Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 2. Von dem Ehestande.
sich aus anderen Absichten, z. e. ihres Haus-
wesens halber, znsammen in eine Gesell-
schafft begeben; so ist solches eigentlich kein
Ehestand zu nennen, sondern eine andere
Gesellschafft, die wohl nach diesem im ge-
meinen Wesen in einigen Stücken dem E-
hestande gleich geachtet werden kan: wie
sich solches nach diesem weiter zeigen wird.
Weil nun ferner verschnittene zu Erzeugung
der Kinder untüchtig gemacht worden; so
können sie nicht heyrathen. Gleichergestalt ist
klar, daß eine Person nicht heyrathen soll,
die v. Natur unfruchtbar ist, so lange die Un-
fruchtbarkeit nicht gehoben worden. Allein
da man dieses zur Zeit noch nicht vorher er-
kennen kan, auch die Unfruchtbarkeit sich
öfters mit der Zeit wendet; so kan man auch
dieses nicht beobachten, wie man wohl sol-
te. Hingegen von Kindern weiß man ge-
wiß, daß sie noch nicht andere zeugen kön-
nen, nnd also ist ihnen zu heyrathen nicht
erlaubet.

Bey-
schlaff
der blos-
sen Lust
halber
ist unzu-
läßig.
§. 23.

Weil der Beyschlaff das Mittel
ist, wodurch die Kinder erzeuget werden, die
Mittel aber dasjenige sind, wodurch man
seine Absicht erreichet (§. 910 Met.); so ist
klar, daß man wieder die Natur handelt,
wenn man den Beyschlaff bloß zu seiner Lust
brauchet. Derowegen kan man auch die
Büssung der fleischlichen Lust nicht unter die
Absicht des Ehestandes rechnen: sondern es

blei-

Cap. 2. Von dem Eheſtande.
ſich aus anderen Abſichten, z. e. ihres Haus-
weſens halber, znſammen in eine Geſell-
ſchafft begeben; ſo iſt ſolches eigentlich kein
Eheſtand zu nennen, ſondern eine andere
Geſellſchafft, die wohl nach dieſem im ge-
meinen Weſen in einigen Stuͤcken dem E-
heſtande gleich geachtet werden kan: wie
ſich ſolches nach dieſem weiter zeigen wird.
Weil nun ferner verſchnittene zu Erzeugung
der Kinder untuͤchtig gemacht worden; ſo
koͤnnen ſie nicht heyrathen. Gleichergeſtalt iſt
klar, daß eine Perſon nicht heyrathen ſoll,
die v. Natur unfruchtbar iſt, ſo lange die Un-
fruchtbarkeit nicht gehoben worden. Allein
da man dieſes zur Zeit noch nicht vorher er-
kennen kan, auch die Unfruchtbarkeit ſich
oͤfters mit der Zeit wendet; ſo kan man auch
dieſes nicht beobachten, wie man wohl ſol-
te. Hingegen von Kindern weiß man ge-
wiß, daß ſie noch nicht andere zeugen koͤn-
nen, nnd alſo iſt ihnen zu heyrathen nicht
erlaubet.

Bey-
ſchlaff
der bloſ-
ſen Luſt
halber
iſt unzu-
laͤßig.
§. 23.

Weil der Beyſchlaff das Mittel
iſt, wodurch die Kinder erzeuget werden, die
Mittel aber dasjenige ſind, wodurch man
ſeine Abſicht erreichet (§. 910 Met.); ſo iſt
klar, daß man wieder die Natur handelt,
wenn man den Beyſchlaff bloß zu ſeiner Luſt
brauchet. Derowegen kan man auch die
Buͤſſung der fleiſchlichen Luſt nicht unter die
Abſicht des Eheſtandes rechnen: ſondern es

blei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0032" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2. Von dem Ehe&#x017F;tande.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ich aus anderen Ab&#x017F;ichten, z. e. ihres Haus-<lb/>
we&#x017F;ens halber, zn&#x017F;ammen in eine Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chafft begeben; &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;olches eigentlich kein<lb/>
Ehe&#x017F;tand zu nennen, &#x017F;ondern eine andere<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft, die wohl nach die&#x017F;em im ge-<lb/>
meinen We&#x017F;en in einigen Stu&#x0364;cken dem E-<lb/>
he&#x017F;tande gleich geachtet werden kan: wie<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;olches nach die&#x017F;em weiter zeigen wird.<lb/>
Weil nun ferner ver&#x017F;chnittene zu Erzeugung<lb/>
der Kinder untu&#x0364;chtig gemacht worden; &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht heyrathen. Gleicherge&#x017F;talt i&#x017F;t<lb/>
klar, daß eine Per&#x017F;on nicht heyrathen &#x017F;oll,<lb/>
die v. Natur unfruchtbar i&#x017F;t, &#x017F;o lange die Un-<lb/>
fruchtbarkeit nicht gehoben worden. Allein<lb/>
da man die&#x017F;es zur Zeit noch nicht vorher er-<lb/>
kennen kan, auch die Unfruchtbarkeit &#x017F;ich<lb/>
o&#x0364;fters mit der Zeit wendet; &#x017F;o kan man auch<lb/>
die&#x017F;es nicht beobachten, wie man wohl &#x017F;ol-<lb/>
te. Hingegen von Kindern weiß man ge-<lb/>
wiß, daß &#x017F;ie noch nicht andere zeugen ko&#x0364;n-<lb/>
nen, nnd al&#x017F;o i&#x017F;t ihnen zu heyrathen nicht<lb/>
erlaubet.</p><lb/>
              <note place="left">Bey-<lb/>
&#x017F;chlaff<lb/>
der blo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Lu&#x017F;t<lb/>
halber<lb/>
i&#x017F;t unzu-<lb/>
la&#x0364;ßig.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 23.</head>
              <p>Weil der Bey&#x017F;chlaff das Mittel<lb/>
i&#x017F;t, wodurch die Kinder erzeuget werden, die<lb/>
Mittel aber dasjenige &#x017F;ind, wodurch man<lb/>
&#x017F;eine Ab&#x017F;icht erreichet (§. 910 <hi rendition="#aq">Met.</hi>); &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
klar, daß man wieder die Natur handelt,<lb/>
wenn man den Bey&#x017F;chlaff bloß zu &#x017F;einer Lu&#x017F;t<lb/>
brauchet. Derowegen kan man auch die<lb/>
Bu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung der flei&#x017F;chlichen Lu&#x017F;t nicht unter die<lb/>
Ab&#x017F;icht des Ehe&#x017F;tandes rechnen: &#x017F;ondern es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">blei-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0032] Cap. 2. Von dem Eheſtande. ſich aus anderen Abſichten, z. e. ihres Haus- weſens halber, znſammen in eine Geſell- ſchafft begeben; ſo iſt ſolches eigentlich kein Eheſtand zu nennen, ſondern eine andere Geſellſchafft, die wohl nach dieſem im ge- meinen Weſen in einigen Stuͤcken dem E- heſtande gleich geachtet werden kan: wie ſich ſolches nach dieſem weiter zeigen wird. Weil nun ferner verſchnittene zu Erzeugung der Kinder untuͤchtig gemacht worden; ſo koͤnnen ſie nicht heyrathen. Gleichergeſtalt iſt klar, daß eine Perſon nicht heyrathen ſoll, die v. Natur unfruchtbar iſt, ſo lange die Un- fruchtbarkeit nicht gehoben worden. Allein da man dieſes zur Zeit noch nicht vorher er- kennen kan, auch die Unfruchtbarkeit ſich oͤfters mit der Zeit wendet; ſo kan man auch dieſes nicht beobachten, wie man wohl ſol- te. Hingegen von Kindern weiß man ge- wiß, daß ſie noch nicht andere zeugen koͤn- nen, nnd alſo iſt ihnen zu heyrathen nicht erlaubet. §. 23.Weil der Beyſchlaff das Mittel iſt, wodurch die Kinder erzeuget werden, die Mittel aber dasjenige ſind, wodurch man ſeine Abſicht erreichet (§. 910 Met.); ſo iſt klar, daß man wieder die Natur handelt, wenn man den Beyſchlaff bloß zu ſeiner Luſt brauchet. Derowegen kan man auch die Buͤſſung der fleiſchlichen Luſt nicht unter die Abſicht des Eheſtandes rechnen: ſondern es blei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/32
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/32>, abgerufen am 21.11.2024.