Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_039.001 Man hat sich gewöhnt, den Anthropomorphismus der menschlichen pwo_039.008 pwo_039.013 § 28. pwo_039.014 pwo_039.015Heroische Epoche der Poesie. Wollten wir aus unsern bisherigen ersten Wahrnehmungen ohne pwo_039.016 Von welcher Seite kommt der Poesie die nächste Bereicherung pwo_039.020 Mit einer unverkennbaren Gesetzmäßigkeit leuchtet uns nunmehr pwo_039.022 Als Denkmal der Heroenzeit lernten wir bereits das indische pwo_039.030 "Es war ein König Nala, pwo_039.033
Des Virasena Sproß, pwo_039.034 Schön, hochbegabt und mächtig, pwo_039.035 Vertraut mit Wagen und Roß." pwo_039.001 Man hat sich gewöhnt, den Anthropomorphismus der menschlichen pwo_039.008 pwo_039.013 § 28. pwo_039.014 pwo_039.015Heroische Epoche der Poesie. Wollten wir aus unsern bisherigen ersten Wahrnehmungen ohne pwo_039.016 Von welcher Seite kommt der Poesie die nächste Bereicherung pwo_039.020 Mit einer unverkennbaren Gesetzmäßigkeit leuchtet uns nunmehr pwo_039.022 Als Denkmal der Heroenzeit lernten wir bereits das indische pwo_039.030 „Es war ein König Nala, pwo_039.033
Des Virasena Sproß, pwo_039.034 Schön, hochbegabt und mächtig, pwo_039.035 Vertraut mit Wagen und Roß.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0053" n="39"/><lb n="pwo_039.001"/> gern als „Engel“ oder gar als „Göttin“; auch Erdenfürsten wird <lb n="pwo_039.002"/> „Weihrauch“ gestreut; ein junges Wesen findet womöglich die eigene <lb n="pwo_039.003"/> Kleidung „himmlisch“ – und so schwächen sich alle Begriffe durch <lb n="pwo_039.004"/> häufigen Gebrauch ab. Schaltet indes jemand gar zu freigebig mit <lb n="pwo_039.005"/> solchen Wendungen: Engel, Madonna, himmlisch u. dergl., so nennen <lb n="pwo_039.006"/> wir ihn nicht etwa „religiös gestimmt“, sondern ausdrücklich „poetisch“.</p> <lb n="pwo_039.007"/> <p> Man hat sich gewöhnt, den Anthropomorphismus der menschlichen <lb n="pwo_039.008"/> Phantasie hervorzuheben, die Modelung alles Außermenschlichen <lb n="pwo_039.009"/> nach menschlichen Begriffen. Jn Art dieses technischen Ausdruckes <lb n="pwo_039.010"/> ließe sich nach alledem von einem <hi rendition="#g">Theomorphismus</hi> der Poesie <lb n="pwo_039.011"/> sprechen, von ihrer Neigung, das Jrdische in überirdischen Schein zu <lb n="pwo_039.012"/> erheben.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_039.013"/> <head> <hi rendition="#c">§ 28. <lb n="pwo_039.014"/> Heroische Epoche der Poesie.</hi> </head> <lb n="pwo_039.015"/> <p> Wollten wir aus unsern bisherigen ersten Wahrnehmungen ohne <lb n="pwo_039.016"/> weiteres das Grundgesetz aller Poesie formulieren, so müßte es notgedrungen <lb n="pwo_039.017"/> einseitig ausfallen, wofern wir nicht den von späteren Dichtungsepochen <lb n="pwo_039.018"/> geschaffenen Stilmitteln gleicherweise nachgegangen sind.</p> <lb n="pwo_039.019"/> <p> Von welcher Seite kommt der Poesie die nächste Bereicherung <lb n="pwo_039.020"/> zu, sobald sie den ausschließlich religiösen Charakter aufgegeben?</p> <lb n="pwo_039.021"/> <p> Mit einer unverkennbaren Gesetzmäßigkeit leuchtet uns nunmehr <lb n="pwo_039.022"/> das <hi rendition="#g">heroische</hi> Jdeal entgegen. Eine Beziehung zur Gottheit wird <lb n="pwo_039.023"/> noch gesucht, und man knüpft die ältesten und tapfersten Helden, von <lb n="pwo_039.024"/> denen die Sage berichtet, die Stammväter, an das Geschlecht der <lb n="pwo_039.025"/> Götter an. Diese Halbgötter-Halbmenschen ragen nun ebenfalls <lb n="pwo_039.026"/> noch ohne weiteres über die bloßen Menschen hinaus; zudem begabt <lb n="pwo_039.027"/> sie der Dichter in reichem Maße mit durchgehenden Jdealen des <lb n="pwo_039.028"/> Heldentums.</p> <lb n="pwo_039.029"/> <p> Als Denkmal der Heroenzeit lernten wir bereits das indische <lb n="pwo_039.030"/> Nationalepos „Mahabharata“ kennen. Vergegenwärtigen wir uns <lb n="pwo_039.031"/> nochmals den Beginn der Episode „Nal und Damajanti“:</p> <lb n="pwo_039.032"/> <lg> <l>„Es war ein König Nala,</l> <lb n="pwo_039.033"/> <l>Des Virasena Sproß,</l> <lb n="pwo_039.034"/> <l><hi rendition="#g">Schön, hochbegabt</hi> und <hi rendition="#g">mächtig,</hi></l> <lb n="pwo_039.035"/> <l><hi rendition="#g">Vertraut mit Wagen und Roß</hi>.“</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0053]
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gern als „Engel“ oder gar als „Göttin“; auch Erdenfürsten wird pwo_039.002
„Weihrauch“ gestreut; ein junges Wesen findet womöglich die eigene pwo_039.003
Kleidung „himmlisch“ – und so schwächen sich alle Begriffe durch pwo_039.004
häufigen Gebrauch ab. Schaltet indes jemand gar zu freigebig mit pwo_039.005
solchen Wendungen: Engel, Madonna, himmlisch u. dergl., so nennen pwo_039.006
wir ihn nicht etwa „religiös gestimmt“, sondern ausdrücklich „poetisch“.
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Man hat sich gewöhnt, den Anthropomorphismus der menschlichen pwo_039.008
Phantasie hervorzuheben, die Modelung alles Außermenschlichen pwo_039.009
nach menschlichen Begriffen. Jn Art dieses technischen Ausdruckes pwo_039.010
ließe sich nach alledem von einem Theomorphismus der Poesie pwo_039.011
sprechen, von ihrer Neigung, das Jrdische in überirdischen Schein zu pwo_039.012
erheben.
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§ 28. pwo_039.014
Heroische Epoche der Poesie. pwo_039.015
Wollten wir aus unsern bisherigen ersten Wahrnehmungen ohne pwo_039.016
weiteres das Grundgesetz aller Poesie formulieren, so müßte es notgedrungen pwo_039.017
einseitig ausfallen, wofern wir nicht den von späteren Dichtungsepochen pwo_039.018
geschaffenen Stilmitteln gleicherweise nachgegangen sind.
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Von welcher Seite kommt der Poesie die nächste Bereicherung pwo_039.020
zu, sobald sie den ausschließlich religiösen Charakter aufgegeben?
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Mit einer unverkennbaren Gesetzmäßigkeit leuchtet uns nunmehr pwo_039.022
das heroische Jdeal entgegen. Eine Beziehung zur Gottheit wird pwo_039.023
noch gesucht, und man knüpft die ältesten und tapfersten Helden, von pwo_039.024
denen die Sage berichtet, die Stammväter, an das Geschlecht der pwo_039.025
Götter an. Diese Halbgötter-Halbmenschen ragen nun ebenfalls pwo_039.026
noch ohne weiteres über die bloßen Menschen hinaus; zudem begabt pwo_039.027
sie der Dichter in reichem Maße mit durchgehenden Jdealen des pwo_039.028
Heldentums.
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Als Denkmal der Heroenzeit lernten wir bereits das indische pwo_039.030
Nationalepos „Mahabharata“ kennen. Vergegenwärtigen wir uns pwo_039.031
nochmals den Beginn der Episode „Nal und Damajanti“:
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„Es war ein König Nala, pwo_039.033
Des Virasena Sproß, pwo_039.034
Schön, hochbegabt und mächtig, pwo_039.035
Vertraut mit Wagen und Roß.“
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