Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_140.001 So stellt sich fast von selbst die Vorstellung dieser Liebe als pwo_140.004 "Jch, Herrin, bin eu'r Unterthan, pwo_140.006 pwo_140.008Für immer eurem Dienst geweiht, pwo_140.007 Eu'r Unterthan durch Wort und Eid." Wie in heroischen Bildern schwelgt der Dichter auch in Vergleichen pwo_140.009 Durchgehend kommt auch die Liebe selbst als Allegorie zur Verwendung. pwo_140.018pwo_140.019 "Die Liebe trifft uns leicht mit ihrer Lanze, pwo_140.020 pwo_140.025Sie ist ein Geist und treibt ein feines Spiel ... pwo_140.021 Sie überwältigt und besiegt sie alle, pwo_140.022 Die sie erkoren, ihrem Zweck zu dienen, pwo_140.023 Doch um so größre Leiden schafft sie ihnen, pwo_140.024 Da sie verlangt, daß uns ihr Schmerz gefalle ..." Wie solcher Art Liebe fast immer unerhört blieb, herrscht klagende pwo_140.026 "Krank bin ich, fühle Todeswehn, pwo_140.028 pwo_140.030Kann kaum noch, was man spricht, verstehn, pwo_140.029 Such' einen Arzt und weiß nicht wen" etc. Am meisten frische, natürliche Leidenschaft atmet noch das Tagelied, pwo_140.031 pwo_140.001 So stellt sich fast von selbst die Vorstellung dieser Liebe als pwo_140.004 „Jch, Herrin, bin eu'r Unterthan, pwo_140.006 pwo_140.008Für immer eurem Dienst geweiht, pwo_140.007 Eu'r Unterthan durch Wort und Eid.“ Wie in heroischen Bildern schwelgt der Dichter auch in Vergleichen pwo_140.009 Durchgehend kommt auch die Liebe selbst als Allegorie zur Verwendung. pwo_140.018pwo_140.019 „Die Liebe trifft uns leicht mit ihrer Lanze, pwo_140.020 pwo_140.025Sie ist ein Geist und treibt ein feines Spiel ... pwo_140.021 Sie überwältigt und besiegt sie alle, pwo_140.022 Die sie erkoren, ihrem Zweck zu dienen, pwo_140.023 Doch um so größre Leiden schafft sie ihnen, pwo_140.024 Da sie verlangt, daß uns ihr Schmerz gefalle ...“ Wie solcher Art Liebe fast immer unerhört blieb, herrscht klagende pwo_140.026 „Krank bin ich, fühle Todeswehn, pwo_140.028 pwo_140.030Kann kaum noch, was man spricht, verstehn, pwo_140.029 Such' einen Arzt und weiß nicht wen“ etc. Am meisten frische, natürliche Leidenschaft atmet noch das Tagelied, pwo_140.031 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0154" n="140"/><lb n="pwo_140.001"/> hochgestellten Gönners, in dessen Schloß der Sänger verweilt hat, <lb n="pwo_140.002"/> meist überhaupt um eine Anverwandte desselben.</p> <lb n="pwo_140.003"/> <p> So stellt sich fast von selbst die Vorstellung dieser Liebe als <lb n="pwo_140.004"/> <hi rendition="#g">Lehnsverhältnis</hi> ein.</p> <lb n="pwo_140.005"/> <lg> <l>„Jch, Herrin, bin eu'r Unterthan,</l> <lb n="pwo_140.006"/> <l>Für immer eurem Dienst geweiht,</l> <lb n="pwo_140.007"/> <l>Eu'r Unterthan durch Wort und Eid.“</l> </lg> <lb n="pwo_140.008"/> <p>Wie in heroischen Bildern schwelgt der Dichter auch in Vergleichen <lb n="pwo_140.009"/> mit der göttlichen Sphäre zur Verherrlichung der Auserkorenen. <lb n="pwo_140.010"/> Aehnlich ergeben sich aus den Voraussetzungen dieser poetischen Liebe <lb n="pwo_140.011"/> eine Reihe weiterer konventionellen Eigenschaften, wie Verschweigen <lb n="pwo_140.012"/> des Namens der Geliebten. Um aber – durch den Boten, dem <lb n="pwo_140.013"/> man das Lied auftrug – ihr, der Besungenen, unter Umständen auch <lb n="pwo_140.014"/> einem beschränkten Kreise, in dem sie ihr Lob gern ertönen hörte, <lb n="pwo_140.015"/> verständlich zu werden, bediente sich der Sänger oft <hi rendition="#g">allegorischer</hi> <lb n="pwo_140.016"/> Andeutung.</p> <lb n="pwo_140.017"/> <p> Durchgehend kommt auch die Liebe selbst als Allegorie zur Verwendung.</p> <lb n="pwo_140.018"/> <lb n="pwo_140.019"/> <lg> <l>„Die Liebe trifft uns leicht mit ihrer Lanze,</l> <lb n="pwo_140.020"/> <l>Sie ist ein Geist und treibt ein feines Spiel ...</l> <lb n="pwo_140.021"/> <l>Sie überwältigt und besiegt sie alle,</l> <lb n="pwo_140.022"/> <l>Die sie erkoren, ihrem Zweck zu dienen,</l> <lb n="pwo_140.023"/> <l>Doch um so größre Leiden schafft sie ihnen,</l> <lb n="pwo_140.024"/> <l>Da sie verlangt, daß uns ihr Schmerz gefalle ...“</l> </lg> <lb n="pwo_140.025"/> <p>Wie solcher Art Liebe fast immer unerhört blieb, herrscht klagende <lb n="pwo_140.026"/> Sehnsucht vor. Ja, direkt als Krankheit wird die Liebe empfunden:</p> <lb n="pwo_140.027"/> <lg> <l>„Krank bin ich, fühle Todeswehn,</l> <lb n="pwo_140.028"/> <l>Kann kaum noch, was man spricht, verstehn,</l> <lb n="pwo_140.029"/> <l>Such' einen Arzt und weiß nicht wen“ etc.</l> </lg> <lb n="pwo_140.030"/> <p> Am meisten frische, natürliche Leidenschaft atmet noch das Tagelied, <lb n="pwo_140.031"/> oder genauer <hi rendition="#aq">alba</hi> d. i. (Lied vom) Morgenrot, Tagesanbruch: <lb n="pwo_140.032"/> Die Liebenden beklagen die hereinbrechende Scheidestunde; schon giebt <lb n="pwo_140.033"/> der Wächter, der im Einverständnis mit den Liebenden steht, ein <lb n="pwo_140.034"/> Warnungszeichen; oder die bösen Neider und Hüter sind zu täuschen. <lb n="pwo_140.035"/> Soweit bleibt die äußere Situation durchaus konventionell, aber in <lb n="pwo_140.036"/> dieser Form hat doch südliche Leidenschaft eine – gleichfalls elegische </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0154]
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hochgestellten Gönners, in dessen Schloß der Sänger verweilt hat, pwo_140.002
meist überhaupt um eine Anverwandte desselben.
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So stellt sich fast von selbst die Vorstellung dieser Liebe als pwo_140.004
Lehnsverhältnis ein.
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„Jch, Herrin, bin eu'r Unterthan, pwo_140.006
Für immer eurem Dienst geweiht, pwo_140.007
Eu'r Unterthan durch Wort und Eid.“
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Wie in heroischen Bildern schwelgt der Dichter auch in Vergleichen pwo_140.009
mit der göttlichen Sphäre zur Verherrlichung der Auserkorenen. pwo_140.010
Aehnlich ergeben sich aus den Voraussetzungen dieser poetischen Liebe pwo_140.011
eine Reihe weiterer konventionellen Eigenschaften, wie Verschweigen pwo_140.012
des Namens der Geliebten. Um aber – durch den Boten, dem pwo_140.013
man das Lied auftrug – ihr, der Besungenen, unter Umständen auch pwo_140.014
einem beschränkten Kreise, in dem sie ihr Lob gern ertönen hörte, pwo_140.015
verständlich zu werden, bediente sich der Sänger oft allegorischer pwo_140.016
Andeutung.
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Durchgehend kommt auch die Liebe selbst als Allegorie zur Verwendung.
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„Die Liebe trifft uns leicht mit ihrer Lanze, pwo_140.020
Sie ist ein Geist und treibt ein feines Spiel ... pwo_140.021
Sie überwältigt und besiegt sie alle, pwo_140.022
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Doch um so größre Leiden schafft sie ihnen, pwo_140.024
Da sie verlangt, daß uns ihr Schmerz gefalle ...“
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Wie solcher Art Liebe fast immer unerhört blieb, herrscht klagende pwo_140.026
Sehnsucht vor. Ja, direkt als Krankheit wird die Liebe empfunden:
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„Krank bin ich, fühle Todeswehn, pwo_140.028
Kann kaum noch, was man spricht, verstehn, pwo_140.029
Such' einen Arzt und weiß nicht wen“ etc.
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Am meisten frische, natürliche Leidenschaft atmet noch das Tagelied, pwo_140.031
oder genauer alba d. i. (Lied vom) Morgenrot, Tagesanbruch: pwo_140.032
Die Liebenden beklagen die hereinbrechende Scheidestunde; schon giebt pwo_140.033
der Wächter, der im Einverständnis mit den Liebenden steht, ein pwo_140.034
Warnungszeichen; oder die bösen Neider und Hüter sind zu täuschen. pwo_140.035
Soweit bleibt die äußere Situation durchaus konventionell, aber in pwo_140.036
dieser Form hat doch südliche Leidenschaft eine – gleichfalls elegische
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Zitationshilfe: | Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/154>, abgerufen am 16.02.2025. |