Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.und der Natur der Cörper. über ein strenges Leben geführet. Dennim Anfange der Fasten war er 116 Pfund und eine Untze; zu Ende derselben oder am Oster Sonnabende aber nur 107 Pfund 12 Untzen schweer, und hatte demnach in- nerhalb 46 Tagen 8 Pfund 5 Untzen von der eigenthümlichen Materie seines Leibes verlohren. Er hatte die Fasten über An- fangs bloß Zugemüsse des Abends um 7 Uhr gegessen und gegen das Ende nichts als Brodt und Wasser genossen. Als er aber auf Ostern wieder ordentlich, wie er sonst gewohnet war, Speise und Tranck zu sich nahm, wurde er in 4 Tagen gleich wieder 4 Pfund schweerer und erlangte demnach in 9 Tagen wieder, was er in 46 Tagen verlohren hatte. Man siehet hier- aus augenscheinlich, daß der Mensch täg- lich etwas von seiner eigenthümlichen Ma- terie verlieret und diese hingegen wiederum durch Speise und Tranck ersetzet wird. Nun ist gewiß, daß Materie, welche ver- schwindet und davon man keine Spur er- blicken kan, wo sie hinkommen ist, dennoch nicht zu nichts wird, sondern sich bloß durch die Lufft zertheilet (§. 85. T. II. Ex- per.) und demnach erhellet, daß die Mate- rie, welche Fleisch und Blut im Menschen war, in der Lufft verstäubet. Pflantzen und was nur aus der Erde wächset bekom- met seine Nahrung von dem Thaue des Him-
und der Natur der Coͤrper. uͤber ein ſtrenges Leben gefuͤhret. Dennim Anfange der Faſten war er 116 Pfund und eine Untze; zu Ende derſelben oder am Oſter Sonnabende aber nur 107 Pfund 12 Untzen ſchweer, und hatte demnach in- nerhalb 46 Tagen 8 Pfund 5 Untzen von der eigenthuͤmlichen Materie ſeines Leibes verlohren. Er hatte die Faſten uͤber An- fangs bloß Zugemuͤſſe des Abends um 7 Uhr gegeſſen und gegen das Ende nichts als Brodt und Waſſer genoſſen. Als er aber auf Oſtern wieder ordentlich, wie er ſonſt gewohnet war, Speiſe und Tranck zu ſich nahm, wurde er in 4 Tagen gleich wieder 4 Pfund ſchweerer und erlangte demnach in 9 Tagen wieder, was er in 46 Tagen verlohren hatte. Man ſiehet hier- aus augenſcheinlich, daß der Menſch taͤg- lich etwas von ſeiner eigenthuͤmlichen Ma- terie verlieret und dieſe hingegen wiederum durch Speiſe und Tranck erſetzet wird. Nun iſt gewiß, daß Materie, welche ver- ſchwindet und davon man keine Spur er- blicken kan, wo ſie hinkommen iſt, dennoch nicht zu nichts wird, ſondern ſich bloß durch die Lufft zertheilet (§. 85. T. II. Ex- per.) und demnach erhellet, daß die Mate- rie, welche Fleiſch und Blut im Menſchen war, in der Lufft verſtaͤubet. Pflantzen und was nur aus der Erde waͤchſet bekom- met ſeine Nahrung von dem Thaue des Him-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0081" n="45"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und der Natur der Coͤrper.</hi></fw><lb/> uͤber ein ſtrenges Leben gefuͤhret. Denn<lb/> im Anfange der Faſten war er 116 Pfund<lb/> und eine Untze; zu Ende derſelben oder am<lb/> Oſter Sonnabende aber nur 107 Pfund<lb/> 12 Untzen ſchweer, und hatte demnach in-<lb/> nerhalb 46 Tagen 8 Pfund 5 Untzen von<lb/> der eigenthuͤmlichen Materie ſeines Leibes<lb/> verlohren. Er hatte die Faſten uͤber An-<lb/> fangs bloß Zugemuͤſſe des Abends um 7<lb/> Uhr gegeſſen und gegen das Ende nichts<lb/> als Brodt und Waſſer genoſſen. Als er<lb/> aber auf Oſtern wieder ordentlich, wie er<lb/> ſonſt gewohnet war, Speiſe und Tranck<lb/> zu ſich nahm, wurde er in 4 Tagen gleich<lb/> wieder 4 Pfund ſchweerer und erlangte<lb/> demnach in 9 Tagen wieder, was er in 46<lb/> Tagen verlohren hatte. Man ſiehet hier-<lb/> aus augenſcheinlich, daß der Menſch taͤg-<lb/> lich etwas von ſeiner eigenthuͤmlichen Ma-<lb/> terie verlieret und dieſe hingegen wiederum<lb/> durch Speiſe und Tranck erſetzet wird.<lb/> Nun iſt gewiß, daß Materie, welche ver-<lb/> ſchwindet und davon man keine Spur er-<lb/> blicken kan, wo ſie hinkommen iſt, dennoch<lb/> nicht zu nichts wird, ſondern ſich bloß<lb/> durch die Lufft zertheilet (§. 85. <hi rendition="#aq">T. II. Ex-<lb/> per.</hi>) und demnach erhellet, daß die Mate-<lb/> rie, welche Fleiſch und Blut im Menſchen<lb/> war, in der Lufft verſtaͤubet. Pflantzen<lb/> und was nur aus der Erde waͤchſet bekom-<lb/> met ſeine Nahrung von dem Thaue des<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Him-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0081]
und der Natur der Coͤrper.
uͤber ein ſtrenges Leben gefuͤhret. Denn
im Anfange der Faſten war er 116 Pfund
und eine Untze; zu Ende derſelben oder am
Oſter Sonnabende aber nur 107 Pfund
12 Untzen ſchweer, und hatte demnach in-
nerhalb 46 Tagen 8 Pfund 5 Untzen von
der eigenthuͤmlichen Materie ſeines Leibes
verlohren. Er hatte die Faſten uͤber An-
fangs bloß Zugemuͤſſe des Abends um 7
Uhr gegeſſen und gegen das Ende nichts
als Brodt und Waſſer genoſſen. Als er
aber auf Oſtern wieder ordentlich, wie er
ſonſt gewohnet war, Speiſe und Tranck
zu ſich nahm, wurde er in 4 Tagen gleich
wieder 4 Pfund ſchweerer und erlangte
demnach in 9 Tagen wieder, was er in 46
Tagen verlohren hatte. Man ſiehet hier-
aus augenſcheinlich, daß der Menſch taͤg-
lich etwas von ſeiner eigenthuͤmlichen Ma-
terie verlieret und dieſe hingegen wiederum
durch Speiſe und Tranck erſetzet wird.
Nun iſt gewiß, daß Materie, welche ver-
ſchwindet und davon man keine Spur er-
blicken kan, wo ſie hinkommen iſt, dennoch
nicht zu nichts wird, ſondern ſich bloß
durch die Lufft zertheilet (§. 85. T. II. Ex-
per.) und demnach erhellet, daß die Mate-
rie, welche Fleiſch und Blut im Menſchen
war, in der Lufft verſtaͤubet. Pflantzen
und was nur aus der Erde waͤchſet bekom-
met ſeine Nahrung von dem Thaue des
Him-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |