pwo_180.001 eine Erweiterung zuerst auch auf andere Mythen, später pwo_180.002 auf profane Heroensagen erfahren; selbst geschichtliche Ereignisse aus pwo_180.003 der Gegenwart folgen. Die Bezeichnung der neuen poetischen Gattung pwo_180.004 bewahrt aber für die Dauer die Erinnerung an den Ursprung pwo_180.005 aus der Feier des Dionysos: nicht nur wird dem Gott ein Bock geopfert; pwo_180.006 vor allem ausschlaggebend war, daß der Chor im Kostüm von pwo_180.007 Satyrn, mit Ziegenfellen bekleidet erschien. So wird Tragödiepwo_180.008 (tragodia) d. ist Bocksgesang der natürliche Name für den Vortrag pwo_180.009 dieses Chors und für alles, was sich daraus entwickelt. Als schon pwo_180.010 zu Thespis Lebzeiten in Athen der Wettkampf für tragische Chöre zur pwo_180.011 Einführung gelangt, wird überdies ein Bock als Preis für den siegreichen pwo_180.012 Chormeister ausgesetzt.
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Auch der Geist überkommt dem Drama aus dem Dionysos-Kult, pwo_180.014 der Feier der üppig erblühenden wie der ersterbenden Natur. Leidenschaftlich pwo_180.015 überschäumend in Ausartung bis zu wilder Ekstase, wie pwo_180.016 er sich bald in wehmütiger Klage, bald in bacchantischer Lust giebt, pwo_180.017 verleiht er dem Drama eine Spannung auf die höchste Gefühlsskala. pwo_180.018 Jn den höchsten und erhabensten, wildesten Tönen des Pathos d. i. pwo_180.019 ja ursprünglich der Leidenschaft tritt uns zunächst die griechische Tragödie pwo_180.020 entgegen. Die personifizierte und vergötterte Naturmacht ist pwo_180.021 es, die dahinstirbt; ihr Tod ist es, der die trauernde Anteilnahme der pwo_180.022 Menschen weckt.
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§ 74. pwo_180.024 Entwicklung und Blüte der griechischen Tragödie.
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Den Einzelnen gegenüber der Gesamtheit erblicken wir in der pwo_180.026 Tragödie unter Thespis' Händen. Ein eigentlicher Dialog gelangt pwo_180.027 erst mit Einführung eines zweiten Schauspielers zur Durchführung. pwo_180.028 Aeschylos, dem diese Maßnahme zu verdanken, war damit in die pwo_180.029 Lage versetzt, das unvermittelte Nebeneinander lyrischer und epischer pwo_180.030 Partieen wenigstens im Grundzug zu überwinden und eine wirkliche pwo_180.031 Handlung aneinanderzuknüpfen. Auch die von ihm eingeführte cyklische pwo_180.032 Zusammenstellung einer Tetralogie erweitert die Möglichkeit, von episodischer pwo_180.033 Heraushebung eines Hauptmomentes, meist des Ausgangs, pwo_180.034 zur Entfaltung eines vollen, in sich verknüpften Schicksalslaufes vorzuschreiten.
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pwo_180.001 eine Erweiterung zuerst auch auf andere Mythen, später pwo_180.002 auf profane Heroensagen erfahren; selbst geschichtliche Ereignisse aus pwo_180.003 der Gegenwart folgen. Die Bezeichnung der neuen poetischen Gattung pwo_180.004 bewahrt aber für die Dauer die Erinnerung an den Ursprung pwo_180.005 aus der Feier des Dionysos: nicht nur wird dem Gott ein Bock geopfert; pwo_180.006 vor allem ausschlaggebend war, daß der Chor im Kostüm von pwo_180.007 Satyrn, mit Ziegenfellen bekleidet erschien. So wird Tragödiepwo_180.008 (τραγῳδία) d. ist Bocksgesang der natürliche Name für den Vortrag pwo_180.009 dieses Chors und für alles, was sich daraus entwickelt. Als schon pwo_180.010 zu Thespis Lebzeiten in Athen der Wettkampf für tragische Chöre zur pwo_180.011 Einführung gelangt, wird überdies ein Bock als Preis für den siegreichen pwo_180.012 Chormeister ausgesetzt.
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Auch der Geist überkommt dem Drama aus dem Dionysos-Kult, pwo_180.014 der Feier der üppig erblühenden wie der ersterbenden Natur. Leidenschaftlich pwo_180.015 überschäumend in Ausartung bis zu wilder Ekstase, wie pwo_180.016 er sich bald in wehmütiger Klage, bald in bacchantischer Lust giebt, pwo_180.017 verleiht er dem Drama eine Spannung auf die höchste Gefühlsskala. pwo_180.018 Jn den höchsten und erhabensten, wildesten Tönen des Pathos d. i. pwo_180.019 ja ursprünglich der Leidenschaft tritt uns zunächst die griechische Tragödie pwo_180.020 entgegen. Die personifizierte und vergötterte Naturmacht ist pwo_180.021 es, die dahinstirbt; ihr Tod ist es, der die trauernde Anteilnahme der pwo_180.022 Menschen weckt.
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§ 74. pwo_180.024 Entwicklung und Blüte der griechischen Tragödie.
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Den Einzelnen gegenüber der Gesamtheit erblicken wir in der pwo_180.026 Tragödie unter Thespis' Händen. Ein eigentlicher Dialog gelangt pwo_180.027 erst mit Einführung eines zweiten Schauspielers zur Durchführung. pwo_180.028 Aeschylos, dem diese Maßnahme zu verdanken, war damit in die pwo_180.029 Lage versetzt, das unvermittelte Nebeneinander lyrischer und epischer pwo_180.030 Partieen wenigstens im Grundzug zu überwinden und eine wirkliche pwo_180.031 Handlung aneinanderzuknüpfen. Auch die von ihm eingeführte cyklische pwo_180.032 Zusammenstellung einer Tetralogie erweitert die Möglichkeit, von episodischer pwo_180.033 Heraushebung eines Hauptmomentes, meist des Ausgangs, pwo_180.034 zur Entfaltung eines vollen, in sich verknüpften Schicksalslaufes vorzuschreiten.
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