Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite


Die betrogene Betrieger.

Ein lustiger Bursche, der im zweiten Stockwerke
wohnte, hatte gegenüber in demselben Geschoß ein lie-
bes Mädchen, mit dem er häufig liebäugelte. Dieß
würden wir uns nun wohl gefallen lassen, da wir selbst
(welche Offenherzigkeit) in unserer Jugend kein Kost-
verächter waren; aber auch in dem dritten Stockwerke
gegenüber gab es für ihn eine Liebschaft, und so ge-
rieth er in eine Verlegenheit, aus der er sich sehr weise
zu retten wußte. Als er einst mit der Liebschaft des
zweiten Stockwerks ein Rendezvous hatte, sagte er
ihr, er fürchte, daß ihr guter Ruf darunter leiden
möchte, wenn die Nachbarn bemerkten, daß er ihr
unaufhörlich Küsse hinüber würfe: da er es aber un-
möglich unterlassen könne, so würde er sie in Zukunft
nach dem dritten Stockwerke richten. Sein treues
Mädchen war damit sehr zufrieden, und machte nur
noch die Bedingung, daß sie die Erwiederung eben-
falls nach dem dritten Stockwerke richten würde. Er
willigte ein, und auch sie hatte ihren Zweck, und
zwar denselben, dadurch erreicht. --

Die Kunst, das Griechische zu conserviren.

Ein Magister auf einer angesehenen hohen Schule
hatte das eben nicht unerhörte Unglück, sich den gei-



Die betrogene Betrieger.

Ein luſtiger Burſche, der im zweiten Stockwerke
wohnte, hatte gegenüber in demſelben Geſchoß ein lie-
bes Mädchen, mit dem er häufig liebäugelte. Dieß
würden wir uns nun wohl gefallen laſſen, da wir ſelbſt
(welche Offenherzigkeit) in unſerer Jugend kein Koſt-
verächter waren; aber auch in dem dritten Stockwerke
gegenüber gab es für ihn eine Liebſchaft, und ſo ge-
rieth er in eine Verlegenheit, aus der er ſich ſehr weiſe
zu retten wußte. Als er einſt mit der Liebſchaft des
zweiten Stockwerks ein Rendezvous hatte, ſagte er
ihr, er fürchte, daß ihr guter Ruf darunter leiden
möchte, wenn die Nachbarn bemerkten, daß er ihr
unaufhörlich Küſſe hinüber würfe: da er es aber un-
möglich unterlaſſen könne, ſo würde er ſie in Zukunft
nach dem dritten Stockwerke richten. Sein treues
Mädchen war damit ſehr zufrieden, und machte nur
noch die Bedingung, daß ſie die Erwiederung eben-
falls nach dem dritten Stockwerke richten würde. Er
willigte ein, und auch ſie hatte ihren Zweck, und
zwar denſelben, dadurch erreicht. —

Die Kunſt, das Griechiſche zu conſerviren.

Ein Magiſter auf einer angeſehenen hohen Schule
hatte das eben nicht unerhörte Unglück, ſich den gei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0063" n="47"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die betrogene Betrieger.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein lu&#x017F;tiger Bur&#x017F;che, der im zweiten Stockwerke<lb/>
wohnte, hatte gegenüber in dem&#x017F;elben Ge&#x017F;choß ein lie-<lb/>
bes Mädchen, mit dem er häufig liebäugelte. Dieß<lb/>
würden wir uns nun wohl gefallen la&#x017F;&#x017F;en, da wir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
(welche Offenherzigkeit) in un&#x017F;erer Jugend kein Ko&#x017F;t-<lb/>
verächter waren; aber auch in dem dritten Stockwerke<lb/>
gegenüber gab es für ihn eine Lieb&#x017F;chaft, und &#x017F;o ge-<lb/>
rieth er in eine Verlegenheit, aus der er &#x017F;ich &#x017F;ehr wei&#x017F;e<lb/>
zu retten wußte. Als er ein&#x017F;t mit der Lieb&#x017F;chaft des<lb/>
zweiten Stockwerks ein Rendezvous hatte, &#x017F;agte er<lb/>
ihr, er fürchte, daß ihr guter Ruf darunter leiden<lb/>
möchte, wenn die Nachbarn bemerkten, daß er ihr<lb/>
unaufhörlich Kü&#x017F;&#x017F;e hinüber würfe: da er es aber un-<lb/>
möglich unterla&#x017F;&#x017F;en könne, &#x017F;o würde er &#x017F;ie in Zukunft<lb/>
nach dem dritten Stockwerke richten. Sein treues<lb/>
Mädchen war damit &#x017F;ehr zufrieden, und machte nur<lb/>
noch die Bedingung, daß &#x017F;ie die Erwiederung eben-<lb/>
falls nach dem dritten Stockwerke richten würde. Er<lb/>
willigte ein, und auch &#x017F;ie hatte ihren Zweck, und<lb/>
zwar den&#x017F;elben, dadurch erreicht. &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Kun&#x017F;t, das Griechi&#x017F;che zu con&#x017F;erviren.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein Magi&#x017F;ter auf einer ange&#x017F;ehenen hohen Schule<lb/>
hatte das eben nicht unerhörte Unglück, &#x017F;ich den gei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0063] Die betrogene Betrieger. Ein luſtiger Burſche, der im zweiten Stockwerke wohnte, hatte gegenüber in demſelben Geſchoß ein lie- bes Mädchen, mit dem er häufig liebäugelte. Dieß würden wir uns nun wohl gefallen laſſen, da wir ſelbſt (welche Offenherzigkeit) in unſerer Jugend kein Koſt- verächter waren; aber auch in dem dritten Stockwerke gegenüber gab es für ihn eine Liebſchaft, und ſo ge- rieth er in eine Verlegenheit, aus der er ſich ſehr weiſe zu retten wußte. Als er einſt mit der Liebſchaft des zweiten Stockwerks ein Rendezvous hatte, ſagte er ihr, er fürchte, daß ihr guter Ruf darunter leiden möchte, wenn die Nachbarn bemerkten, daß er ihr unaufhörlich Küſſe hinüber würfe: da er es aber un- möglich unterlaſſen könne, ſo würde er ſie in Zukunft nach dem dritten Stockwerke richten. Sein treues Mädchen war damit ſehr zufrieden, und machte nur noch die Bedingung, daß ſie die Erwiederung eben- falls nach dem dritten Stockwerke richten würde. Er willigte ein, und auch ſie hatte ihren Zweck, und zwar denſelben, dadurch erreicht. — Die Kunſt, das Griechiſche zu conſerviren. Ein Magiſter auf einer angeſehenen hohen Schule hatte das eben nicht unerhörte Unglück, ſich den gei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/63
Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/63>, abgerufen am 21.11.2024.