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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 5. Von der Macht
kleiner, noch grösser. Denn da die Ge-
walt nichts anders als die Freyheit zu be-
fehlen ist (§. 435), der aber, welcher vielen
befiehlet, nicht mehr Freyheit zu befehlen
hat, als der andere, so wenigen befiehlet;
so hat auch derjenige, welcher wenigen be-
fiehlet, eben die Gewalt, so der andere
hat, welcher vielen befiehlet. Und auf sol-
che Weise bleibet in einem kleinen Staate
so viel Gewalt, als in einem grossen.

Ob ein
König so
viel Ge-
walt hat
als ein
anderer.
§. 457.

Weil in einem jeden Staate so
viel Gewalt ist, als in dem andern (§.
456), in einem Königreiche aber entweder
die gantze, oder doch der gröste Theil der
Gewalt bey dem Könige stehet (§. 453. 455.),
ja in Ansehung auswärtiger Staate es
gleich viel ist, ob der König alle Gewalt,
oder nur den grösten Theil derselben hat;
so hat auch ein König in Ansehung aus-
wärtiger Staaten so viel Gewalt als der
andere, ob er gleich in Ansehung des Staa-
tes, den er regieret, das ist, seines König-
reiches nicht soviel Gewalt hat als der ande-
re, der gantz souvrain ist (§. 441). Aus-
wertigen ist nichts daran gelegen, ob ein
König ohne Einwilligung der Stände et-
was thun, und befehlen kan, oder ob er es
mit Einwilligung der Stände thut. Es
ist genung, daß es geschehen kan. Z. E.
Wenn ein König ohne Einwilligung der
Stände keinen Krieg anfangen darf; so

gewin-

Cap. 5. Von der Macht
kleiner, noch groͤſſer. Denn da die Ge-
walt nichts anders als die Freyheit zu be-
fehlen iſt (§. 435), der aber, welcher vielen
befiehlet, nicht mehr Freyheit zu befehlen
hat, als der andere, ſo wenigen befiehlet;
ſo hat auch derjenige, welcher wenigen be-
fiehlet, eben die Gewalt, ſo der andere
hat, welcher vielen befiehlet. Und auf ſol-
che Weiſe bleibet in einem kleinen Staate
ſo viel Gewalt, als in einem groſſen.

Ob ein
Koͤnig ſo
viel Ge-
walt hat
als ein
anderer.
§. 457.

Weil in einem jeden Staate ſo
viel Gewalt iſt, als in dem andern (§.
456), in einem Koͤnigreiche aber entweder
die gantze, oder doch der groͤſte Theil der
Gewalt bey dem Koͤnige ſtehet (§. 453. 455.),
ja in Anſehung auswaͤrtiger Staate es
gleich viel iſt, ob der Koͤnig alle Gewalt,
oder nur den groͤſten Theil derſelben hat;
ſo hat auch ein Koͤnig in Anſehung aus-
waͤrtiger Staaten ſo viel Gewalt als der
andere, ob er gleich in Anſehung des Staa-
tes, den er regieret, das iſt, ſeines Koͤnig-
reiches nicht ſoviel Gewalt hat als der ande-
re, der gantz ſouvrain iſt (§. 441). Aus-
wertigen iſt nichts daran gelegen, ob ein
Koͤnig ohne Einwilligung der Staͤnde et-
was thun, und befehlen kan, oder ob er es
mit Einwilligung der Staͤnde thut. Es
iſt genung, daß es geſchehen kan. Z. E.
Wenn ein Koͤnig ohne Einwilligung der
Staͤnde keinen Krieg anfangen darf; ſo

gewin-
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[484/0502] Cap. 5. Von der Macht kleiner, noch groͤſſer. Denn da die Ge- walt nichts anders als die Freyheit zu be- fehlen iſt (§. 435), der aber, welcher vielen befiehlet, nicht mehr Freyheit zu befehlen hat, als der andere, ſo wenigen befiehlet; ſo hat auch derjenige, welcher wenigen be- fiehlet, eben die Gewalt, ſo der andere hat, welcher vielen befiehlet. Und auf ſol- che Weiſe bleibet in einem kleinen Staate ſo viel Gewalt, als in einem groſſen. §. 457.Weil in einem jeden Staate ſo viel Gewalt iſt, als in dem andern (§. 456), in einem Koͤnigreiche aber entweder die gantze, oder doch der groͤſte Theil der Gewalt bey dem Koͤnige ſtehet (§. 453. 455.), ja in Anſehung auswaͤrtiger Staate es gleich viel iſt, ob der Koͤnig alle Gewalt, oder nur den groͤſten Theil derſelben hat; ſo hat auch ein Koͤnig in Anſehung aus- waͤrtiger Staaten ſo viel Gewalt als der andere, ob er gleich in Anſehung des Staa- tes, den er regieret, das iſt, ſeines Koͤnig- reiches nicht ſoviel Gewalt hat als der ande- re, der gantz ſouvrain iſt (§. 441). Aus- wertigen iſt nichts daran gelegen, ob ein Koͤnig ohne Einwilligung der Staͤnde et- was thun, und befehlen kan, oder ob er es mit Einwilligung der Staͤnde thut. Es iſt genung, daß es geſchehen kan. Z. E. Wenn ein Koͤnig ohne Einwilligung der Staͤnde keinen Krieg anfangen darf; ſo gewin-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/502>, abgerufen am 25.11.2024.