Wie viel einem zu betteln erlaubt ist, und wie man die All- mosen anzuwen- den hat.
Weil die Allmosen bloß zur äusersten Noth- durft gegeben werden, und es nicht erlaubt ist Allmosen, als zu dem Ende zu begehren (§. 488.); so ist nicht erlaubt mehr zu betteln, als zur höchsten Nothdurft hinreichend ist; und es mißbraucht die Allmosen, der sie zur Beqvemlichkeit und zum Vergnügen des Lebens an- wendet. Weil derjenige, welcher ei- nem Bettler mehr giebt, als die Noth- durft erfordert, ihm etwas schencket (§. 475.); es aber auf den Willen eines j den ankommt, ob er einem etwas schencken will (§. cit.); so ist kein Zweifel, daß es dem Bettler erlaubt sey es anzunehmen. Und weil die Allmosen, die man gegeben, dem Bettler eigenthümlich zugehören (§. 258.); so muß es seinem Gewissen überlassen werden, wenn er die Allmosen miß- braucht (§. 202.).
§. 490.
Vom Ge- ben der Allmo- sen.
Weil durch Einführung des Eigenthums niemanden der nothwendige Gebrauch der Sa- chen hat benommen werden können (§. 304.); so sind nach ihrem Vermögen Allmo- sen zu geben verbunden, die sie geben können. Derowegen sind nicht bloß die Reichen, und die ein grosses Vermö- gen haben, mehreren Personen und reich- lichere Allmosen zu geben verbunden (§. 486.), sondern auch Arme, die nicht ei-
nen
II.Th. 9. H. Von bloß milden Handl.
§. 489.
Wie viel einem zu betteln erlaubt iſt, und wie man die All- moſen anzuwen- den hat.
Weil die Allmoſen bloß zur aͤuſerſten Noth- durft gegeben werden, und es nicht erlaubt iſt Allmoſen, als zu dem Ende zu begehren (§. 488.); ſo iſt nicht erlaubt mehr zu betteln, als zur hoͤchſten Nothdurft hinreichend iſt; und es mißbraucht die Allmoſen, der ſie zur Beqvemlichkeit und zum Vergnuͤgen des Lebens an- wendet. Weil derjenige, welcher ei- nem Bettler mehr giebt, als die Noth- durft erfordert, ihm etwas ſchencket (§. 475.); es aber auf den Willen eines j den ankommt, ob er einem etwas ſchencken will (§. cit.); ſo iſt kein Zweifel, daß es dem Bettler erlaubt ſey es anzunehmen. Und weil die Allmoſen, die man gegeben, dem Bettler eigenthuͤmlich zugehoͤren (§. 258.); ſo muß es ſeinem Gewiſſen uͤberlaſſen werden, wenn er die Allmoſen miß- braucht (§. 202.).
§. 490.
Vom Ge- ben der Allmo- ſen.
Weil durch Einfuͤhrung des Eigenthums niemanden der nothwendige Gebrauch der Sa- chen hat benommen werden koͤnnen (§. 304.); ſo ſind nach ihrem Vermoͤgen Allmo- ſen zu geben verbunden, die ſie geben koͤnnen. Derowegen ſind nicht bloß die Reichen, und die ein groſſes Vermoͤ- gen haben, mehreren Perſonen und reich- lichere Allmoſen zu geben verbunden (§. 486.), ſondern auch Arme, die nicht ei-
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II. Th. 9. H. Von bloß milden Handl.
§. 489.
Weil die Allmoſen bloß zur aͤuſerſten Noth-
durft gegeben werden, und es nicht erlaubt
iſt Allmoſen, als zu dem Ende zu begehren
(§. 488.); ſo iſt nicht erlaubt mehr zu
betteln, als zur hoͤchſten Nothdurft
hinreichend iſt; und es mißbraucht die
Allmoſen, der ſie zur Beqvemlichkeit
und zum Vergnuͤgen des Lebens an-
wendet. Weil derjenige, welcher ei-
nem Bettler mehr giebt, als die Noth-
durft erfordert, ihm etwas ſchencket (§.
475.); es aber auf den Willen eines j den
ankommt, ob er einem etwas ſchencken will
(§. cit.); ſo iſt kein Zweifel, daß es dem
Bettler erlaubt ſey es anzunehmen.
Und weil die Allmoſen, die man gegeben, dem
Bettler eigenthuͤmlich zugehoͤren (§. 258.);
ſo muß es ſeinem Gewiſſen uͤberlaſſen
werden, wenn er die Allmoſen miß-
braucht (§. 202.).
§. 490.
Weil durch Einfuͤhrung des Eigenthums
niemanden der nothwendige Gebrauch der Sa-
chen hat benommen werden koͤnnen (§. 304.);
ſo ſind nach ihrem Vermoͤgen Allmo-
ſen zu geben verbunden, die ſie geben
koͤnnen. Derowegen ſind nicht bloß die
Reichen, und die ein groſſes Vermoͤ-
gen haben, mehreren Perſonen und reich-
lichere Allmoſen zu geben verbunden (§.
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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