Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.gemeinen Wesen überhaupt. verschaffen können, derer sie fähig sind (§.210), noch auch des ihrigen, ja ihres Lei- bes und Lebens gesichert seyn (§. 212), fol- gends das höchste Gut, darnach sie zu stre- ben verbunden sind (§. 45 Mor.), nicht zu erlangen vermögen (§. 44 Mor.): so ist nö- thig, daß so viele sich zusammen begeben und mit vereinigten Kräfften ihr Bestes be- fördern, biß sie in dem Stande sind sich alle Bequemlichkeiten des Lebens zu ver- schaffen, der natürlichen Verbindlichkeit gemäß von einer Vollkommenheit zu der andern ungehindert fortzuschreiten und sich wieder alle Beleidigungen sattsam zu ver- theidigen. Wenn dieses geschiehet, so be- geben sie sich in eine Gesellschafft (§. 2), und der ungehinderte Fortgang in Beför- derung des gemeinen Bestens, das sie durch vereinigte Kräffte erhalten können, ist die Wohlfährt dieser Gesellschafft (§. 3). Die- se Gesellschafft pfleget man das gemeine Wesen zu nennen. §. 214. Cs ist demnach das gemeineWas das zustre-
gemeinen Weſen uͤberhaupt. verſchaffen koͤnnen, derer ſie faͤhig ſind (§.210), noch auch des ihrigen, ja ihres Lei- bes und Lebens geſichert ſeyn (§. 212), fol- gends das hoͤchſte Gut, darnach ſie zu ſtre- ben verbunden ſind (§. 45 Mor.), nicht zu erlangen vermoͤgen (§. 44 Mor.): ſo iſt noͤ- thig, daß ſo viele ſich zuſammen begeben und mit vereinigten Kraͤfften ihr Beſtes be- foͤrdern, biß ſie in dem Stande ſind ſich alle Bequemlichkeiten des Lebens zu ver- ſchaffen, der natuͤrlichen Verbindlichkeit gemaͤß von einer Vollkommenheit zu der andern ungehindert fortzuſchreiten und ſich wieder alle Beleidigungen ſattſam zu ver- theidigen. Wenn dieſes geſchiehet, ſo be- geben ſie ſich in eine Geſellſchafft (§. 2), und der ungehinderte Fortgang in Befoͤr- derung des gemeinen Beſtens, das ſie durch vereinigte Kraͤffte erhalten koͤnnen, iſt die Wohlfaͤhrt dieſer Geſellſchafft (§. 3). Die- ſe Geſellſchafft pfleget man das gemeine Weſen zu nennen. §. 214. Cs iſt demnach das gemeineWas das zuſtre-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0175" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gemeinen Weſen uͤberhaupt.</hi></fw><lb/> verſchaffen koͤnnen, derer ſie faͤhig ſind (§.<lb/> 210), noch auch des ihrigen, ja ihres Lei-<lb/> bes und Lebens geſichert ſeyn (§. 212), fol-<lb/> gends das hoͤchſte Gut, darnach ſie zu ſtre-<lb/> ben verbunden ſind (§. 45 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>), nicht zu<lb/> erlangen vermoͤgen (§. 44 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>): ſo iſt noͤ-<lb/> thig, daß ſo viele ſich zuſammen begeben<lb/> und mit vereinigten Kraͤfften ihr Beſtes be-<lb/> foͤrdern, biß ſie in dem Stande ſind ſich<lb/> alle Bequemlichkeiten des Lebens zu ver-<lb/> ſchaffen, der natuͤrlichen Verbindlichkeit<lb/> gemaͤß von einer Vollkommenheit zu der<lb/> andern ungehindert fortzuſchreiten und ſich<lb/> wieder alle Beleidigungen ſattſam zu ver-<lb/> theidigen. Wenn dieſes geſchiehet, ſo be-<lb/> geben ſie ſich in eine Geſellſchafft (§. 2),<lb/> und der ungehinderte Fortgang in Befoͤr-<lb/> derung des gemeinen Beſtens, das ſie durch<lb/> vereinigte Kraͤffte erhalten koͤnnen, iſt die<lb/> Wohlfaͤhrt dieſer Geſellſchafft (§. 3). Die-<lb/> ſe Geſellſchafft pfleget man das <hi rendition="#fr">gemeine<lb/> Weſen</hi> zu nennen.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 214.</head> <p>Cs iſt demnach das <hi rendition="#fr">gemeine</hi><note place="right">Was das<lb/> gemeint<lb/> Weſen iſt<lb/> und deſe<lb/> ſen Ab-<lb/> ſichten.</note><lb/><hi rendition="#fr">Weſen</hi> eine aus ſo viel Haͤuſern beſtehen-<lb/> de Geſellſchafft als zu Befoͤrderung der ge-<lb/> meinen Wohlfahrt und Erhaltung der Si-<lb/> cherheit noͤthig iſt. Und demnach ſind zwey<lb/> Abſichten, welche die Menſchen gehabt,<lb/> warumb ſie ein gemeines Weſen aufgerich-<lb/> tet, nemlich damit ſie in dem Stande waͤ-<lb/> ren dem hoͤchſten Gute deſto ſicherer nach-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zuſtre-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [157/0175]
gemeinen Weſen uͤberhaupt.
verſchaffen koͤnnen, derer ſie faͤhig ſind (§.
210), noch auch des ihrigen, ja ihres Lei-
bes und Lebens geſichert ſeyn (§. 212), fol-
gends das hoͤchſte Gut, darnach ſie zu ſtre-
ben verbunden ſind (§. 45 Mor.), nicht zu
erlangen vermoͤgen (§. 44 Mor.): ſo iſt noͤ-
thig, daß ſo viele ſich zuſammen begeben
und mit vereinigten Kraͤfften ihr Beſtes be-
foͤrdern, biß ſie in dem Stande ſind ſich
alle Bequemlichkeiten des Lebens zu ver-
ſchaffen, der natuͤrlichen Verbindlichkeit
gemaͤß von einer Vollkommenheit zu der
andern ungehindert fortzuſchreiten und ſich
wieder alle Beleidigungen ſattſam zu ver-
theidigen. Wenn dieſes geſchiehet, ſo be-
geben ſie ſich in eine Geſellſchafft (§. 2),
und der ungehinderte Fortgang in Befoͤr-
derung des gemeinen Beſtens, das ſie durch
vereinigte Kraͤffte erhalten koͤnnen, iſt die
Wohlfaͤhrt dieſer Geſellſchafft (§. 3). Die-
ſe Geſellſchafft pfleget man das gemeine
Weſen zu nennen.
§. 214.Cs iſt demnach das gemeine
Weſen eine aus ſo viel Haͤuſern beſtehen-
de Geſellſchafft als zu Befoͤrderung der ge-
meinen Wohlfahrt und Erhaltung der Si-
cherheit noͤthig iſt. Und demnach ſind zwey
Abſichten, welche die Menſchen gehabt,
warumb ſie ein gemeines Weſen aufgerich-
tet, nemlich damit ſie in dem Stande waͤ-
ren dem hoͤchſten Gute deſto ſicherer nach-
zuſtre-
Was das
gemeint
Weſen iſt
und deſe
ſen Ab-
ſichten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |