Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 2. Von dem Ehestande. reisen. Weil die Geilheit immer grösserwird, je mehr man ihr ein Gnügen thut, indem die Einbildungs-Krafft um so viel- mehr auf einmahl vorstellet, je mehr man Lust von und bey Liebes-Wercken genossen (§. 238 Met.) und dadurch den Affect verstär- cket (§. 441 Met.); so ist daraus gar wohl zu begreiffen, daß die geile Brunst den Men- schen um so vielmehr beunruhigen muß, je mehr er dieselbe zu erfüllen sich angelegen seyn lässet. Und da immer ein Laster aus dem andern kommet, wäre es leicht, jedoch weitläufftig zu zeigen, in was für Arten der Laster nach verschiedenen Umständen die Menschen durch Geilheit verleitet werden. Wer in verbothenen Liebes-Wercken zu viel thut, bringet sich um seine Gesundheit: welches noch mehr, und zwar öffters mit Gefahr des Lebens geschiehet, wenn man mit unreinen Weibes-Bildern zu thun hat. Es gehet auch selten bey dergleichen Lebens- Art ohne unnöthige Verschwendung seines Vermögens ab, weil doch meistentheils gei- le Weibs-Personen, die dürfftig sind, Ge- winn suchen, andere hingegen auch für das Maul was gutes dabey haben wollen: bey welchen Umständen so wohl Manns-Per- sonen sich in Schulden und Armuth setzen, als auch öffters Weibs-Personen das ihri- ge liederlich durchbringen. Darüber lei- det auch öffters unser guter Nahme bey an- dern
Cap. 2. Von dem Eheſtande. reiſen. Weil die Geilheit immer groͤſſerwird, je mehr man ihr ein Gnuͤgen thut, indem die Einbildungs-Krafft um ſo viel- mehr auf einmahl vorſtellet, je mehr man Luſt von und bey Liebes-Wercken genoſſen (§. 238 Met.) und dadurch den Affect verſtaͤr- cket (§. 441 Met.); ſo iſt daraus gar wohl zu begreiffen, daß die geile Brunſt den Men- ſchen um ſo vielmehr beunruhigen muß, je mehr er dieſelbe zu erfuͤllen ſich angelegen ſeyn laͤſſet. Und da immer ein Laſter aus dem andern kommet, waͤre es leicht, jedoch weitlaͤufftig zu zeigen, in was fuͤr Arten der Laſter nach verſchiedenen Umſtaͤnden die Menſchen durch Geilheit verleitet werden. Wer in verbothenen Liebes-Wercken zu viel thut, bringet ſich um ſeine Geſundheit: welches noch mehr, und zwar oͤffters mit Gefahr des Lebens geſchiehet, wenn man mit unreinen Weibes-Bildern zu thun hat. Es gehet auch ſelten bey dergleichen Lebens- Art ohne unnoͤthige Verſchwendung ſeines Vermoͤgens ab, weil doch meiſtentheils gei- le Weibs-Perſonen, die duͤrfftig ſind, Ge- winn ſuchen, andere hingegen auch fuͤr das Maul was gutes dabey haben wollen: bey welchen Umſtaͤnden ſo wohl Manns-Per- ſonen ſich in Schulden und Armuth ſetzen, als auch oͤffters Weibs-Perſonen das ihri- ge liederlich durchbringen. Daruͤber lei- det auch oͤffters unſer guter Nahme bey an- dern
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
reiſen. Weil die Geilheit immer groͤſſer
wird, je mehr man ihr ein Gnuͤgen thut,
indem die Einbildungs-Krafft um ſo viel-
mehr auf einmahl vorſtellet, je mehr man
Luſt von und bey Liebes-Wercken genoſſen
(§. 238 Met.) und dadurch den Affect verſtaͤr-
cket (§. 441 Met.); ſo iſt daraus gar wohl zu
begreiffen, daß die geile Brunſt den Men-
ſchen um ſo vielmehr beunruhigen muß, je
mehr er dieſelbe zu erfuͤllen ſich angelegen
ſeyn laͤſſet. Und da immer ein Laſter aus
dem andern kommet, waͤre es leicht, jedoch
weitlaͤufftig zu zeigen, in was fuͤr Arten der
Laſter nach verſchiedenen Umſtaͤnden die
Menſchen durch Geilheit verleitet werden.
Wer in verbothenen Liebes-Wercken zu
viel thut, bringet ſich um ſeine Geſundheit:
welches noch mehr, und zwar oͤffters mit
Gefahr des Lebens geſchiehet, wenn man
mit unreinen Weibes-Bildern zu thun hat.
Es gehet auch ſelten bey dergleichen Lebens-
Art ohne unnoͤthige Verſchwendung ſeines
Vermoͤgens ab, weil doch meiſtentheils gei-
le Weibs-Perſonen, die duͤrfftig ſind, Ge-
winn ſuchen, andere hingegen auch fuͤr das
Maul was gutes dabey haben wollen: bey
welchen Umſtaͤnden ſo wohl Manns-Per-
ſonen ſich in Schulden und Armuth ſetzen,
als auch oͤffters Weibs-Perſonen das ihri-
ge liederlich durchbringen. Daruͤber lei-
det auch oͤffters unſer guter Nahme bey an-
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