hellet, ob sich die Lufft in die Lunge mit dem Blute vermischet, oder nicht. Dergleichen hat der berühmte Wittten- bergische Medicus Herr Berger(a) angestellet und gefunden, daß, wenn man in einen Aast der Lufft-Röhre eines Hun- des oder anderen Thieres bläset, oder auch warmes Wasser hinein spritzet und eine Weile damit anhält, solches allezeit mit Schaume durch die Lungen-Blut-Ader zu- rücke kommet, unerachtet die Lunge gantz un- beweglich ist, noch von einer äusseren Gewalt gedruckt wird. Wenn man hingegen das Wasser in die Lungen-Puls-Ader spritzet, so hat er ebenfalls erfahren, daß es durch den Aast der Lufft-Röhre heraus kommet. Es ist demnach aus diesem Versuche klar, daß sowohl aus den Puls-Adern der Lunge ein Weg in die Aeste der Lufft-Röhren und hin- gegen wiederumb aus diesen einer in die Blut-Adern der Lunge vorhanden seyn muß. Er erinnert auch selbst, daß schon Sylvius, Swammerdam und Truston diese Versuche angestellet. Nun ist wohl wahr, daß viele darauf nicht sehen wollen: allein wir fragen nichts darnach, ob einige eine Wahrheit verwerffen, oder, wenn es ihnen gefället, auch gar verachten und schelten, woferne wir sie nur gegründet befinden. Jch
meine
(a)lib. 1. de natura humana c. 4. p. 47
Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung
hellet, ob ſich die Lufft in die Lunge mit dem Blute vermiſchet, oder nicht. Dergleichen hat der beruͤhmte Wittten- bergiſche Medicus Herr Berger(a) angeſtellet und gefunden, daß, wenn man in einen Aaſt der Lufft-Roͤhre eines Hun- des oder anderen Thieres blaͤſet, oder auch warmes Waſſer hinein ſpritzet und eine Weile damit anhaͤlt, ſolches allezeit mit Schaume durch die Lungen-Blut-Ader zu- ruͤcke kom̃et, unerachtet die Lunge gantz un- beweglich iſt, noch von einer aͤuſſeren Gewalt gedruckt wird. Wenn man hingegen das Waſſer in die Lungen-Puls-Ader ſpritzet, ſo hat er ebenfalls erfahren, daß es durch den Aaſt der Lufft-Roͤhre heraus kommet. Es iſt demnach aus dieſem Verſuche klar, daß ſowohl aus den Puls-Adern der Lunge ein Weg in die Aeſte der Lufft-Roͤhren und hin- gegen wiederumb aus dieſen einer in die Blut-Adern der Lunge vorhanden ſeyn muß. Er erinnert auch ſelbſt, daß ſchon Sylvius, Swammerdam und Truſton dieſe Verſuche angeſtellet. Nun iſt wohl wahr, daß viele darauf nicht ſehen wollen: allein wir fragen nichts darnach, ob einige eine Wahrheit verwerffen, oder, wenn es ihnen gefaͤllet, auch gar verachten und ſchelten, woferne wir ſie nur gegruͤndet befinden. Jch
meine
(a)lib. 1. de natura humana c. 4. p. 47
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Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung
hellet, ob ſich die Lufft in die Lunge
mit dem Blute vermiſchet, oder nicht.
Dergleichen hat der beruͤhmte Wittten-
bergiſche Medicus Herr Berger (a)
angeſtellet und gefunden, daß, wenn man
in einen Aaſt der Lufft-Roͤhre eines Hun-
des oder anderen Thieres blaͤſet, oder auch
warmes Waſſer hinein ſpritzet und eine
Weile damit anhaͤlt, ſolches allezeit mit
Schaume durch die Lungen-Blut-Ader zu-
ruͤcke kom̃et, unerachtet die Lunge gantz un-
beweglich iſt, noch von einer aͤuſſeren Gewalt
gedruckt wird. Wenn man hingegen das
Waſſer in die Lungen-Puls-Ader ſpritzet,
ſo hat er ebenfalls erfahren, daß es durch den
Aaſt der Lufft-Roͤhre heraus kommet. Es
iſt demnach aus dieſem Verſuche klar, daß
ſowohl aus den Puls-Adern der Lunge ein
Weg in die Aeſte der Lufft-Roͤhren und hin-
gegen wiederumb aus dieſen einer in die
Blut-Adern der Lunge vorhanden ſeyn
muß. Er erinnert auch ſelbſt, daß ſchon
Sylvius, Swammerdam und Truſton dieſe
Verſuche angeſtellet. Nun iſt wohl wahr,
daß viele darauf nicht ſehen wollen: allein
wir fragen nichts darnach, ob einige eine
Wahrheit verwerffen, oder, wenn es ihnen
gefaͤllet, auch gar verachten und ſchelten,
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(a) lib. 1. de natura humana c. 4. p. 47
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/708>, abgerufen am 17.06.2024.
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