Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_007.001 pwo_007.004 § 7. pwo_007.005 pwo_007.006Empirische Poetik. Mit der Ausdehnung und den Erfolgen der Einzelforschung sah pwo_007.007 Für die Poetik war die neue Aufgabe: statt aus der Jdee eines pwo_007.018 Einen Versuch zur Erfüllung dieser Forderung unternahm Wilhelm pwo_007.023 Scherer bezeichnet als sein Programm: "die dichterische Hervorbringung, pwo_007.028 pwo_007.001 pwo_007.004 § 7. pwo_007.005 pwo_007.006Empirische Poetik. Mit der Ausdehnung und den Erfolgen der Einzelforschung sah pwo_007.007 Für die Poetik war die neue Aufgabe: statt aus der Jdee eines pwo_007.018 Einen Versuch zur Erfüllung dieser Forderung unternahm Wilhelm pwo_007.023 Scherer bezeichnet als sein Programm: „die dichterische Hervorbringung, pwo_007.028 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0021" n="7"/><lb n="pwo_007.001"/><hi rendition="#g">hinter</hi> der Kunst ab, ohne ernstlich nach der geschichtlichen Priorität <lb n="pwo_007.002"/> zu fragen und damit den Entstehungsprozeß der Poesie geschichtlich <lb n="pwo_007.003"/> zu belauschen.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_007.004"/> <head> <hi rendition="#c">§ 7. <lb n="pwo_007.005"/> Empirische Poetik.</hi> </head> <lb n="pwo_007.006"/> <p> Mit der Ausdehnung und den Erfolgen der Einzelforschung sah <lb n="pwo_007.007"/> sich die Wissenschaft im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr und mehr <lb n="pwo_007.008"/> auf einen <hi rendition="#g">induktiven</hi> d. i. aus der Erfahrung ableitenden Betrieb <lb n="pwo_007.009"/> hingedrängt. Von dem Zug der modernen Naturwissenschaft, aus <lb n="pwo_007.010"/> umfassender Beobachtung des Einzelmaterials durchgehende Gesetze abzuleiten, <lb n="pwo_007.011"/> wurde auch die Geisteswissenschaft ergriffen. Auf verschiedenen <lb n="pwo_007.012"/> Gebieten verfügt sie thatsächlich bereits über ein genügend <lb n="pwo_007.013"/> reiches Erfahrungsmaterial, daß es sich selbst eine Binde vor die <lb n="pwo_007.014"/> Augen legen hieße, wenn die Philosophie, und so auch die Kunstphilosophie, <lb n="pwo_007.015"/> noch länger allein nach allgemeinen Kategorien von außen <lb n="pwo_007.016"/> her an ihre Gegenstände heranträte.</p> <lb n="pwo_007.017"/> <p> Für die Poetik war die neue Aufgabe: statt aus der Jdee eines <lb n="pwo_007.018"/> Einzelgeistes deduktiv Gesetze zu formulieren und diese durch Beispiele <lb n="pwo_007.019"/> zu belegen, vielmehr umgekehrt Beispiele poetischer Bethätigung in <lb n="pwo_007.020"/> möglichst großer Zahl zu sammeln, um aus ihrer systematischen Ordnung <lb n="pwo_007.021"/> die Gesetze abzuleiten.</p> <lb n="pwo_007.022"/> <p> Einen Versuch zur Erfüllung dieser Forderung unternahm <hi rendition="#g">Wilhelm <lb n="pwo_007.023"/> Scherer.</hi> Jm Sommer 1885 hielt er Universitätsvorlesungen <lb n="pwo_007.024"/> über Poetik, ein Jahr darauf starb er. Das aus seinem Nachlaß <lb n="pwo_007.025"/> herausgegebene Manuskript der Vorlesungen will somit nicht als abgeschlossenes <lb n="pwo_007.026"/> System, sondern nur als Entwurf beurteilt sein.</p> <lb n="pwo_007.027"/> <p> Scherer bezeichnet als sein Programm: „die dichterische Hervorbringung, <lb n="pwo_007.028"/> die wirkliche und die mögliche, vollständig zu beschreiben in <lb n="pwo_007.029"/> ihrem Hergang, in ihren Ergebnissen, in ihren Wirkungen“. Eine <lb n="pwo_007.030"/> Poetik, die sich derart grundsätzlich auf Beschreibung des Materials <lb n="pwo_007.031"/> beschränkt, würde – wie von vorn herein einleuchtet – rein empirisch <lb n="pwo_007.032"/> bleiben, nur die Erfahrung geben, ohne sie zu erklären, geistig <lb n="pwo_007.033"/> zu durchdringen. Jn einem an sich berechtigten Eifer, vorschnelle <lb n="pwo_007.034"/> Folgerungen abzuwehren, will sich Scherer denn auch philosophischer <lb n="pwo_007.035"/> Schlußfassung möglichst entschlagen. Dieses Streben, an der Philosophie </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0021]
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hinter der Kunst ab, ohne ernstlich nach der geschichtlichen Priorität pwo_007.002
zu fragen und damit den Entstehungsprozeß der Poesie geschichtlich pwo_007.003
zu belauschen.
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§ 7. pwo_007.005
Empirische Poetik. pwo_007.006
Mit der Ausdehnung und den Erfolgen der Einzelforschung sah pwo_007.007
sich die Wissenschaft im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr und mehr pwo_007.008
auf einen induktiven d. i. aus der Erfahrung ableitenden Betrieb pwo_007.009
hingedrängt. Von dem Zug der modernen Naturwissenschaft, aus pwo_007.010
umfassender Beobachtung des Einzelmaterials durchgehende Gesetze abzuleiten, pwo_007.011
wurde auch die Geisteswissenschaft ergriffen. Auf verschiedenen pwo_007.012
Gebieten verfügt sie thatsächlich bereits über ein genügend pwo_007.013
reiches Erfahrungsmaterial, daß es sich selbst eine Binde vor die pwo_007.014
Augen legen hieße, wenn die Philosophie, und so auch die Kunstphilosophie, pwo_007.015
noch länger allein nach allgemeinen Kategorien von außen pwo_007.016
her an ihre Gegenstände heranträte.
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Für die Poetik war die neue Aufgabe: statt aus der Jdee eines pwo_007.018
Einzelgeistes deduktiv Gesetze zu formulieren und diese durch Beispiele pwo_007.019
zu belegen, vielmehr umgekehrt Beispiele poetischer Bethätigung in pwo_007.020
möglichst großer Zahl zu sammeln, um aus ihrer systematischen Ordnung pwo_007.021
die Gesetze abzuleiten.
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Einen Versuch zur Erfüllung dieser Forderung unternahm Wilhelm pwo_007.023
Scherer. Jm Sommer 1885 hielt er Universitätsvorlesungen pwo_007.024
über Poetik, ein Jahr darauf starb er. Das aus seinem Nachlaß pwo_007.025
herausgegebene Manuskript der Vorlesungen will somit nicht als abgeschlossenes pwo_007.026
System, sondern nur als Entwurf beurteilt sein.
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Scherer bezeichnet als sein Programm: „die dichterische Hervorbringung, pwo_007.028
die wirkliche und die mögliche, vollständig zu beschreiben in pwo_007.029
ihrem Hergang, in ihren Ergebnissen, in ihren Wirkungen“. Eine pwo_007.030
Poetik, die sich derart grundsätzlich auf Beschreibung des Materials pwo_007.031
beschränkt, würde – wie von vorn herein einleuchtet – rein empirisch pwo_007.032
bleiben, nur die Erfahrung geben, ohne sie zu erklären, geistig pwo_007.033
zu durchdringen. Jn einem an sich berechtigten Eifer, vorschnelle pwo_007.034
Folgerungen abzuwehren, will sich Scherer denn auch philosophischer pwo_007.035
Schlußfassung möglichst entschlagen. Dieses Streben, an der Philosophie
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