Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Das 3. Cap. Von der den vor sich thun, was den Eltern gefälligist, wenn sie nur erst die Wohlthaten, wel- che sie geniessen, recht erkennen lernen. Jch weiß wohl, daß Kinder ihnen einbilden, Eltern müssen dieses thun, und in den Ge- dancken stehen, davor, was einer thun muß, sey man ihm eben keinen Danck schul- dig. Es ist nicht zu leugnen, daß dieses böse Gemüther sind: allein, weil man auch bey ihn alle Kräffte anwenden soll, wie sie mögen gewonnen werden, so muß man auch mit auf sie acht haben. Daß man ihnen ihren Jrrthum benehme, als wenn man davor nicht Danck schuldig wäre, was einer uns zuthun verbunden, würde viel zu weitläufftig, ja gar offt unmöglich fal- len, weil dergleichen ungeartete Gemüther wenig oder keine Vernunfft haben. De- rowegen ist das sicherste Mittel, daß man ihnen nach Beschaffenheit der besonderen Umstände zeiget, die Eltern thun mehr an ihnen, als sie schuldig wären: welches sie am besten begreiffen lernen, wenn man ihnen andere Exempel entgegen stellet. sollen El- tern lie- ben. §. 129. Die Danckbarkeit bestehet in ha-
Das 3. Cap. Von der den vor ſich thun, was den Eltern gefaͤlligiſt, wenn ſie nur erſt die Wohlthaten, wel- che ſie genieſſen, recht erkennen lernen. Jch weiß wohl, daß Kinder ihnen einbilden, Eltern muͤſſen dieſes thun, und in den Ge- dancken ſtehen, davor, was einer thun muß, ſey man ihm eben keinen Danck ſchul- dig. Es iſt nicht zu leugnen, daß dieſes boͤſe Gemuͤther ſind: allein, weil man auch bey ihn alle Kraͤffte anwenden ſoll, wie ſie moͤgen gewonnen werden, ſo muß man auch mit auf ſie acht haben. Daß man ihnen ihren Jrrthum benehme, als wenn man davor nicht Danck ſchuldig waͤre, was einer uns zuthun verbunden, wuͤrde viel zu weitlaͤufftig, ja gar offt unmoͤglich fal- len, weil dergleichen ungeartete Gemuͤther wenig oder keine Vernunfft haben. De- rowegen iſt das ſicherſte Mittel, daß man ihnen nach Beſchaffenheit der beſonderen Umſtaͤnde zeiget, die Eltern thun mehr an ihnen, als ſie ſchuldig waͤren: welches ſie am beſten begreiffen lernen, wenn man ihnen andere Exempel entgegen ſtellet. ſollen El- tern lie- ben. §. 129. Die Danckbarkeit beſtehet in ha-
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Das 3. Cap. Von der
den vor ſich thun, was den Eltern gefaͤllig
iſt, wenn ſie nur erſt die Wohlthaten, wel-
che ſie genieſſen, recht erkennen lernen. Jch
weiß wohl, daß Kinder ihnen einbilden,
Eltern muͤſſen dieſes thun, und in den Ge-
dancken ſtehen, davor, was einer thun
muß, ſey man ihm eben keinen Danck ſchul-
dig. Es iſt nicht zu leugnen, daß dieſes
boͤſe Gemuͤther ſind: allein, weil man auch
bey ihn alle Kraͤffte anwenden ſoll, wie ſie
moͤgen gewonnen werden, ſo muß man
auch mit auf ſie acht haben. Daß man
ihnen ihren Jrrthum benehme, als wenn
man davor nicht Danck ſchuldig waͤre, was
einer uns zuthun verbunden, wuͤrde viel
zu weitlaͤufftig, ja gar offt unmoͤglich fal-
len, weil dergleichen ungeartete Gemuͤther
wenig oder keine Vernunfft haben. De-
rowegen iſt das ſicherſte Mittel, daß man
ihnen nach Beſchaffenheit der beſonderen
Umſtaͤnde zeiget, die Eltern thun mehr an
ihnen, als ſie ſchuldig waͤren: welches ſie
am beſten begreiffen lernen, wenn man
ihnen andere Exempel entgegen ſtellet.
§. 129.Die Danckbarkeit beſtehet in
der Liebe der Wohlthaͤter wegen der von
ihnen uns erzeigeten Wohlthaten (§. 469
Met.). Da nun die Kinder gegen ihre El-
tern danckbahr ſeyn ſollen (§. 127); ſo ſol-
len ſie ſie auch lieben. Und weil ſie ſie lie-
ben, indem ſie ein danckbahres Gemuͤthe
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