drate, deren Grösse soviel mahl verändert werden kan, daß wir es abermahl durch keine Zahl anzudeuten vermögend sind. Es fället uns unmöglich eine gewisse Zahl zube- stimmen, indem uns die Vergrösserungsglä- ser zeigen (§.82 & seqq. T. III. Exper.), daß wir immer mehrere wahrnehmen, je mehr wir eine Sache vergrössern und kein Ende finden können. Wenn wir nun a- ber in der Natur sagen sollen, ob in einem Raume zwey, drey, hundert Theile und so weiter anzutreffen sind, so müssen wir es durch den Unterscheid dessen, was wir in ihm würcklich wahrnehmen, oder, daß es da sey, ferner daraus erweisen können, ausmachen. Wer diesen Weg gehet, der nimmet nichts erdichtetes an und erkennet doch überall auf eine begreifliche Art den Reichthum der Natur als unergründlich im allerkleinesten. Endlich müssen wir auch nicht vergessen, daß der gantze Begriff von dem geometrischen Cörper, wie auch den Linien und Flächen, nichts anders als ein Bild ist welches die Einbildungs-Krafft ver- mittelst dessen erdichtet, was die Sinnen in der grösten Verwirrung vorstellen. So wenig nun etwas in der Natur demjenigen ähnliches würcklich vorhanden, was das Bild der rothen und grünen, oder einer an- deren Falle vorstellet; so wenig ist auch so etwas würckliches in der Natur, welches
dem
(Physick) B
und der Natur der Coͤrper.
drate, deren Groͤſſe ſoviel mahl veraͤndert werden kan, daß wir es abermahl durch keine Zahl anzudeuten vermoͤgend ſind. Es faͤllet uns unmoͤglich eine gewiſſe Zahl zube- ſtimmen, indem uns die Vergroͤſſerungsglaͤ- ſer zeigen (§.82 & ſeqq. T. III. Exper.), daß wir immer mehrere wahrnehmen, je mehr wir eine Sache vergroͤſſern und kein Ende finden koͤnnen. Wenn wir nun a- ber in der Natur ſagen ſollen, ob in einem Raume zwey, drey, hundert Theile und ſo weiter anzutreffen ſind, ſo muͤſſen wir es durch den Unterſcheid deſſen, was wir in ihm wuͤrcklich wahrnehmen, oder, daß es da ſey, ferner daraus erweiſen koͤnnen, ausmachen. Wer dieſen Weg gehet, der nimmet nichts erdichtetes an und erkennet doch uͤberall auf eine begreifliche Art den Reichthum der Natur als unergruͤndlich im allerkleineſten. Endlich muͤſſen wir auch nicht vergeſſen, daß der gantze Begriff von dem geometriſchen Coͤrper, wie auch den Linien und Flaͤchen, nichts anders als ein Bild iſt welches die Einbildungs-Krafft ver- mittelſt deſſen erdichtet, was die Sinnen in der groͤſten Verwirrung vorſtellen. So wenig nun etwas in der Natur demjenigen aͤhnliches wuͤrcklich vorhanden, was das Bild der rothen und gruͤnen, oder einer an- deren Falle vorſtellet; ſo wenig iſt auch ſo etwas wuͤrckliches in der Natur, welches
dem
(Phyſick) B
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[17/0053]
und der Natur der Coͤrper.
drate, deren Groͤſſe ſoviel mahl veraͤndert
werden kan, daß wir es abermahl durch
keine Zahl anzudeuten vermoͤgend ſind. Es
faͤllet uns unmoͤglich eine gewiſſe Zahl zube-
ſtimmen, indem uns die Vergroͤſſerungsglaͤ-
ſer zeigen (§.82 & ſeqq. T. III. Exper.),
daß wir immer mehrere wahrnehmen, je
mehr wir eine Sache vergroͤſſern und kein
Ende finden koͤnnen. Wenn wir nun a-
ber in der Natur ſagen ſollen, ob in einem
Raume zwey, drey, hundert Theile und ſo
weiter anzutreffen ſind, ſo muͤſſen wir es
durch den Unterſcheid deſſen, was wir in
ihm wuͤrcklich wahrnehmen, oder, daß
es da ſey, ferner daraus erweiſen koͤnnen,
ausmachen. Wer dieſen Weg gehet, der
nimmet nichts erdichtetes an und erkennet
doch uͤberall auf eine begreifliche Art den
Reichthum der Natur als unergruͤndlich im
allerkleineſten. Endlich muͤſſen wir auch
nicht vergeſſen, daß der gantze Begriff von
dem geometriſchen Coͤrper, wie auch den
Linien und Flaͤchen, nichts anders als ein
Bild iſt welches die Einbildungs-Krafft ver-
mittelſt deſſen erdichtet, was die Sinnen in
der groͤſten Verwirrung vorſtellen. So
wenig nun etwas in der Natur demjenigen
aͤhnliches wuͤrcklich vorhanden, was das
Bild der rothen und gruͤnen, oder einer an-
deren Falle vorſtellet; ſo wenig iſt auch ſo
etwas wuͤrckliches in der Natur, welches
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/53>, abgerufen am 24.11.2024.
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