Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. seinen Handlungen nicht allein auf sich,sondern auch andere mit zu sehen hat, die neben ihm sich darinnen befinden (§. 216), so ist es nicht genug, daß ein Atheist für seine Person wohl lebet, und in seinem Wandel niemanden einen Anstoß oder Aergerniß giebet; sondern es wird auch dazu erfordert, daß er nicht ohne Noth anderen zu einem bösen Leben Anlaß gie- bet: welches geschehen würde, wenn an- dere die Atheisterey von ihm annähmen, und dadurch die Verbindlichkeit, die aus der Religion erwächset, in ihnen tilgeten. Und demnach bleibet abermahl feste stehen, daß es vernüfftig sey einen Atheisten, der sich bloß giebet, oder wenigstens grossen Verdacht wieder sich erreget, im gemei- nen Wesen nicht zu dulden, woferne er nicht ändert, wodurch er diesen Verdacht wieder sich gemacht (§. 215). Darnach ist auch zu mercken, daß man die Athei- sterey wegen des Eydes im gemeinen We- sen nicht dulden kan. Denn ob es zwar an dem ist, daß in solchen Fällen, wo man für seine Person ein grosses Interesse da- bey siehet, viele ihnen kein Gewissen ma- chen, einen falschen Eyd zu thun: so kan doch solches weder von allen Personen, noch von allen Fällen gesaget werden. Es bleiben noch viele Fälle übrig, da man lie- ber die Wahrheit aussagen wird, als ei- nen X 3
des gemeinen Weſens. ſeinen Handlungen nicht allein auf ſich,ſondern auch andere mit zu ſehen hat, die neben ihm ſich darinnen befinden (§. 216), ſo iſt es nicht genug, daß ein Atheiſt fuͤr ſeine Perſon wohl lebet, und in ſeinem Wandel niemanden einen Anſtoß oder Aergerniß giebet; ſondern es wird auch dazu erfordert, daß er nicht ohne Noth anderen zu einem boͤſen Leben Anlaß gie- bet: welches geſchehen wuͤrde, wenn an- dere die Atheiſterey von ihm annaͤhmen, und dadurch die Verbindlichkeit, die aus der Religion erwaͤchſet, in ihnen tilgeten. Und demnach bleibet abermahl feſte ſtehen, daß es vernuͤfftig ſey einen Atheiſten, der ſich bloß giebet, oder wenigſtens groſſen Verdacht wieder ſich erreget, im gemei- nen Weſen nicht zu dulden, woferne er nicht aͤndert, wodurch er dieſen Verdacht wieder ſich gemacht (§. 215). Darnach iſt auch zu mercken, daß man die Athei- ſterey wegen des Eydes im gemeinen We- ſen nicht dulden kan. Denn ob es zwar an dem iſt, daß in ſolchen Faͤllen, wo man fuͤr ſeine Perſon ein groſſes Intereſſe da- bey ſiehet, viele ihnen kein Gewiſſen ma- chen, einen falſchen Eyd zu thun: ſo kan doch ſolches weder von allen Perſonen, noch von allen Faͤllen geſaget werden. Es bleiben noch viele Faͤlle uͤbrig, da man lie- ber die Wahrheit ausſagen wird, als ei- nen X 3
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des gemeinen Weſens.
ſeinen Handlungen nicht allein auf ſich,
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neben ihm ſich darinnen befinden (§. 216),
ſo iſt es nicht genug, daß ein Atheiſt fuͤr
ſeine Perſon wohl lebet, und in ſeinem
Wandel niemanden einen Anſtoß oder
Aergerniß giebet; ſondern es wird auch
dazu erfordert, daß er nicht ohne Noth
anderen zu einem boͤſen Leben Anlaß gie-
bet: welches geſchehen wuͤrde, wenn an-
dere die Atheiſterey von ihm annaͤhmen,
und dadurch die Verbindlichkeit, die aus
der Religion erwaͤchſet, in ihnen tilgeten.
Und demnach bleibet abermahl feſte ſtehen,
daß es vernuͤfftig ſey einen Atheiſten, der
ſich bloß giebet, oder wenigſtens groſſen
Verdacht wieder ſich erreget, im gemei-
nen Weſen nicht zu dulden, woferne er
nicht aͤndert, wodurch er dieſen Verdacht
wieder ſich gemacht (§. 215). Darnach
iſt auch zu mercken, daß man die Athei-
ſterey wegen des Eydes im gemeinen We-
ſen nicht dulden kan. Denn ob es zwar
an dem iſt, daß in ſolchen Faͤllen, wo man
fuͤr ſeine Perſon ein groſſes Intereſſe da-
bey ſiehet, viele ihnen kein Gewiſſen ma-
chen, einen falſchen Eyd zu thun: ſo kan
doch ſolches weder von allen Perſonen,
noch von allen Faͤllen geſaget werden. Es
bleiben noch viele Faͤlle uͤbrig, da man lie-
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