kampfe der Freiheit gegen
den Absolutismus, der Volkssouveränität gegen die Souveränität der
Könige, kann der Zustand des Rechts und der Vernunft in Deutschland
und durch Deutschland in Europa begründet werden, durch Trägheit
und Gleichgültigkeit beim Rufe des Vaterlandes siegt die Sache der
Könige, der Zustand der Gewalt und der Unvernunft, in Deutschland
und durch Deutschland auch im übrigen Europa. Zwischen Freiheit und
Knechtschaft, zwischen dem Zustand des Rechts oder der Gewalt, der
Vernunft oder der Unvernunft ist die Wahl gegeben; -- erkämpft das
deutsche Volk Freiheit, Recht und Vernunft, dann Heil unserm Vater-
lande, Heil den unterdrückten auf uns vertrauenden Völkern Europa's! --
Siegen Knechtschaft, Gewalt und Unvernunft, dann ist Unglück und
Schande unser Loos. Der Genius des Vaterlandes walte, daß nicht
über kurz die Völker Europa's ausrufen: Unglück und Schande über
Deutschland, es ist nicht werth der Freiheit, nicht werth eines bessern
Zustandes, es verdient unter den Bajonetten des Absolutismus zu ver-
stummen, es verdient unter die Knute des russischen Czars den Nacken
zu beugen! Deutsche Männer, in eurer Macht liegt es zu verhüten,
daß dieser schmachvolle Ruf nicht über unser Vaterland ergehe! Es lebe
Deutschland, das einige, starke, freie Deutschland lebe hoch!" --

Nach diesen ernsten, tiefergreifenden Worten sprach wieder ein Pole,
Oranski:

Das unläugbare Zeichen der Reife eines Volkes ist das Bedürfniß
des öffentlichen Lebens. Das deutsche Volk fühlt das großartige Be-

mit Weib und Kindern nicht Hungers ſterben. Dieſem Allen abzuhel-
fen verſprach die deutſche Bundesakte, verſprachen die deutſchen Fürſten
in den Tagen ihrer Bedrängniß, ſie wiſſen nichts mehr von den Ver-
ſprechungen, aber o der Schmach! achtzehn Jahre nachdem das deutſche
Volk Gut und Blut geopfert, dieſe Fürſten von napoleoniſchem Despo-
tismus zu befreien, rufen dieſelben die Ordonanzen Napoleons, mit dem
Blute Palms beſudelt, Napoleons nie geſetzlich ſanctionirte Decrete, die
den Despoten vom Throne geſtürzt haben, rufen ſie zur Unterdrückung
der deutſchen Preßfreiheit und perſönlichen Freiheit zurück. Dies, deutſche
Männer, iſt empörend und ſchmählig! — Jetzt oder nie gilt es, daß
Deutſchland zeige, ob es werth ſey, aus dieſem Zuſtande der Entwürdigung
herauszutreten, oder ob es werth ſey einer noch ſchimpflicheren Skla-
verei! — Durch rege allgemeine Theilnahme an der Ehrenſache des
Vaterlandes, an dem herrlich begonnenen Kampfe der Freiheit gegen
den Abſolutismus, der Volksſouveränität gegen die Souveränität der
Könige, kann der Zuſtand des Rechts und der Vernunft in Deutſchland
und durch Deutſchland in Europa begründet werden, durch Trägheit
und Gleichgültigkeit beim Rufe des Vaterlandes ſiegt die Sache der
Könige, der Zuſtand der Gewalt und der Unvernunft, in Deutſchland
und durch Deutſchland auch im übrigen Europa. Zwiſchen Freiheit und
Knechtſchaft, zwiſchen dem Zuſtand des Rechts oder der Gewalt, der
Vernunft oder der Unvernunft iſt die Wahl gegeben; — erkämpft das
deutſche Volk Freiheit, Recht und Vernunft, dann Heil unſerm Vater-
lande, Heil den unterdrückten auf uns vertrauenden Völkern Europa’s! —
Siegen Knechtſchaft, Gewalt und Unvernunft, dann iſt Unglück und
Schande unſer Loos. Der Genius des Vaterlandes walte, daß nicht
über kurz die Völker Europa’s ausrufen: Unglück und Schande über
Deutſchland, es iſt nicht werth der Freiheit, nicht werth eines beſſern
Zuſtandes, es verdient unter den Bajonetten des Abſolutismus zu ver-
ſtummen, es verdient unter die Knute des ruſſiſchen Czars den Nacken
zu beugen! Deutſche Männer, in eurer Macht liegt es zu verhüten,
daß dieſer ſchmachvolle Ruf nicht über unſer Vaterland ergehe! Es lebe
Deutſchland, das einige, ſtarke, freie Deutſchland lebe hoch!« —

Nach dieſen ernſten, tiefergreifenden Worten ſprach wieder ein Pole,
Oranski:

Das unläugbare Zeichen der Reife eines Volkes iſt das Bedürfniß
des öffentlichen Lebens. Das deutſche Volk fühlt das großartige Be-

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[71/0013] mit Weib und Kindern nicht Hungers ſterben. Dieſem Allen abzuhel- fen verſprach die deutſche Bundesakte, verſprachen die deutſchen Fürſten in den Tagen ihrer Bedrängniß, ſie wiſſen nichts mehr von den Ver- ſprechungen, aber o der Schmach! achtzehn Jahre nachdem das deutſche Volk Gut und Blut geopfert, dieſe Fürſten von napoleoniſchem Despo- tismus zu befreien, rufen dieſelben die Ordonanzen Napoleons, mit dem Blute Palms beſudelt, Napoleons nie geſetzlich ſanctionirte Decrete, die den Despoten vom Throne geſtürzt haben, rufen ſie zur Unterdrückung der deutſchen Preßfreiheit und perſönlichen Freiheit zurück. Dies, deutſche Männer, iſt empörend und ſchmählig! — Jetzt oder nie gilt es, daß Deutſchland zeige, ob es werth ſey, aus dieſem Zuſtande der Entwürdigung herauszutreten, oder ob es werth ſey einer noch ſchimpflicheren Skla- verei! — Durch rege allgemeine Theilnahme an der Ehrenſache des Vaterlandes, an dem herrlich begonnenen Kampfe der Freiheit gegen den Abſolutismus, der Volksſouveränität gegen die Souveränität der Könige, kann der Zuſtand des Rechts und der Vernunft in Deutſchland und durch Deutſchland in Europa begründet werden, durch Trägheit und Gleichgültigkeit beim Rufe des Vaterlandes ſiegt die Sache der Könige, der Zuſtand der Gewalt und der Unvernunft, in Deutſchland und durch Deutſchland auch im übrigen Europa. Zwiſchen Freiheit und Knechtſchaft, zwiſchen dem Zuſtand des Rechts oder der Gewalt, der Vernunft oder der Unvernunft iſt die Wahl gegeben; — erkämpft das deutſche Volk Freiheit, Recht und Vernunft, dann Heil unſerm Vater- lande, Heil den unterdrückten auf uns vertrauenden Völkern Europa’s! — Siegen Knechtſchaft, Gewalt und Unvernunft, dann iſt Unglück und Schande unſer Loos. Der Genius des Vaterlandes walte, daß nicht über kurz die Völker Europa’s ausrufen: Unglück und Schande über Deutſchland, es iſt nicht werth der Freiheit, nicht werth eines beſſern Zuſtandes, es verdient unter den Bajonetten des Abſolutismus zu ver- ſtummen, es verdient unter die Knute des ruſſiſchen Czars den Nacken zu beugen! Deutſche Männer, in eurer Macht liegt es zu verhüten, daß dieſer ſchmachvolle Ruf nicht über unſer Vaterland ergehe! Es lebe Deutſchland, das einige, ſtarke, freie Deutſchland lebe hoch!« — Nach dieſen ernſten, tiefergreifenden Worten ſprach wieder ein Pole, Oranski: Das unläugbare Zeichen der Reife eines Volkes iſt das Bedürfniß des öffentlichen Lebens. Das deutſche Volk fühlt das großartige Be-

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/13>, abgerufen am 29.04.2024.