Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. scheidung der gegenwärtigen Frage nichtnöthig haben. Wir wollen beydes ein- räumen, nemlich daß es Völcker giebet, die gar keinen Gott gläuben, und daß es doch bey ihnen nicht schlimmer, ja in vie- len Stücken besser, als unter uns Christen hergehet. Allein es ist zu mercken, daß solches Leute seyn werden, die noch eine gar schlechte Lebens-Art haben, bey der sie wenig gebrauchen, und da ein jeder den andern bald wieder nöthig hat. Und dem- nach unterlassen sie das böse, und sind nicht so einer auf des andern seinen Scha- den, wie wohl leider! bey uns zu gesche- hen pfleget, theils weil sie es nicht verste- hen, theils weil sie keine Gelegenheit dazu haben, theils weil sie die Furcht zurücke hält, es möchten es ihnen andere wieder so machen, wie sie es ihnen gemacht. Ein Exempel geben die Hottentotten, von denen viele sagen, daß sie keinen GOtt gläuben, und doch vielen Tugenden erge- ben sind. Denn sie haben gar ein schlech- tes Eigenthum, wohnen nicht in grosser Menge bey einander, brauchen wenig zur Bequemlichkeit ihres Lebens. Was nun bey solchen Völckern angehet, kan keines weges bey andern, als unter uns, statt finden. Da- her wir auch leider erfahren, daß, wenn Leute, die aus der Religion nicht viel ma- chen, Macht und Gewalt bekommen, sehr X 4
des gemeinen Weſens. ſcheidung der gegenwaͤrtigen Frage nichtnoͤthig haben. Wir wollen beydes ein- raͤumen, nemlich daß es Voͤlcker giebet, die gar keinen Gott glaͤuben, und daß es doch bey ihnen nicht ſchlimmer, ja in vie- len Stuͤcken beſſer, als unter uns Chriſten hergehet. Allein es iſt zu mercken, daß ſolches Leute ſeyn werden, die noch eine gar ſchlechte Lebens-Art haben, bey der ſie wenig gebrauchen, und da ein jeder den andern bald wieder noͤthig hat. Und dem- nach unterlaſſen ſie das boͤſe, und ſind nicht ſo einer auf des andern ſeinen Scha- den, wie wohl leider! bey uns zu geſche- hen pfleget, theils weil ſie es nicht verſte- hen, theils weil ſie keine Gelegenheit dazu haben, theils weil ſie die Furcht zuruͤcke haͤlt, es moͤchten es ihnen andere wieder ſo machen, wie ſie es ihnen gemacht. Ein Exempel geben die Hottentotten, von denen viele ſagen, daß ſie keinen GOtt glaͤuben, und doch vielen Tugenden erge- ben ſind. Denn ſie haben gar ein ſchlech- tes Eigenthum, wohnen nicht in groſſer Menge bey einander, brauchen wenig zur Bequemlichkeit ihres Lebens. Was nun bey ſolchen Voͤlckern angehet, kan keines weges bey andern, als unter uns, ſtatt finden. Da- her wir auch leider erfahren, daß, wenn Leute, die aus der Religion nicht viel ma- chen, Macht und Gewalt bekommen, ſehr X 4
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des gemeinen Weſens.
ſcheidung der gegenwaͤrtigen Frage nicht
noͤthig haben. Wir wollen beydes ein-
raͤumen, nemlich daß es Voͤlcker giebet,
die gar keinen Gott glaͤuben, und daß es
doch bey ihnen nicht ſchlimmer, ja in vie-
len Stuͤcken beſſer, als unter uns Chriſten
hergehet. Allein es iſt zu mercken, daß
ſolches Leute ſeyn werden, die noch eine
gar ſchlechte Lebens-Art haben, bey der
ſie wenig gebrauchen, und da ein jeder den
andern bald wieder noͤthig hat. Und dem-
nach unterlaſſen ſie das boͤſe, und ſind
nicht ſo einer auf des andern ſeinen Scha-
den, wie wohl leider! bey uns zu geſche-
hen pfleget, theils weil ſie es nicht verſte-
hen, theils weil ſie keine Gelegenheit dazu
haben, theils weil ſie die Furcht zuruͤcke
haͤlt, es moͤchten es ihnen andere wieder ſo
machen, wie ſie es ihnen gemacht. Ein
Exempel geben die Hottentotten, von
denen viele ſagen, daß ſie keinen GOtt
glaͤuben, und doch vielen Tugenden erge-
ben ſind. Denn ſie haben gar ein ſchlech-
tes Eigenthum, wohnen nicht in groſſer
Menge bey einander, brauchen wenig zur
Bequemlichkeit ihres Lebens. Was nun bey
ſolchen Voͤlckern angehet, kan keines weges
bey andern, als unter uns, ſtatt finden. Da-
her wir auch leider erfahren, daß, wenn
Leute, die aus der Religion nicht viel ma-
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