Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_137.001 So fest in den Bezirk gebannt, pwo_137.002 pwo_137.006Daß sie dem Tode gleich erlagen, pwo_137.003 Verließen sie den schatt'gen Wald, pwo_137.004 Müßt' ich auch sterben alsobald, pwo_137.005 Könnt' ich der treu'sten Lieb' entfliehn." Ein Kuß vom Munde seiner Schönen entlockt Bernart von Ventadour pwo_137.007 "Nie dacht' ich, daß mich der Genuß pwo_137.009 pwo_137.016Des schönen Mundes brächt' in Not, pwo_137.010 Doch küssend gab er mir den Tod, pwo_137.011 Wo nicht mich heilt ein zweiter Kuß: pwo_137.012 So ist er, da dies ihm eigen, pwo_137.013 Peleus Lanze zu vergleichen, pwo_137.014 Von der ein Stich nur dann genesen ließ, pwo_137.015 Wenn man sie nochmals in die Wunde stieß." Ob all die so in der provenzalischen Lyrik auftauchenden Gestalten in pwo_137.017 Wie durch solche Zeugnisse ein Zusammenhang mit der epischen pwo_137.024 Jnnerlich bekundet sich der Zusammenhang mit ursprünglicher pwo_137.036 pwo_137.001 So fest in den Bezirk gebannt, pwo_137.002 pwo_137.006Daß sie dem Tode gleich erlagen, pwo_137.003 Verließen sie den schatt'gen Wald, pwo_137.004 Müßt' ich auch sterben alsobald, pwo_137.005 Könnt' ich der treu'sten Lieb' entfliehn.“ Ein Kuß vom Munde seiner Schönen entlockt Bernart von Ventadour pwo_137.007 „Nie dacht' ich, daß mich der Genuß pwo_137.009 pwo_137.016Des schönen Mundes brächt' in Not, pwo_137.010 Doch küssend gab er mir den Tod, pwo_137.011 Wo nicht mich heilt ein zweiter Kuß: pwo_137.012 So ist er, da dies ihm eigen, pwo_137.013 Peleus Lanze zu vergleichen, pwo_137.014 Von der ein Stich nur dann genesen ließ, pwo_137.015 Wenn man sie nochmals in die Wunde stieß.“ Ob all die so in der provenzalischen Lyrik auftauchenden Gestalten in pwo_137.017 Wie durch solche Zeugnisse ein Zusammenhang mit der epischen pwo_137.024 Jnnerlich bekundet sich der Zusammenhang mit ursprünglicher pwo_137.036 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0151" n="137"/> <lb n="pwo_137.001"/> <lg> <l>So fest in den Bezirk gebannt,</l> <lb n="pwo_137.002"/> <l>Daß sie dem Tode gleich erlagen,</l> <lb n="pwo_137.003"/> <l>Verließen sie den schatt'gen Wald,</l> <lb n="pwo_137.004"/> <l>Müßt' ich auch sterben alsobald,</l> <lb n="pwo_137.005"/> <l>Könnt' ich der treu'sten Lieb' entfliehn.“</l> </lg> <lb n="pwo_137.006"/> <p>Ein Kuß vom Munde seiner Schönen entlockt Bernart von Ventadour <lb n="pwo_137.007"/> die geistreiche Wendung:</p> <lb n="pwo_137.008"/> <lg> <l>„Nie dacht' ich, daß mich der Genuß</l> <lb n="pwo_137.009"/> <l>Des schönen Mundes brächt' in Not,</l> <lb n="pwo_137.010"/> <l>Doch küssend gab er mir den Tod,</l> <lb n="pwo_137.011"/> <l>Wo nicht mich heilt ein zweiter Kuß:</l> <lb n="pwo_137.012"/> <l>So ist er, da dies ihm eigen,</l> <lb n="pwo_137.013"/> <l>Peleus Lanze zu vergleichen,</l> <lb n="pwo_137.014"/> <l>Von der ein Stich nur dann genesen ließ,</l> <lb n="pwo_137.015"/> <l>Wenn man sie nochmals in die Wunde stieß.“</l> </lg> <lb n="pwo_137.016"/> <p>Ob all die so in der provenzalischen Lyrik auftauchenden Gestalten in <lb n="pwo_137.017"/> der <hi rendition="#aq">langue d'oc</hi> selbst Behandlung gefunden oder die Berufungen <lb n="pwo_137.018"/> sich zum teil auf nordfranzösische Quellen stützen, mag dahingestellt <lb n="pwo_137.019"/> bleiben. Jmmerhin legt auch der Hinweis unseres Wolfram von <lb n="pwo_137.020"/> Eschenbach auf den Provenzalen Guiot als – sei es selbst unmittelbare <lb n="pwo_137.021"/> – Quelle für seinen Parzival die Erwägung nahe, die epische <lb n="pwo_137.022"/> Thätigkeit der Provenzalen nicht gering zu achten.</p> <lb n="pwo_137.023"/> <p> Wie durch solche Zeugnisse ein Zusammenhang mit der epischen <lb n="pwo_137.024"/> Dichtung zunächst äußerlich belegt wird, läßt sich auch die Priorität <lb n="pwo_137.025"/> <hi rendition="#g">vorlitterarischer</hi> Weisen aus der Troubadourdichtung erschließen. <lb n="pwo_137.026"/> An dem Unterschied zwischen Vers und Kanzone tritt hervor, daß der <lb n="pwo_137.027"/> Vers sich an die einfache Form einer früheren primitiveren Lyrik anschließt. <lb n="pwo_137.028"/> Der Vers bestand aus Kurzzeilen von meist nur vier Hebungen <lb n="pwo_137.029"/> und in der Regel männlichem Reim sowie gedehnter Melodie. <lb n="pwo_137.030"/> Jn den Gesängen der ältesten Troubadours herrscht diese einfache <lb n="pwo_137.031"/> Form noch vor; auch wird es ausdrücklich als Kennzeichen des Alters <lb n="pwo_137.032"/> hervorgehoben, daß einem Troubadour die Kanzone noch unbekannt <lb n="pwo_137.033"/> gewesen. Schließlich hat sich jener viermal gehobene jambische Vers <lb n="pwo_137.034"/> in dem volkstümlichen Fabliau erhalten.</p> <lb n="pwo_137.035"/> <p> Jnnerlich bekundet sich der Zusammenhang mit ursprünglicher <lb n="pwo_137.036"/> Lyrik, namentlich mit dem religiösen Lied, durch Uebernahme des <lb n="pwo_137.037"/> <hi rendition="#g">Refräns.</hi> Daß gerade Balladen und andere Tanzlieder ihn begünstigen, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0151]
pwo_137.001
So fest in den Bezirk gebannt, pwo_137.002
Daß sie dem Tode gleich erlagen, pwo_137.003
Verließen sie den schatt'gen Wald, pwo_137.004
Müßt' ich auch sterben alsobald, pwo_137.005
Könnt' ich der treu'sten Lieb' entfliehn.“
pwo_137.006
Ein Kuß vom Munde seiner Schönen entlockt Bernart von Ventadour pwo_137.007
die geistreiche Wendung:
pwo_137.008
„Nie dacht' ich, daß mich der Genuß pwo_137.009
Des schönen Mundes brächt' in Not, pwo_137.010
Doch küssend gab er mir den Tod, pwo_137.011
Wo nicht mich heilt ein zweiter Kuß: pwo_137.012
So ist er, da dies ihm eigen, pwo_137.013
Peleus Lanze zu vergleichen, pwo_137.014
Von der ein Stich nur dann genesen ließ, pwo_137.015
Wenn man sie nochmals in die Wunde stieß.“
pwo_137.016
Ob all die so in der provenzalischen Lyrik auftauchenden Gestalten in pwo_137.017
der langue d'oc selbst Behandlung gefunden oder die Berufungen pwo_137.018
sich zum teil auf nordfranzösische Quellen stützen, mag dahingestellt pwo_137.019
bleiben. Jmmerhin legt auch der Hinweis unseres Wolfram von pwo_137.020
Eschenbach auf den Provenzalen Guiot als – sei es selbst unmittelbare pwo_137.021
– Quelle für seinen Parzival die Erwägung nahe, die epische pwo_137.022
Thätigkeit der Provenzalen nicht gering zu achten.
pwo_137.023
Wie durch solche Zeugnisse ein Zusammenhang mit der epischen pwo_137.024
Dichtung zunächst äußerlich belegt wird, läßt sich auch die Priorität pwo_137.025
vorlitterarischer Weisen aus der Troubadourdichtung erschließen. pwo_137.026
An dem Unterschied zwischen Vers und Kanzone tritt hervor, daß der pwo_137.027
Vers sich an die einfache Form einer früheren primitiveren Lyrik anschließt. pwo_137.028
Der Vers bestand aus Kurzzeilen von meist nur vier Hebungen pwo_137.029
und in der Regel männlichem Reim sowie gedehnter Melodie. pwo_137.030
Jn den Gesängen der ältesten Troubadours herrscht diese einfache pwo_137.031
Form noch vor; auch wird es ausdrücklich als Kennzeichen des Alters pwo_137.032
hervorgehoben, daß einem Troubadour die Kanzone noch unbekannt pwo_137.033
gewesen. Schließlich hat sich jener viermal gehobene jambische Vers pwo_137.034
in dem volkstümlichen Fabliau erhalten.
pwo_137.035
Jnnerlich bekundet sich der Zusammenhang mit ursprünglicher pwo_137.036
Lyrik, namentlich mit dem religiösen Lied, durch Uebernahme des pwo_137.037
Refräns. Daß gerade Balladen und andere Tanzlieder ihn begünstigen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |