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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Schwester bleibt nicht bei der äußeren Berührung mit dem Bild von pwo_211.002
Apolls Schwester stehen: die seelische Berührung mit der milden, pwo_211.003
reinen Seele seiner eigenen Schwester bannt die dämonischen Qualen pwo_211.004
seines Gewissens:

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"Laß mich zum ersten mal mit freiem Herzen pwo_211.006
Jn deinen Armen reine Freude haben! ... pwo_211.007
Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz. pwo_211.008
Die Eumeniden ziehn, ich höre sie, pwo_211.009
Zum Tartarus und schlagen hinter sich pwo_211.010
Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu."
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Von den Goetheschen Dramen, die ausdrücklich mit dem Tode pwo_211.012
des Helden schließen, bleibt das erste, "Götz von Berlichingen", - pwo_211.013
wie Lessing sofort rügte - noch weit in episch-biographischer Dichtweise pwo_211.014
stecken. Gewiß gewinnt die Zeichnung der Charaktere nach pwo_211.015
Shakespeares Vorbild individuelle Fülle und Frische. Der physische pwo_211.016
Untergang des Helden bleibt in seiner rein äußerlichen Art noch erheblich pwo_211.017
hinter Shakespeare zurück: er ist indes für unsern Dichter pwo_211.018
nicht irgend entscheidend: tragisch wird für Goethe das Geschick Götzens pwo_211.019
mit dem Fehlschlagen seiner Pläne, noch früher, mit dem Verrennen pwo_211.020
in eine falsche Bahn.

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Lehrreich für den Goetheschen Tragödienstil wird insbesondere pwo_211.022
die Umarbeitung des geschichtlich überlieferten Charakters von Egmont. pwo_211.023
Um Egmont im Sinne des konsequenten Charaktertrauerspiels in gewissem pwo_211.024
Sinne als Urheber seines Schicksals und nicht als dessen bloßes pwo_211.025
Opfer erscheinen zu lassen, bedurfte es eines Helden, der in all pwo_211.026
seinem sympathischen Wesen, ja zum guten teil eben durch dasselbe, pwo_211.027
der furchtbaren, schleichenden Macht nicht gewachsen ist, die ihm gegenübertritt. pwo_211.028
Und sein Tod ist ein Triumph: "Jch schreite einem ehrenvollen pwo_211.029
Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe für die Freiheit, pwo_211.030
für die ich lebte und focht, und der ich mich jetzt leidend opfre ... pwo_211.031
Schließt eure Reihen, ihr schreckt mich nicht." Das ist die pwo_211.032
idealistische Charaktertragödie, deren Held den Tod nicht blos als pwo_211.033
unabänderlich hinnimmt, sondern sich in ihm über sein Leben zu erheben pwo_211.034
sucht.

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Was schließlich Goethes Lebens- und Meisterwerk, den "Faust", pwo_211.036
betrifft, so bedarf hier zunächst die vollendet großartige Charakterzeichnung

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/225>, abgerufen am 25.11.2024.