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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Helden- und Liebesgeschichten. Aber die fremde Form pwo_110.002
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dürfen uns besonders an Grimmelshausens "Simplicissimus" erinnern, pwo_110.004
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erreicht, indem er eine an bunten Abenteuern reiche Periode des pwo_110.006
nationalen Lebens, den dreißigjährigen Krieg, darstellt. Mehr äußerlich pwo_110.007
auf einen Stoff der deutschen Vergangenheit wandte den Stil der pwo_110.008
Staats-, Liebes- und Heldengeschichte Lohensteins "Arminius". pwo_110.009
Deutschland zeitigt auch eine Travestie des Abenteuer-, Schelmen- pwo_110.010
und Reiseromans in Christian Reuters "Schelmuffsky".

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Jndessen blieb die deutsche Dichtung nicht ausschließlich auf diese pwo_110.012
fremden Pfropfreiser angewiesen, setzte vielmehr eigene, organische pwo_110.013
Triebe der Prosaerzählung an. Noch einmal durfte - ein herrliches pwo_110.014
Zeugnis für den selbstwachsenden und jugendfrischen Geist unseres pwo_110.015
Volkes - die deutsche Dichtung aus dem Urquell echt epischer Kunst pwo_110.016
schöpfen: eine neue Sagenbildung setzt ein, und eine neue Volksdichtung pwo_110.017
entsteht. Wie der Roman das Kennzeichen seines fremden pwo_110.018
Ursprungs schon im Namen trägt, so bezeichnen die Volksbücher pwo_110.019
ihre Herkunft aus der Mitte unseres eigenes Volkes, desjenigen Volkes, pwo_110.020
dessen Name (deutsch aus diutisk) selbst schon nichts anderes pwo_110.021
bedeutet als die Zusammenfassung des zum Volke Gehörigen. Von pwo_110.022
Till Eulenspiegel, von Faust, auf allgemeinerem Boden vom Ewigen pwo_110.023
Juden, von den Schildbürgern liefen thatsächlich zahlreiche einzelne pwo_110.024
Sagen um, die nach einer gewissen Zeit unter Ausführung, Ergänzung pwo_110.025
und Aufschwemmung durch schriftliche bezw. gedruckte Hilfsquellen pwo_110.026
zur litterarisch zusammenfassenden und einheitlich komponierenden pwo_110.027
Behandlung gelangten. Das Episodenhafte lose aneinandergereihter pwo_110.028
Einzelabenteuer tritt auch hier hervor. Der Stil bleibt aber pwo_110.029
schlicht und strebt nach Wirklichkeitsechtheit.

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Dieser gesunde Wirklichkeitssinn, diese schlichte, behagliche Versenkung pwo_110.031
in das bürgerliche Leben offenbart sich auch hier als Eigenart pwo_110.032
der germanischen Völker - man gedenke auch der niederländischen pwo_110.033
Genremalerei -, während der romanische Geist zunächst auf das pwo_110.034
Lebhafte, Phantastische, Fernliegende, Glänzende, Konventionell-Ritterliche pwo_110.035
geht. Das Eingreifen des germanischen Geistes in die Entwicklung pwo_110.036
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Helden- und Liebesgeschichten. Aber die fremde Form pwo_110.002
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  Jndessen blieb die deutsche Dichtung nicht ausschließlich auf diese pwo_110.012
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der germanischen Völker – man gedenke auch der niederländischen pwo_110.033
Genremalerei –, während der romanische Geist zunächst auf das pwo_110.034
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[110/0124] pwo_110.001 Helden- und Liebesgeschichten. Aber die fremde Form pwo_110.002 wird doch schließlich auch von heimischem Leben durchdrungen: wir pwo_110.003 dürfen uns besonders an Grimmelshausens „Simplicissimus“ erinnern, pwo_110.004 welcher eine Art Harmonie zwischen Abenteuerlichkeit und Wirklichkeit pwo_110.005 erreicht, indem er eine an bunten Abenteuern reiche Periode des pwo_110.006 nationalen Lebens, den dreißigjährigen Krieg, darstellt. Mehr äußerlich pwo_110.007 auf einen Stoff der deutschen Vergangenheit wandte den Stil der pwo_110.008 Staats-, Liebes- und Heldengeschichte Lohensteins „Arminius“. pwo_110.009 Deutschland zeitigt auch eine Travestie des Abenteuer-, Schelmen- pwo_110.010 und Reiseromans in Christian Reuters „Schelmuffsky“. pwo_110.011   Jndessen blieb die deutsche Dichtung nicht ausschließlich auf diese pwo_110.012 fremden Pfropfreiser angewiesen, setzte vielmehr eigene, organische pwo_110.013 Triebe der Prosaerzählung an. Noch einmal durfte – ein herrliches pwo_110.014 Zeugnis für den selbstwachsenden und jugendfrischen Geist unseres pwo_110.015 Volkes – die deutsche Dichtung aus dem Urquell echt epischer Kunst pwo_110.016 schöpfen: eine neue Sagenbildung setzt ein, und eine neue Volksdichtung pwo_110.017 entsteht. Wie der Roman das Kennzeichen seines fremden pwo_110.018 Ursprungs schon im Namen trägt, so bezeichnen die Volksbücher pwo_110.019 ihre Herkunft aus der Mitte unseres eigenes Volkes, desjenigen Volkes, pwo_110.020 dessen Name (deutsch aus diutisk) selbst schon nichts anderes pwo_110.021 bedeutet als die Zusammenfassung des zum Volke Gehörigen. Von pwo_110.022 Till Eulenspiegel, von Faust, auf allgemeinerem Boden vom Ewigen pwo_110.023 Juden, von den Schildbürgern liefen thatsächlich zahlreiche einzelne pwo_110.024 Sagen um, die nach einer gewissen Zeit unter Ausführung, Ergänzung pwo_110.025 und Aufschwemmung durch schriftliche bezw. gedruckte Hilfsquellen pwo_110.026 zur litterarisch zusammenfassenden und einheitlich komponierenden pwo_110.027 Behandlung gelangten. Das Episodenhafte lose aneinandergereihter pwo_110.028 Einzelabenteuer tritt auch hier hervor. Der Stil bleibt aber pwo_110.029 schlicht und strebt nach Wirklichkeitsechtheit. pwo_110.030   Dieser gesunde Wirklichkeitssinn, diese schlichte, behagliche Versenkung pwo_110.031 in das bürgerliche Leben offenbart sich auch hier als Eigenart pwo_110.032 der germanischen Völker – man gedenke auch der niederländischen pwo_110.033 Genremalerei –, während der romanische Geist zunächst auf das pwo_110.034 Lebhafte, Phantastische, Fernliegende, Glänzende, Konventionell-Ritterliche pwo_110.035 geht. Das Eingreifen des germanischen Geistes in die Entwicklung pwo_110.036 des Romans bekundet sich demgemäß in Schöpfung des reali=

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/124>, abgerufen am 23.11.2024.