Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_036.001 An späterer Stelle der Odyssee kommt dasselbe Stilmittel unter pwo_036.002 "Aber Nausikaa stand, geschmückt mit göttlicher Schönheit, pwo_036.004 pwo_036.005Und betrachtete wundernd den göttergleichen Odysseus." Dieser seinerseits gelobt: pwo_036.006"Täglich werd' ich auch dort wie einer Göttin voll Ehrfurcht pwo_036.007 Sogar noch in der Parodie tritt dieselbe Neigung der Poesie hervor. pwo_036.009 "Laß ertönen die Weisen geweihten Gesangs, pwo_036.012 pwo_036.015Die aus göttlichem Munde dir quellen hervor ... pwo_036.013 Hell dringet hindurch durch der Bäume Gezweig pwo_036.014 Der süße Klang bis zum Throne des Zeus." So weit wir auch zeitlich vorschreiten und in welche Zone wir pwo_036.016 "Die Augen ihm, die Lippen küßte sie, pwo_036.021 pwo_036.026Der Anblick, schien's, ersättigte sie nie. pwo_036.022 Sie pries den Schöpfer tausendfach darob pwo_036.023 Und sprach: ,Dem Herren, der dich schuf, sei Lob! pwo_036.024 Weil keiner sonst vergleichbar ist mit dir, pwo_036.025 Kein andrer Sohn des Schahs sich mißt mit dir!'" Hier zeichnet der Dichter die Schönheit seines Helden durch ihre pwo_036.027 Wenden wir uns der Neuzeit zu, so kann es nicht überraschen, pwo_036.029 "von seinem Ruhm geblendet, den Nektar geringer schätzen, pwo_036.031 in solchen Wendungen richtet sich leibhaft "Der Ruhm an die Musen". pwo_036.033 pwo_036.001 An späterer Stelle der Odyssee kommt dasselbe Stilmittel unter pwo_036.002 „Aber Nausikaa stand, geschmückt mit göttlicher Schönheit, pwo_036.004 pwo_036.005Und betrachtete wundernd den göttergleichen Odysseus.“ Dieser seinerseits gelobt: pwo_036.006„Täglich werd' ich auch dort wie einer Göttin voll Ehrfurcht pwo_036.007 Sogar noch in der Parodie tritt dieselbe Neigung der Poesie hervor. pwo_036.009 „Laß ertönen die Weisen geweihten Gesangs, pwo_036.012 pwo_036.015Die aus göttlichem Munde dir quellen hervor ... pwo_036.013 Hell dringet hindurch durch der Bäume Gezweig pwo_036.014 Der süße Klang bis zum Throne des Zeus.“ So weit wir auch zeitlich vorschreiten und in welche Zone wir pwo_036.016 „Die Augen ihm, die Lippen küßte sie, pwo_036.021 pwo_036.026Der Anblick, schien's, ersättigte sie nie. pwo_036.022 Sie pries den Schöpfer tausendfach darob pwo_036.023 Und sprach: ‚Dem Herren, der dich schuf, sei Lob! pwo_036.024 Weil keiner sonst vergleichbar ist mit dir, pwo_036.025 Kein andrer Sohn des Schahs sich mißt mit dir!'“ Hier zeichnet der Dichter die Schönheit seines Helden durch ihre pwo_036.027 Wenden wir uns der Neuzeit zu, so kann es nicht überraschen, pwo_036.029 „von seinem Ruhm geblendet, den Nektar geringer schätzen, pwo_036.031 in solchen Wendungen richtet sich leibhaft „Der Ruhm an die Musen“. pwo_036.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0050" n="36"/> <lb n="pwo_036.001"/> <p>An späterer Stelle der Odyssee kommt dasselbe Stilmittel unter <lb n="pwo_036.002"/> anderm zu folgender Verwendung:</p> <lb n="pwo_036.003"/> <lg> <l>„Aber Nausikaa stand, geschmückt mit <hi rendition="#g">göttlicher Schönheit,</hi></l> <lb n="pwo_036.004"/> <l>Und betrachtete wundernd den <hi rendition="#g">göttergleichen</hi> Odysseus.“</l> </lg> <lb n="pwo_036.005"/> <p>Dieser seinerseits gelobt:</p> <lb n="pwo_036.006"/> <p> <hi rendition="#et">„Täglich werd' ich auch dort <hi rendition="#g">wie einer Göttin</hi> voll Ehrfurcht <lb n="pwo_036.007"/> Dir danksagen ...“</hi> </p> <lb n="pwo_036.008"/> <p>Sogar noch in der Parodie tritt dieselbe Neigung der Poesie hervor. <lb n="pwo_036.009"/> Aristophanes läßt in seinen „Vögeln“ den Wiedehopf zur Nachtigall <lb n="pwo_036.010"/> sagen:</p> <lb n="pwo_036.011"/> <lg> <l>„Laß ertönen die Weisen <hi rendition="#g">geweihten Gesangs,</hi></l> <lb n="pwo_036.012"/> <l>Die aus <hi rendition="#g">göttlichem</hi> Munde dir quellen hervor ...</l> <lb n="pwo_036.013"/> <l>Hell dringet hindurch durch der Bäume Gezweig</l> <lb n="pwo_036.014"/> <l>Der süße Klang <hi rendition="#g">bis zum Throne des Zeus</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_036.015"/> <p> So weit wir auch zeitlich vorschreiten und in welche Zone wir <lb n="pwo_036.016"/> blicken, die Vergöttlichung blinkt uns immer wieder aus der Poesie <lb n="pwo_036.017"/> entgegen. Ein Jahrtausend nach Christus benutzt der Perser Firdusi <lb n="pwo_036.018"/> in seinem „Königsbuch“ gleichsam eine dramatische Form zur Aussprache <lb n="pwo_036.019"/> der Gottähnlichkeit seines Helden:</p> <lb n="pwo_036.020"/> <lg> <l>„Die Augen ihm, die Lippen küßte sie,</l> <lb n="pwo_036.021"/> <l>Der Anblick, schien's, ersättigte sie nie.</l> <lb n="pwo_036.022"/> <l><hi rendition="#g">Sie pries den Schöpfer</hi> tausendfach darob</l> <lb n="pwo_036.023"/> <l>Und sprach: ‚<hi rendition="#g">Dem Herren, der dich schuf, sei Lob!</hi></l> <lb n="pwo_036.024"/> <l><hi rendition="#g">Weil</hi> keiner sonst vergleichbar ist mit dir,</l> <lb n="pwo_036.025"/> <l>Kein andrer Sohn des Schahs sich mißt mit dir!'“</l> </lg> <lb n="pwo_036.026"/> <p>Hier zeichnet der Dichter die Schönheit seines Helden durch ihre <lb n="pwo_036.027"/> Wirkung: ihr Anblick <hi rendition="#g">stimmt religiös.</hi></p> <lb n="pwo_036.028"/> <p> Wenden wir uns der Neuzeit zu, so kann es nicht überraschen, <lb n="pwo_036.029"/> etwa einen Racine seinen König über die Götter erheben zu sehen, die,</p> <lb n="pwo_036.030"/> <p> <hi rendition="#et">„von seinem Ruhm geblendet, den Nektar geringer schätzen, <lb n="pwo_036.031"/> als die hohe Lust, Ludwig nahe zu sein“ –</hi> </p> <lb n="pwo_036.032"/> <p>in solchen Wendungen richtet sich leibhaft „Der Ruhm an die Musen“. <lb n="pwo_036.033"/> Aber Racine läßt auch die Gottheit der Liebe vom Himmel steigen, <lb n="pwo_036.034"/> damit sie den schönen Augen der Geliebten huldige. 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An späterer Stelle der Odyssee kommt dasselbe Stilmittel unter pwo_036.002
anderm zu folgender Verwendung:
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„Aber Nausikaa stand, geschmückt mit göttlicher Schönheit, pwo_036.004
Und betrachtete wundernd den göttergleichen Odysseus.“
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Dieser seinerseits gelobt:
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„Täglich werd' ich auch dort wie einer Göttin voll Ehrfurcht pwo_036.007
Dir danksagen ...“
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Sogar noch in der Parodie tritt dieselbe Neigung der Poesie hervor. pwo_036.009
Aristophanes läßt in seinen „Vögeln“ den Wiedehopf zur Nachtigall pwo_036.010
sagen:
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„Laß ertönen die Weisen geweihten Gesangs, pwo_036.012
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Hell dringet hindurch durch der Bäume Gezweig pwo_036.014
Der süße Klang bis zum Throne des Zeus.“
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So weit wir auch zeitlich vorschreiten und in welche Zone wir pwo_036.016
blicken, die Vergöttlichung blinkt uns immer wieder aus der Poesie pwo_036.017
entgegen. Ein Jahrtausend nach Christus benutzt der Perser Firdusi pwo_036.018
in seinem „Königsbuch“ gleichsam eine dramatische Form zur Aussprache pwo_036.019
der Gottähnlichkeit seines Helden:
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„Die Augen ihm, die Lippen küßte sie, pwo_036.021
Der Anblick, schien's, ersättigte sie nie. pwo_036.022
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Kein andrer Sohn des Schahs sich mißt mit dir!'“
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Hier zeichnet der Dichter die Schönheit seines Helden durch ihre pwo_036.027
Wirkung: ihr Anblick stimmt religiös.
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Wenden wir uns der Neuzeit zu, so kann es nicht überraschen, pwo_036.029
etwa einen Racine seinen König über die Götter erheben zu sehen, die,
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„von seinem Ruhm geblendet, den Nektar geringer schätzen, pwo_036.031
als die hohe Lust, Ludwig nahe zu sein“ –
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in solchen Wendungen richtet sich leibhaft „Der Ruhm an die Musen“. pwo_036.033
Aber Racine läßt auch die Gottheit der Liebe vom Himmel steigen, pwo_036.034
damit sie den schönen Augen der Geliebten huldige. Und zahlreiche
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