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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.

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heute noch in dem freiesten Lande Europa's -- in England -- Stock-
prügel unter die königlichen Vorrechte gezählt wissen will, und die, gilt
es ihr eigne[s] Interesse, mit lächerlicher Grimasse, doch geschickt genug,
um den unerfahrenen Haufen zu täuschen, stets Thron und Altar im
Munde führt.

Doch, was sage ich, scheinen doch selbst Regierungen, die zwar
stets und überall ihre freisinnige Handlungsweise hervorzuheben suchen,
den eben gerügten Grundsätzen, von denen sie sich durch Worte gerne
lossagen möchten, in der That zu huldigen. Dies bezeugt am deutlich-
sten, neben allen jenen politischen Glaubensbekenntnissen, und jenen halb
und dreiviertelsoffiziellen Machwerken, das Verbot dieses schönen Festes
und die damit verbunden gewesenen empörenden Maßregeln. --

Und was, frage ich, haben Regierungen, die nach festgeregelten und
festbestimmten Grundsätzen die Landesgeschäfte zu verwalten haben, blei-
ben sie nur diesen Grundsätzen getreu, was haben sie zu fürchten? --

Betrachtet diese Gegend, dieses herrliche Land, diese mit Städten,
Dörfern und Flecken besäeten gesegneten Fluren, die wie ein Garten
Gottes vor unsern Blicken sich ausbreiten, die so ganz dazu geschaffen
scheinen, das Herz zu sanftern Gefühlen zu stimmen; betrachtet dieses,
laßt eure Blicke in die Ferne schweifen, wo die jenseitigen Berge den
Blick auf unser großes Vaterland weiterhin eröffnen, -- wer von Euch
würde wohl so leichtsinnig oder muthwillig, wie es durch das
Benehmen der Regierung leicht hätte geschehen können, die mordbrenne-
rische Fackel eines Bürgerkriegs in dieses Paradies schlendern wollen,
des verderblichsten Kriegs, der nur ein Land verwüsten kann? -- Ruhig
sieht wohl im Felde der Soldat seinen Kameraden neben sich hinfallen,
ein ganz anderes aber ist es, wenn auf öden Brandstätten, die unbe-
erdigten Leichen der Bürger und Jünglinge Verwesungsgeruch verbrei-
ten, wenn Bäche und Flüsse uns die ermordeten Leichen von Greisen,
Kindern und Jungfrauen zuführen. -- Wem graut nicht vor diesem
gräßlichen Gemälde! -- Kein Bürger wird muthwillig oder leicht-
sinnig
solch schreckliches Unglück über unser Haupt herbeiführen! --

Nein und abermals nein! -- Nur ein verknöchertes Aristokratenherz
wäre dazu fähig, nur Aristokratenwahnsinn könnte solch ein höllisches
Schauspiel bereiten, -- und mit Freuden ein friedliches Volk, nachdem
man ihm von allen Seiten "Bundesbrüderlich" seine besten Erwerbsquel-
len verstopft, es in seinen heiligsten Rechten gekränkt, vollends zur
Verzweiflung bringen und durch Mordknechts-Banden zur Sklaverei zu-
rücktreiben! --

heute noch in dem freieſten Lande Europa’s — in England — Stock-
prügel unter die königlichen Vorrechte gezählt wiſſen will, und die, gilt
es ihr eigne[s] Intereſſe, mit lächerlicher Grimaſſe, doch geſchickt genug,
um den unerfahrenen Haufen zu täuſchen, ſtets Thron und Altar im
Munde führt.

Doch, was ſage ich, ſcheinen doch ſelbſt Regierungen, die zwar
ſtets und überall ihre freiſinnige Handlungsweiſe hervorzuheben ſuchen,
den eben gerügten Grundſätzen, von denen ſie ſich durch Worte gerne
losſagen möchten, in der That zu huldigen. Dies bezeugt am deutlich-
ſten, neben allen jenen politiſchen Glaubensbekenntniſſen, und jenen halb
und dreiviertelsoffiziellen Machwerken, das Verbot dieſes ſchönen Feſtes
und die damit verbunden geweſenen empörenden Maßregeln. —

Und was, frage ich, haben Regierungen, die nach feſtgeregelten und
feſtbeſtimmten Grundſätzen die Landesgeſchäfte zu verwalten haben, blei-
ben ſie nur dieſen Grundſätzen getreu, was haben ſie zu fürchten? —

Betrachtet dieſe Gegend, dieſes herrliche Land, dieſe mit Städten,
Dörfern und Flecken beſäeten geſegneten Fluren, die wie ein Garten
Gottes vor unſern Blicken ſich ausbreiten, die ſo ganz dazu geſchaffen
ſcheinen, das Herz zu ſanftern Gefühlen zu ſtimmen; betrachtet dieſes,
laßt eure Blicke in die Ferne ſchweifen, wo die jenſeitigen Berge den
Blick auf unſer großes Vaterland weiterhin eröffnen, — wer von Euch
würde wohl ſo leichtſinnig oder muthwillig, wie es durch das
Benehmen der Regierung leicht hätte geſchehen können, die mordbrenne-
riſche Fackel eines Bürgerkriegs in dieſes Paradies ſchlendern wollen,
des verderblichſten Kriegs, der nur ein Land verwüſten kann? — Ruhig
ſieht wohl im Felde der Soldat ſeinen Kameraden neben ſich hinfallen,
ein ganz anderes aber iſt es, wenn auf öden Brandſtätten, die unbe-
erdigten Leichen der Bürger und Jünglinge Verweſungsgeruch verbrei-
ten, wenn Bäche und Flüſſe uns die ermordeten Leichen von Greiſen,
Kindern und Jungfrauen zuführen. — Wem graut nicht vor dieſem
gräßlichen Gemälde! — Kein Bürger wird muthwillig oder leicht-
ſinnig
ſolch ſchreckliches Unglück über unſer Haupt herbeiführen! —

Nein und abermals nein! — Nur ein verknöchertes Ariſtokratenherz
wäre dazu fähig, nur Ariſtokratenwahnſinn könnte ſolch ein hölliſches
Schauſpiel bereiten, — und mit Freuden ein friedliches Volk, nachdem
man ihm von allen Seiten «Bundesbrüderlich« ſeine beſten Erwerbsquel-
len verſtopft, es in ſeinen heiligſten Rechten gekränkt, vollends zur
Verzweiflung bringen und durch Mordknechts-Banden zur Sklaverei zu-
rücktreiben! —

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/25>, abgerufen am 29.04.2024.