wärmer als ein anderer der kalt ist, wenn beyde eine Zeit über in einerley Wärme lie- gen: welches wir aus der gemeinen Erfah- rung lernen. Derowegen kan auch die Sonne mit ihrem Scheine mehr erwärmen, wenn sie nach einer kurtzen Nacht bald wie- der kommet, als wenn sie in einer langen lange aussen bleibet. Und also siehet man, daß die kurtzen Nächte die Würckung der Sonne befördern, hingegen die langen ihr darinnen hinderlich seyn. Es trägt aber auch nicht ein weniges zu Vermehrung der Wärme bey uns bey, daß eben zu der Zeit, wenn die Würckung der Sonne am stärck- sten ist, ihre Nächte am kürtzesten sind.
Ursache der vier Jahrs-Zeiten.
§. 232.
Wenn man dieses alles, was bisher (§. 227 & seqq.) ausgeführet worden, erweget: so wird man sehen, wie die vier Jahrs-Zeiten in dem Lauffe der Sonnen gegründet seyn. Jm Anfange des Früh- lings stehet die Sonne im AEquatore, als welcher die Ecliptick im Anfange des Wid- ders |durchschneidet (§. 225 Phys. & §. 62. 64 Astron.) und von dar an steiget sie von Tage zu Tage immer weiter herauf gegen den Tropicum Cancri, wo sie im Anfan- ge des Sommers die gröste Höhe erreichet (§. 225), auch nimmet der Tag beständig zu und die Nacht hingegen ab, bis im An- fange des Sommers der längste Tag und die kürtzste Nacht ist (§. 51. Geogr.). De-
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Cap. IV. Von den Witterungen
waͤrmer als ein anderer der kalt iſt, wenn beyde eine Zeit uͤber in einerley Waͤrme lie- gen: welches wir aus der gemeinen Erfah- rung lernen. Derowegen kan auch die Sonne mit ihrem Scheine mehr erwaͤrmen, wenn ſie nach einer kurtzen Nacht bald wie- der kommet, als wenn ſie in einer langen lange auſſen bleibet. Und alſo ſiehet man, daß die kurtzen Naͤchte die Wuͤrckung der Sonne befoͤrdern, hingegen die langen ihr darinnen hinderlich ſeyn. Es traͤgt aber auch nicht ein weniges zu Vermehrung der Waͤrme bey uns bey, daß eben zu der Zeit, wenn die Wuͤrckung der Sonne am ſtaͤrck- ſten iſt, ihre Naͤchte am kuͤrtzeſten ſind.
Urſache der vier Jahrs-Zeiten.
§. 232.
Wenn man dieſes alles, was bisher (§. 227 & ſeqq.) ausgefuͤhret worden, erweget: ſo wird man ſehen, wie die vier Jahrs-Zeiten in dem Lauffe der Sonnen gegruͤndet ſeyn. Jm Anfange des Fruͤh- lings ſtehet die Sonne im Æquatore, als welcher die Ecliptick im Anfange des Wid- ders |durchſchneidet (§. 225 Phyſ. & §. 62. 64 Aſtron.) und von dar an ſteiget ſie von Tage zu Tage immer weiter herauf gegen den Tropicum Cancri, wo ſie im Anfan- ge des Sommers die groͤſte Hoͤhe erreichet (§. 225), auch nimmet der Tag beſtaͤndig zu und die Nacht hingegen ab, bis im An- fange des Sommers der laͤngſte Tag und die kuͤrtzſte Nacht iſt (§. 51. Geogr.). De-
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Cap. IV. Von den Witterungen
waͤrmer als ein anderer der kalt iſt, wenn
beyde eine Zeit uͤber in einerley Waͤrme lie-
gen: welches wir aus der gemeinen Erfah-
rung lernen. Derowegen kan auch die
Sonne mit ihrem Scheine mehr erwaͤrmen,
wenn ſie nach einer kurtzen Nacht bald wie-
der kommet, als wenn ſie in einer langen
lange auſſen bleibet. Und alſo ſiehet man,
daß die kurtzen Naͤchte die Wuͤrckung der
Sonne befoͤrdern, hingegen die langen ihr
darinnen hinderlich ſeyn. Es traͤgt aber
auch nicht ein weniges zu Vermehrung der
Waͤrme bey uns bey, daß eben zu der Zeit,
wenn die Wuͤrckung der Sonne am ſtaͤrck-
ſten iſt, ihre Naͤchte am kuͤrtzeſten ſind.
§. 232. Wenn man dieſes alles, was
bisher (§. 227 & ſeqq.) ausgefuͤhret worden,
erweget: ſo wird man ſehen, wie die vier
Jahrs-Zeiten in dem Lauffe der Sonnen
gegruͤndet ſeyn. Jm Anfange des Fruͤh-
lings ſtehet die Sonne im Æquatore, als
welcher die Ecliptick im Anfange des Wid-
ders |durchſchneidet (§. 225 Phyſ. & §. 62. 64
Aſtron.) und von dar an ſteiget ſie von
Tage zu Tage immer weiter herauf gegen
den Tropicum Cancri, wo ſie im Anfan-
ge des Sommers die groͤſte Hoͤhe erreichet
(§. 225), auch nimmet der Tag beſtaͤndig
zu und die Nacht hingegen ab, bis im An-
fange des Sommers der laͤngſte Tag und
die kuͤrtzſte Nacht iſt (§. 51. Geogr.). De-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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