Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.kümmerte uns das öffentliche Wohl. -- Aber seit 15 Jahren -- welche Beinahe fünfzehn lange Jahre mußte sie ihren heiligsten Glauben, Gewiß ein Blick auf die jetzige Lage unseres Vaterlandes darf uns So also ist unsre Ansicht von der Menschheit: kümmerte uns das öffentliche Wohl. — Aber ſeit 15 Jahren — welche Beinahe fünfzehn lange Jahre mußte ſie ihren heiligſten Glauben, Gewiß ein Blick auf die jetzige Lage unſeres Vaterlandes darf uns So alſo iſt unſre Anſicht von der Menſchheit: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="80"/> kümmerte uns das öffentliche Wohl. — Aber ſeit 15 Jahren — welche<lb/> Veränderung! Freilich ſuchten die Regierungen die volksthümlichen Re-<lb/> gungen zu unterdrücken; — allein wie wenig iſt das gelungen! Vor<lb/> allem bei der Jugend hatten dieſe Gefühle tiefe Wurzel geſchlagen, und<lb/> ſchon 1817 gelobte ſie feierlich bei der Reformations- und Befreiungs-<lb/> feier — auf der Wartburg, (das Vorſpiel unſers Maifeſtes) nie dieſe<lb/> Gluth ausſterben zu laſſen, und immer dieſen Gedanken »der Einheit<lb/> des deutſchen Vaterlands« weiter und weiter zu verpflanzen, bis er endlich<lb/> ſiegreich ans Licht treten könne.</p><lb/> <p>Beinahe fünfzehn lange Jahre mußte ſie ihren heiligſten Glauben,<lb/> ihr heißeſtes Sehnen dem Spotte der ungläubigen Welt preis geben;<lb/> aber ſie verzweifelte nicht am Vaterlande. Immer troſtloſer ſchien ſich<lb/> für Europa Alles zu geſtalten, immer mehr wollten Zweifel die Hoffenden<lb/> beängſtigen; aber dieſe glaubten an eine Vorſehung, — ſie glaubten<lb/> an ein Fortſchreiten der Menſchheit, — ſie glaubten an eine Offenbarung<lb/> in der Geſchichte und wankten nicht. — Der Kanonendonner der<lb/> Tuillerien veränderte die ganze Ausſicht. Was im Stillen gereift war —<lb/> das wurde jetzt offenbar. — Die Einheit Deutſchlands, die vor kurzem<lb/> noch als Schwärmerei verſchrien war, iſt jetzt der Wunſch und die Hoff-<lb/> nung aller Gebildeten des Volkes. Auf welchen Standpunkt hat ſich<lb/> die öffentliche Meinung in Kurheſſen erhoben, das noch vor zwei Jahren<lb/> ſchlief! Wie ſchreiten Braunſchweig und Naſſau fort! Und Rhein-<lb/> baiern, das jetzt allen als Muſter vorleuchtet in Patriotismus, das<lb/> heute unſerem Volke dies herrliche Feſt bereitete, — war nicht ſelbſt dieſem<lb/> Rheinbaiern noch vor zwei Jahre die Idee der Volksherrlichkeit fremd?<lb/> glaubten nicht damals ſogar noch Viele — nur <choice><sic>dei</sic><corr>bei</corr></choice> Frankreich ſey für ſie<lb/> Freiheit und Glück zu finden? — So verbreitet ſich in Deutſchland die<lb/> politiſche Bildung mit unbegreiflicher Schnelligkeit weiter und weiter und<lb/> tiefer und tiefer. Welchen innigen Antheil nehmen nicht, in den geſeg-<lb/> neten Theilen unſers Vaterlandes, ſelbſt Frauen und Jungfrauen an<lb/> der Sache des Rechts und der Freiheit; mit welcher zarten Achtung<lb/> und innern Verehrung haben ſie die polniſchen Helden empfangen: welche<lb/> andächtige Sehnſucht, — welche heilige Beſorgtheit erfüllet ſie, — wenn<lb/> ſie von der Befreiung und Einigung des deutſchen Volkes hören! —</p><lb/> <p>Gewiß ein Blick auf die jetzige Lage unſeres Vaterlandes darf uns<lb/> nicht <choice><sic>kleinmüthtg</sic><corr>kleinmüthig</corr></choice> machen, im Gegentheil, er gibt uns neuen Muth und<lb/> neue Stärke. Die Jugend, die in den traurigen Jahren von 27 bis 30<lb/> nicht verzweifelte, ſie iſt jetzt allem Zweifel unzugaͤnglich.</p><lb/> <p>So alſo iſt unſre Anſicht von der Menſchheit:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [80/0022]
kümmerte uns das öffentliche Wohl. — Aber ſeit 15 Jahren — welche
Veränderung! Freilich ſuchten die Regierungen die volksthümlichen Re-
gungen zu unterdrücken; — allein wie wenig iſt das gelungen! Vor
allem bei der Jugend hatten dieſe Gefühle tiefe Wurzel geſchlagen, und
ſchon 1817 gelobte ſie feierlich bei der Reformations- und Befreiungs-
feier — auf der Wartburg, (das Vorſpiel unſers Maifeſtes) nie dieſe
Gluth ausſterben zu laſſen, und immer dieſen Gedanken »der Einheit
des deutſchen Vaterlands« weiter und weiter zu verpflanzen, bis er endlich
ſiegreich ans Licht treten könne.
Beinahe fünfzehn lange Jahre mußte ſie ihren heiligſten Glauben,
ihr heißeſtes Sehnen dem Spotte der ungläubigen Welt preis geben;
aber ſie verzweifelte nicht am Vaterlande. Immer troſtloſer ſchien ſich
für Europa Alles zu geſtalten, immer mehr wollten Zweifel die Hoffenden
beängſtigen; aber dieſe glaubten an eine Vorſehung, — ſie glaubten
an ein Fortſchreiten der Menſchheit, — ſie glaubten an eine Offenbarung
in der Geſchichte und wankten nicht. — Der Kanonendonner der
Tuillerien veränderte die ganze Ausſicht. Was im Stillen gereift war —
das wurde jetzt offenbar. — Die Einheit Deutſchlands, die vor kurzem
noch als Schwärmerei verſchrien war, iſt jetzt der Wunſch und die Hoff-
nung aller Gebildeten des Volkes. Auf welchen Standpunkt hat ſich
die öffentliche Meinung in Kurheſſen erhoben, das noch vor zwei Jahren
ſchlief! Wie ſchreiten Braunſchweig und Naſſau fort! Und Rhein-
baiern, das jetzt allen als Muſter vorleuchtet in Patriotismus, das
heute unſerem Volke dies herrliche Feſt bereitete, — war nicht ſelbſt dieſem
Rheinbaiern noch vor zwei Jahre die Idee der Volksherrlichkeit fremd?
glaubten nicht damals ſogar noch Viele — nur bei Frankreich ſey für ſie
Freiheit und Glück zu finden? — So verbreitet ſich in Deutſchland die
politiſche Bildung mit unbegreiflicher Schnelligkeit weiter und weiter und
tiefer und tiefer. Welchen innigen Antheil nehmen nicht, in den geſeg-
neten Theilen unſers Vaterlandes, ſelbſt Frauen und Jungfrauen an
der Sache des Rechts und der Freiheit; mit welcher zarten Achtung
und innern Verehrung haben ſie die polniſchen Helden empfangen: welche
andächtige Sehnſucht, — welche heilige Beſorgtheit erfüllet ſie, — wenn
ſie von der Befreiung und Einigung des deutſchen Volkes hören! —
Gewiß ein Blick auf die jetzige Lage unſeres Vaterlandes darf uns
nicht kleinmüthig machen, im Gegentheil, er gibt uns neuen Muth und
neue Stärke. Die Jugend, die in den traurigen Jahren von 27 bis 30
nicht verzweifelte, ſie iſt jetzt allem Zweifel unzugaͤnglich.
So alſo iſt unſre Anſicht von der Menſchheit:
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