Gründen der Vernunfft bestehen kan. Man nennet in der Physick verborgene Eigen- schafften, die keinen Grund haben, warum sie einem Dinge zukommen. Wenn nun kein Grund soll vorhanden seyn, warumb die Schweere einer Materie zukommet; so muß sie nothwendig mit unter die verborge- nen Eigenschafften gerechnet werden. Al- lein eben deswegen weil alles seinen zure- chenden Grund haben muß, warum es viel- mehr ist, als nicht ist (§. 30. Met.); so sind eben die verborgenen Eigenschafften etwas ungereimtes. Wer darauf acht hat, was ich sage, wird ohne mein Erinnern sehen, daß ich hier nicht von solchen Eigenschafften, re- de, deren Grund wir aus Mangel der Er- käntnis nicht anzuzeigen wissen; sondern bloß von denenjenigen, davon man vor- giebt, daß sie gar keinen haben. Jch habe aber auch schon anderswo erinnert §. 98. Met.), daß man nicht den Willen GOttes als einen zureichenden Grund in derglei- chen Fällen anführen könne, und längst er- wiesen, daß es ungereimet sey, wenn man vorgeben will, GOtt habe in das Wesen eines Dinges etwas geleget, was keinen Grund in ihm hat, warum es ihm zukom- men kan (§. 1022. Met.). Ja es wird sich auch niemand dergleichen Dinge bereden lassen, wer nur einmahl gelernet hat, daß
das
Cap. III. Von dem Unterſcheide
Gruͤnden der Vernunfft beſtehen kan. Man nennet in der Phyſick verborgene Eigen- ſchafften, die keinen Grund haben, warum ſie einem Dinge zukommen. Wenn nun kein Grund ſoll vorhanden ſeyn, warumb die Schweere einer Materie zukommet; ſo muß ſie nothwendig mit unter die verborge- nen Eigenſchafften gerechnet werden. Al- lein eben deswegen weil alles ſeinen zure- chenden Grund haben muß, warum es viel- mehr iſt, als nicht iſt (§. 30. Met.); ſo ſind eben die verborgenen Eigenſchafften etwas ungereimtes. Wer darauf acht hat, was ich ſage, wird ohne mein Erinnern ſehen, daß ich hier nicht von ſolchen Eigenſchafften, re- de, deren Grund wir aus Mangel der Er- kaͤntnis nicht anzuzeigen wiſſen; ſondern bloß von denenjenigen, davon man vor- giebt, daß ſie gar keinen haben. Jch habe aber auch ſchon anderswo erinnert §. 98. Met.), daß man nicht den Willen GOttes als einen zureichenden Grund in derglei- chen Faͤllen anfuͤhren koͤnne, und laͤngſt er- wieſen, daß es ungereimet ſey, wenn man vorgeben will, GOtt habe in das Weſen eines Dinges etwas geleget, was keinen Grund in ihm hat, warum es ihm zukom- men kan (§. 1022. Met.). Ja es wird ſich auch niemand dergleichen Dinge bereden laſſen, wer nur einmahl gelernet hat, daß
das
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Cap. III. Von dem Unterſcheide
Gruͤnden der Vernunfft beſtehen kan. Man
nennet in der Phyſick verborgene Eigen-
ſchafften, die keinen Grund haben, warum
ſie einem Dinge zukommen. Wenn nun
kein Grund ſoll vorhanden ſeyn, warumb
die Schweere einer Materie zukommet; ſo
muß ſie nothwendig mit unter die verborge-
nen Eigenſchafften gerechnet werden. Al-
lein eben deswegen weil alles ſeinen zure-
chenden Grund haben muß, warum es viel-
mehr iſt, als nicht iſt (§. 30. Met.); ſo ſind
eben die verborgenen Eigenſchafften etwas
ungereimtes. Wer darauf acht hat, was
ich ſage, wird ohne mein Erinnern ſehen, daß
ich hier nicht von ſolchen Eigenſchafften, re-
de, deren Grund wir aus Mangel der Er-
kaͤntnis nicht anzuzeigen wiſſen; ſondern
bloß von denenjenigen, davon man vor-
giebt, daß ſie gar keinen haben. Jch habe
aber auch ſchon anderswo erinnert §. 98.
Met.), daß man nicht den Willen GOttes
als einen zureichenden Grund in derglei-
chen Faͤllen anfuͤhren koͤnne, und laͤngſt er-
wieſen, daß es ungereimet ſey, wenn man
vorgeben will, GOtt habe in das Weſen
eines Dinges etwas geleget, was keinen
Grund in ihm hat, warum es ihm zukom-
men kan (§. 1022. Met.). Ja es wird ſich
auch niemand dergleichen Dinge bereden
laſſen, wer nur einmahl gelernet hat, daß
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/156>, abgerufen am 21.11.2024.
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