Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.Ein reicher Mann, der gern Fremde an seinem Ein reicher Mann, der gern Fremde an ſeinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0062" n="46"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ein reicher Mann, der gern Fremde an ſeinem<lb/> Tiſche ſah, verband mit ſeiner Gaſtfreundſchaft auch<lb/> die Tugend der Wohlthätigkeit; er nöthigte nicht<lb/> ſelten arme Durchreiſende zur Tafel, die er nicht<lb/> nur ſättigte, ſondern deren Umſtände er auch in<lb/> der Regel ſehr fein zu erforſchen ſuchte, um ſie<lb/> dann nie ohne einige Hülfe zu entlaſſen. Da<lb/> man wußte, daß er ein Freund von jovialen,<lb/> fröhlich gelaunten und witzigen Menſchen war, ſo<lb/> pflegten ſich dergleichen Gäſte alle Mühe zu geben,<lb/> ihm ſo zu erſcheinen, und einen oder den andern<lb/> witzigen Einfall beſtmöglichſt anzubringen. So be-<lb/> merkte einſt ein ſolcher durchreiſender Gaſt: er ver-<lb/> muthe, daß er durch ſein Eſſen und Trinken auf-<lb/> falle. Da ich beides im reichlichen Maße genieße,<lb/> ſo werden Sie, ſagte er zum Wirth, nach jener Be-<lb/> merkung eines alten Weiſen über mein Alter nicht<lb/> einig werden können, ob es über oder unter 60 Jahr<lb/> ſeyn mag. Fügen Sie aber der Beobachtung des<lb/> alten Weiſen eine andere hinzu, nämlich die: daß das<lb/> letzte Gewitter im Jahre, wenn Sommer in Win-<lb/> ter übergeht, in der Regel das ſtärkſte iſt, ſo wird<lb/> Jhnen klar werden, das ich heute aus dem 60 ſten<lb/> Jahre ſcheide, und daher in beidem, im Eſſen und<lb/> Trinken, gleichviel leiſten kann.</p> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [46/0062]
Ein reicher Mann, der gern Fremde an ſeinem
Tiſche ſah, verband mit ſeiner Gaſtfreundſchaft auch
die Tugend der Wohlthätigkeit; er nöthigte nicht
ſelten arme Durchreiſende zur Tafel, die er nicht
nur ſättigte, ſondern deren Umſtände er auch in
der Regel ſehr fein zu erforſchen ſuchte, um ſie
dann nie ohne einige Hülfe zu entlaſſen. Da
man wußte, daß er ein Freund von jovialen,
fröhlich gelaunten und witzigen Menſchen war, ſo
pflegten ſich dergleichen Gäſte alle Mühe zu geben,
ihm ſo zu erſcheinen, und einen oder den andern
witzigen Einfall beſtmöglichſt anzubringen. So be-
merkte einſt ein ſolcher durchreiſender Gaſt: er ver-
muthe, daß er durch ſein Eſſen und Trinken auf-
falle. Da ich beides im reichlichen Maße genieße,
ſo werden Sie, ſagte er zum Wirth, nach jener Be-
merkung eines alten Weiſen über mein Alter nicht
einig werden können, ob es über oder unter 60 Jahr
ſeyn mag. Fügen Sie aber der Beobachtung des
alten Weiſen eine andere hinzu, nämlich die: daß das
letzte Gewitter im Jahre, wenn Sommer in Win-
ter übergeht, in der Regel das ſtärkſte iſt, ſo wird
Jhnen klar werden, das ich heute aus dem 60 ſten
Jahre ſcheide, und daher in beidem, im Eſſen und
Trinken, gleichviel leiſten kann.
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