Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung ständig ist, und die Beschaffenheit der frey-en Handlungen nicht recht einsiehet (§. 21). Es sind aber im gemeinen Wesen die we- nigsten Menschen vernünfftig, die meisten sind unverständig und sehen die Beschaf- fenheit der freyen Handlungen nicht recht ein. Und also würden die meisten bey der Atheisterey ein übeles Leben führen. Nun ist zwar wahr, daß sie die Atheisterey ei- gentlich nicht dazu bringet (§. 21): allein da die Furcht GOttes, welche durch die Religion bestehet (§. 366), es mag eine kindliche oder knechtische seyn, gleichwohl den Menschen verbindet, das Gute zu thun und das Böse zu lassen, was er we- gen seiner Unwissenheit und aus Mangel der Einsicht in die Beschaffenheit der frey- en Handlungen nicht thun, noch las- sen würde (§. 698. 705 Mor.); so hebet man doch durch die Atheisterey die Ver- bindlichkeit auf, welche bey den meisten den grösten Nachdruck hat. Und solcher- gestalt kan man Atheisten, weil sie gefähr- liche Verführer sind, im gemeinen We- sen nicht dulden, wenn sie entweder würck- lich ihre Atheistlsche Lehren kund machen, oder doch um ihres Ansehens willen Aer- gerniß und Anlaß zur Verachtung der Religion geben. Es ist aber hierbey noch gar wohl dieses zu behalten. Weil ein jeder, der im gemeinen Wesen lebet, in sei-
Cap. 3. Von der Einrichtung ſtaͤndig iſt, und die Beſchaffenheit der frey-en Handlungen nicht recht einſiehet (§. 21). Es ſind aber im gemeinen Weſen die we- nigſten Menſchen vernuͤnfftig, die meiſten ſind unverſtaͤndig und ſehen die Beſchaf- fenheit der freyen Handlungen nicht recht ein. Und alſo wuͤrden die meiſten bey der Atheiſterey ein uͤbeles Leben fuͤhren. Nun iſt zwar wahr, daß ſie die Atheiſterey ei- gentlich nicht dazu bringet (§. 21): allein da die Furcht GOttes, welche durch die Religion beſtehet (§. 366), es mag eine kindliche oder knechtiſche ſeyn, gleichwohl den Menſchen verbindet, das Gute zu thun und das Boͤſe zu laſſen, was er we- gen ſeiner Unwiſſenheit und aus Mangel der Einſicht in die Beſchaffenheit der frey- en Handlungen nicht thun, noch laſ- ſen wuͤrde (§. 698. 705 Mor.); ſo hebet man doch durch die Atheiſterey die Ver- bindlichkeit auf, welche bey den meiſten den groͤſten Nachdruck hat. Und ſolcher- geſtalt kan man Atheiſten, weil ſie gefaͤhr- liche Verfuͤhrer ſind, im gemeinen We- ſen nicht dulden, wenn ſie entweder wuͤrck- lich ihre Atheiſtlſche Lehren kund machen, oder doch um ihres Anſehens willen Aer- gerniß und Anlaß zur Verachtung der Religion geben. Es iſt aber hierbey noch gar wohl dieſes zu behalten. Weil ein jeder, der im gemeinen Weſen lebet, in ſei-
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Cap. 3. Von der Einrichtung
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en Handlungen nicht recht einſiehet (§. 21).
Es ſind aber im gemeinen Weſen die we-
nigſten Menſchen vernuͤnfftig, die meiſten
ſind unverſtaͤndig und ſehen die Beſchaf-
fenheit der freyen Handlungen nicht recht
ein. Und alſo wuͤrden die meiſten bey der
Atheiſterey ein uͤbeles Leben fuͤhren. Nun
iſt zwar wahr, daß ſie die Atheiſterey ei-
gentlich nicht dazu bringet (§. 21): allein
da die Furcht GOttes, welche durch die
Religion beſtehet (§. 366), es mag eine
kindliche oder knechtiſche ſeyn, gleichwohl
den Menſchen verbindet, das Gute zu
thun und das Boͤſe zu laſſen, was er we-
gen ſeiner Unwiſſenheit und aus Mangel
der Einſicht in die Beſchaffenheit der frey-
en Handlungen nicht thun, noch laſ-
ſen wuͤrde (§. 698. 705 Mor.); ſo hebet
man doch durch die Atheiſterey die Ver-
bindlichkeit auf, welche bey den meiſten
den groͤſten Nachdruck hat. Und ſolcher-
geſtalt kan man Atheiſten, weil ſie gefaͤhr-
liche Verfuͤhrer ſind, im gemeinen We-
ſen nicht dulden, wenn ſie entweder wuͤrck-
lich ihre Atheiſtlſche Lehren kund machen,
oder doch um ihres Anſehens willen Aer-
gerniß und Anlaß zur Verachtung der
Religion geben. Es iſt aber hierbey noch
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