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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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und ist er nau so friunde bar, pwo_156.002
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Der religiöse Leich wie der einstrophige Spruch und das aus pwo_156.005
gleichförmigen Strophen zusammengesetzte Lied, soweit es religiösen pwo_156.006
Jnhalts, pflegten in der Blütezeit der Ritterdichtung außer dem der pwo_156.007
Minnedichtung angenäherten poetischen Marienkultus, der aus epischen pwo_156.008
Elementen und lateinischen Mustern herauswuchs, besonders Aufforderungen pwo_156.009
zum Kreuzzug. Neben des Heinrich von Rugge Leich von pwo_156.010
dem heiligen Grabe bieten die Kreuzlieder Herrn Friedrichs von Husen pwo_156.011
verhältnismäßig frühe Proben der religiösen Ritterdichtung. Wie nur pwo_156.012
im 19. Jahrhundert ein Theodor Körner sein

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"Pfui über dich Buben hinter dem Ofen"
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ruft:

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"Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht!"
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so singt der wackere Kreuzfahrer:

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"Ich gunde es gauten vrowen niet pwo_156.018
daz iemer mere kome der tach pwo_156.019
daz sie deheinen haten liep: pwo_156.020
wan ez ir eren ware ein slach. pwo_156.021
Wie kunde in der gedienen iet pwo_156.022
der gotes verte also erschrach?"

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Jn anderer Weise als in der geistlichen Minne der Mariendichtung pwo_156.024
berührt sich hier der religiöse Stoff bereits mit dem Hauptthema der pwo_156.025
Ritterlyrik, der Liebe.

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Auch zwischen der Minnepoesie, überhaupt der weltlichen Lyrik, pwo_156.027
und gewissen lateinischen Zeitgedichten hat eine Beziehung statt. Die pwo_156.028
uns vorliegenden Vagantenlieder fahrender Kleriker mögen an Alter pwo_156.029
die überlieferten deutschen Ritterdichtungen nicht überragen, weisen pwo_156.030
aber auf eine schon längere Zeit andauernde Tradition. Solche verbummelten pwo_156.031
Zöglinge von Klosterschulen schlugen in der Liebes- wie pwo_156.032
in der Zechlyrik, in der politischen wie in der kirchlich-sozialen Satire pwo_156.033
verwegene Töne an. Nachwirkungen der griechisch-römischen Lyrik werden pwo_156.034
hier fruchtbar und leiten Motive in die erwachende deutsche Lyrik pwo_156.035
über. - Nach solcher geistlichen wie weltlichen Vorbereitung durch pwo_156.036
die mittelalterlich-lateinische Dichtung greift die provenzalische Troubadourlyrik pwo_156.037
ein, um die deutsche Lyrik flügge zu machen.

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  Der religiöse Leich wie der einstrophige Spruch und das aus pwo_156.005
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[156/0170] pwo_156.001 und ist er nû so friunde bar, pwo_156.002 daz ern getar pwo_156.003 nicht sînen schaden gerüegen ...“ pwo_156.004   Der religiöse Leich wie der einstrophige Spruch und das aus pwo_156.005 gleichförmigen Strophen zusammengesetzte Lied, soweit es religiösen pwo_156.006 Jnhalts, pflegten in der Blütezeit der Ritterdichtung außer dem der pwo_156.007 Minnedichtung angenäherten poetischen Marienkultus, der aus epischen pwo_156.008 Elementen und lateinischen Mustern herauswuchs, besonders Aufforderungen pwo_156.009 zum Kreuzzug. Neben des Heinrich von Rugge Leich von pwo_156.010 dem heiligen Grabe bieten die Kreuzlieder Herrn Friedrichs von Husen pwo_156.011 verhältnismäßig frühe Proben der religiösen Ritterdichtung. Wie nur pwo_156.012 im 19. Jahrhundert ein Theodor Körner sein pwo_156.013 „Pfui über dich Buben hinter dem Ofen“ pwo_156.014 ruft: pwo_156.015 „Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht!“ pwo_156.016 so singt der wackere Kreuzfahrer: pwo_156.017 „Ich gunde es gûten vrowen niet pwo_156.018 daz iemer mêre kome der tach pwo_156.019 daz sie deheinen hâten liep: pwo_156.020 wan ez ir êren wâre ein slach. pwo_156.021 Wie kunde in der gedienen iet pwo_156.022 der gotes verte alsô erschrach?“ pwo_156.023 Jn anderer Weise als in der geistlichen Minne der Mariendichtung pwo_156.024 berührt sich hier der religiöse Stoff bereits mit dem Hauptthema der pwo_156.025 Ritterlyrik, der Liebe. pwo_156.026   Auch zwischen der Minnepoesie, überhaupt der weltlichen Lyrik, pwo_156.027 und gewissen lateinischen Zeitgedichten hat eine Beziehung statt. Die pwo_156.028 uns vorliegenden Vagantenlieder fahrender Kleriker mögen an Alter pwo_156.029 die überlieferten deutschen Ritterdichtungen nicht überragen, weisen pwo_156.030 aber auf eine schon längere Zeit andauernde Tradition. Solche verbummelten pwo_156.031 Zöglinge von Klosterschulen schlugen in der Liebes- wie pwo_156.032 in der Zechlyrik, in der politischen wie in der kirchlich-sozialen Satire pwo_156.033 verwegene Töne an. Nachwirkungen der griechisch-römischen Lyrik werden pwo_156.034 hier fruchtbar und leiten Motive in die erwachende deutsche Lyrik pwo_156.035 über. – Nach solcher geistlichen wie weltlichen Vorbereitung durch pwo_156.036 die mittelalterlich-lateinische Dichtung greift die provenzalische Troubadourlyrik pwo_156.037 ein, um die deutsche Lyrik flügge zu machen.

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/170>, abgerufen am 21.11.2024.