Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.für seine halb von Kälte erstarrte Hand in dem ihm zunächst befindlichen Schlitze einen Zufluchtsort suchte. Man müßte nie in einer ähnlichen Versuchung ge- wesen seyn, um nicht zu wissen, wie wohl es be- kömmt, wenn man in einer kalten Herbstnacht auch nur eine Hand auf solche Art unterbringen kann. Aber auch dem zweiten Reisenden schien die Gelegenheit günstig, und er fand ebenfalls für eine von seinen Händen in dem andern Schlitz einen Schlupfwinkel. War nun unserer Schönen ebenfalls eine reichliche Portion Mohnkörner in die Augen gestreut, oder war sie menschlich -- genug, dieß von ihren beiden Nachbarn geschehen zu lassen, darüber wollen wir nicht entscheiden. -- Unglücks- fälle gibt es überall, und so wollte das Ungeschick, daß sich beide Hände hier begegneten. Da rief der zuletzt Angelangte dem anderen einen freundlichen Willkomm zu, und fragte ihn: Aber sagen Sie mir doch, wie geht es denn zu, daß Sie früher an- gekommen, als ich, da wir doch zu gleicher Zeit ausgefahren sind? Die geizige Tante und der witzige Verwandte. Zur Eröffnung eines Testamentes hatten sich für ſeine halb von Kälte erſtarrte Hand in dem ihm zunächſt befindlichen Schlitze einen Zufluchtsort ſuchte. Man müßte nie in einer ähnlichen Verſuchung ge- weſen ſeyn, um nicht zu wiſſen, wie wohl es be- kömmt, wenn man in einer kalten Herbſtnacht auch nur eine Hand auf ſolche Art unterbringen kann. Aber auch dem zweiten Reiſenden ſchien die Gelegenheit günſtig, und er fand ebenfalls für eine von ſeinen Händen in dem andern Schlitz einen Schlupfwinkel. War nun unſerer Schönen ebenfalls eine reichliche Portion Mohnkörner in die Augen geſtreut, oder war ſie menſchlich — genug, dieß von ihren beiden Nachbarn geſchehen zu laſſen, darüber wollen wir nicht entſcheiden. — Unglücks- fälle gibt es überall, und ſo wollte das Ungeſchick, daß ſich beide Hände hier begegneten. Da rief der zuletzt Angelangte dem anderen einen freundlichen Willkomm zu, und fragte ihn: Aber ſagen Sie mir doch, wie geht es denn zu, daß Sie früher an- gekommen, als ich, da wir doch zu gleicher Zeit ausgefahren ſind? Die geizige Tante und der witzige Verwandte. Zur Eröffnung eines Teſtamentes hatten ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="12"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> für ſeine halb von Kälte erſtarrte Hand in dem ihm<lb/> zunächſt befindlichen Schlitze einen Zufluchtsort ſuchte.<lb/> Man müßte nie in einer ähnlichen Verſuchung ge-<lb/> weſen ſeyn, um nicht zu wiſſen, wie wohl es be-<lb/> kömmt, wenn man in einer kalten Herbſtnacht<lb/> auch nur eine Hand auf ſolche Art unterbringen<lb/> kann. Aber auch dem zweiten Reiſenden ſchien die<lb/> Gelegenheit günſtig, und er fand ebenfalls für eine<lb/> von ſeinen Händen in dem andern Schlitz einen<lb/> Schlupfwinkel. War nun unſerer Schönen ebenfalls<lb/> eine reichliche Portion Mohnkörner in die Augen<lb/> geſtreut, oder war ſie <hi rendition="#g">menſchlich</hi> — genug, dieß<lb/> von ihren beiden Nachbarn geſchehen zu laſſen,<lb/> darüber wollen wir nicht entſcheiden. — Unglücks-<lb/> fälle gibt es überall, und ſo wollte das Ungeſchick,<lb/> daß ſich beide Hände hier begegneten. Da rief der<lb/> zuletzt Angelangte dem anderen einen freundlichen<lb/> Willkomm zu, und fragte ihn: Aber ſagen Sie<lb/> mir doch, wie geht es denn zu, daß Sie früher an-<lb/> gekommen, als ich, da wir doch zu gleicher Zeit<lb/> ausgefahren ſind?</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>Die geizige Tante und der witzige<lb/> Verwandte.</head><lb/> <p>Zur Eröffnung eines Teſtamentes hatten ſich<lb/> ſämmtliche Competenten bei der Schweſter des Ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0028]
für ſeine halb von Kälte erſtarrte Hand in dem ihm
zunächſt befindlichen Schlitze einen Zufluchtsort ſuchte.
Man müßte nie in einer ähnlichen Verſuchung ge-
weſen ſeyn, um nicht zu wiſſen, wie wohl es be-
kömmt, wenn man in einer kalten Herbſtnacht
auch nur eine Hand auf ſolche Art unterbringen
kann. Aber auch dem zweiten Reiſenden ſchien die
Gelegenheit günſtig, und er fand ebenfalls für eine
von ſeinen Händen in dem andern Schlitz einen
Schlupfwinkel. War nun unſerer Schönen ebenfalls
eine reichliche Portion Mohnkörner in die Augen
geſtreut, oder war ſie menſchlich — genug, dieß
von ihren beiden Nachbarn geſchehen zu laſſen,
darüber wollen wir nicht entſcheiden. — Unglücks-
fälle gibt es überall, und ſo wollte das Ungeſchick,
daß ſich beide Hände hier begegneten. Da rief der
zuletzt Angelangte dem anderen einen freundlichen
Willkomm zu, und fragte ihn: Aber ſagen Sie
mir doch, wie geht es denn zu, daß Sie früher an-
gekommen, als ich, da wir doch zu gleicher Zeit
ausgefahren ſind?
Die geizige Tante und der witzige
Verwandte.
Zur Eröffnung eines Teſtamentes hatten ſich
ſämmtliche Competenten bei der Schweſter des Ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |