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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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wegen der veränderlichen Materie.
den Mittel-Punct des Monds, der Sonne
und der übrigen Planeten hat. Weil man
demnach siehet, daß die Materie, welche
schweer ist, nicht einerley, sondern verschie-
dene Richtungen hat; so siehet man au-
genscheinlich, daß die Richtung nicht noth-
wendig (§. 36. Met.), folgends in dem
Wesen der Materie nicht gegründet ist (§.
38 Met.) Weil nun keine Bewegung,
auch keine bewegende Krafft ohne Richtung
seyn kan, ja die Richtung nebst dem Grade
der Geschwindigkeit eben dasjenige ist, wo-
durch die Art der Bewegung, und die bewe-
gende Krafft determiniret und von an-
dern ihres gleichen unterschieden wird; so
ist mehr als zu klar, daß die Schweere der
Materie nicht eigenthümlich ist, folgends
eine Materie nicht nothwendig schweer
seyn darf.

§. 84.

Wollte man einwenden, daßEinem
Einwurf
wird be-
gegnet.

zwar die Materie ohne Schweere seyn kön-
ne, GOtt aber sie nach seinem Wohlge-
fallen mit der Schweere begabet, und dem-
nach die Schweere als eine Eigenschafft
ansehen, damit GOTT die Materie frer-
willig begabet; so saget man zwar et-
was, damit sich diejenigen abweisen
lassen, welche alles nur obenhin anzusehen
gewohnet sind; man kan aber leicht zeigen,
daß alsdenn die Schweere eben soviel
ist als eine verborgene Eigenschafft der
Schulweisen und keinesweges mit den

Grün-
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wegen der veraͤnderlichen Materie.
den Mittel-Punct des Monds, der Sonne
und der uͤbrigen Planeten hat. Weil man
demnach ſiehet, daß die Materie, welche
ſchweer iſt, nicht einerley, ſondern verſchie-
dene Richtungen hat; ſo ſiehet man au-
genſcheinlich, daß die Richtung nicht noth-
wendig (§. 36. Met.), folgends in dem
Weſen der Materie nicht gegruͤndet iſt (§.
38 Met.) Weil nun keine Bewegung,
auch keine bewegende Krafft ohne Richtung
ſeyn kan, ja die Richtung nebſt dem Grade
der Geſchwindigkeit eben dasjenige iſt, wo-
durch die Art der Bewegung, und die bewe-
gende Krafft determiniret und von an-
dern ihres gleichen unterſchieden wird; ſo
iſt mehr als zu klar, daß die Schweere der
Materie nicht eigenthuͤmlich iſt, folgends
eine Materie nicht nothwendig ſchweer
ſeyn darf.

§. 84.

Wollte man einwenden, daßEinem
Einwurf
wird be-
gegnet.

zwar die Materie ohne Schweere ſeyn koͤn-
ne, GOtt aber ſie nach ſeinem Wohlge-
fallen mit der Schweere begabet, und dem-
nach die Schweere als eine Eigenſchafft
anſehen, damit GOTT die Materie frer-
willig begabet; ſo ſaget man zwar et-
was, damit ſich diejenigen abweiſen
laſſen, welche alles nur obenhin anzuſehen
gewohnet ſind; man kan aber leicht zeigen,
daß alsdenn die Schweere eben ſoviel
iſt als eine verborgene Eigenſchafft der
Schulweiſen und keinesweges mit den

Gruͤn-
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[119/0155] wegen der veraͤnderlichen Materie. den Mittel-Punct des Monds, der Sonne und der uͤbrigen Planeten hat. Weil man demnach ſiehet, daß die Materie, welche ſchweer iſt, nicht einerley, ſondern verſchie- dene Richtungen hat; ſo ſiehet man au- genſcheinlich, daß die Richtung nicht noth- wendig (§. 36. Met.), folgends in dem Weſen der Materie nicht gegruͤndet iſt (§. 38 Met.) Weil nun keine Bewegung, auch keine bewegende Krafft ohne Richtung ſeyn kan, ja die Richtung nebſt dem Grade der Geſchwindigkeit eben dasjenige iſt, wo- durch die Art der Bewegung, und die bewe- gende Krafft determiniret und von an- dern ihres gleichen unterſchieden wird; ſo iſt mehr als zu klar, daß die Schweere der Materie nicht eigenthuͤmlich iſt, folgends eine Materie nicht nothwendig ſchweer ſeyn darf. §. 84. Wollte man einwenden, daß zwar die Materie ohne Schweere ſeyn koͤn- ne, GOtt aber ſie nach ſeinem Wohlge- fallen mit der Schweere begabet, und dem- nach die Schweere als eine Eigenſchafft anſehen, damit GOTT die Materie frer- willig begabet; ſo ſaget man zwar et- was, damit ſich diejenigen abweiſen laſſen, welche alles nur obenhin anzuſehen gewohnet ſind; man kan aber leicht zeigen, daß alsdenn die Schweere eben ſoviel iſt als eine verborgene Eigenſchafft der Schulweiſen und keinesweges mit den Gruͤn- Einem Einwurf wird be- gegnet. H 4

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/155>, abgerufen am 19.05.2024.