Hand- lungen, welche ei- nen Be- wegungs- grund in sich ent- halten, und an und vor sich selbst begeh- rens-oder verab- scheu- ungswür- dig sind.
Weil die Natur des Menschen so be- schaffen ist, daß er das Gute begehret, das Böse aber verabscheuet; so sind die in sich guten, oder bösen Handlungen an und vor sich selbst begehrens- oder verabscheuungswürdig(actiones in- trinsecae bonae, vel malae per se appeti- biles, vel aversabiles sunt). Denn die Handlungen, bey welchen ein inne- res Gute, oder ein inneres Böse be- findlich ist,(actiones bonitatem, vel ma- litiam intrinsecam habentes) sind an und vor sich selbst gut, oder böse, oder werden wegen der dazu kommenden Bestimmungen (propter determinationes accidentales ac- cedentes) gut, oder böse (§. 14.); folglich enthalten sie einen Bewegungsgrund in sich, sie zu wollen, oder nicht zu wollen(motivum volitionis & nolitionis in se continent); so daß, wenn man sie deutlich erkennet, man sie entweder will, oder nicht will. Daher aber erhellet fer- ner, 1) daß die Handlungen, welche die Volkommenheit des Menschen, oder seines Zustandes befördern, ei- nen Bewegungsgrund in sich ent- halten, sie zu wollen, und also an und vor sich selbst begehrungsfähig sind, oder so beschaffen, daß man sie will; 2) daß aber die Handlungen, welche
die
I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl.
§. 15.
Hand- lungen, welche ei- nen Be- wegungs- grund in ſich ent- halten, und an und vor ſich ſelbſt begeh- rens-odeꝛ verab- ſcheu- ungswuͤꝛ- dig ſind.
Weil die Natur des Menſchen ſo be- ſchaffen iſt, daß er das Gute begehret, das Boͤſe aber verabſcheuet; ſo ſind die in ſich guten, oder boͤſen Handlungen an und vor ſich ſelbſt begehrens- oder verabſcheuungswuͤrdig(actiones in- trinſecae bonae, vel malae per ſe appeti- biles, vel averſabiles ſunt). Denn die Handlungen, bey welchen ein inne- res Gute, oder ein inneres Boͤſe be- findlich iſt,(actiones bonitatem, vel ma- litiam intrinſecam habentes) ſind an und vor ſich ſelbſt gut, oder boͤſe, oder werden wegen der dazu kommenden Beſtimmungen (propter determinationes accidentales ac- cedentes) gut, oder boͤſe (§. 14.); folglich enthalten ſie einen Bewegungsgrund in ſich, ſie zu wollen, oder nicht zu wollen(motivum volitionis & nolitionis in ſe continent); ſo daß, wenn man ſie deutlich erkennet, man ſie entweder will, oder nicht will. Daher aber erhellet fer- ner, 1) daß die Handlungen, welche die Volkommenheit des Menſchen, oder ſeines Zuſtandes befoͤrdern, ei- nen Bewegungsgrund in ſich ent- halten, ſie zu wollen, und alſo an und vor ſich ſelbſt begehrungsfaͤhig ſind, oder ſo beſchaffen, daß man ſie will; 2) daß aber die Handlungen, welche
die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0046"n="10"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl.</hi></fw><lb/><divn="4"><head>§. 15.</head><lb/><noteplace="left">Hand-<lb/>
lungen,<lb/>
welche ei-<lb/>
nen Be-<lb/>
wegungs-<lb/>
grund in<lb/>ſich ent-<lb/>
halten,<lb/>
und an<lb/>
und vor<lb/>ſich ſelbſt<lb/>
begeh-<lb/>
rens-odeꝛ<lb/>
verab-<lb/>ſcheu-<lb/>
ungswuͤꝛ-<lb/>
dig ſind.</note><p>Weil die Natur des Menſchen ſo be-<lb/>ſchaffen iſt, daß er das Gute begehret, das<lb/>
Boͤſe aber verabſcheuet; <hirendition="#fr">ſo ſind die in<lb/>ſich guten, oder boͤſen Handlungen<lb/>
an und vor ſich ſelbſt begehrens- oder<lb/>
verabſcheuungswuͤrdig</hi><hirendition="#aq">(actiones in-<lb/>
trinſecae bonae, vel malae per ſe appeti-<lb/>
biles, vel averſabiles ſunt)</hi>. Denn <hirendition="#fr">die<lb/>
Handlungen, bey welchen ein inne-<lb/>
res Gute, oder ein inneres Boͤſe be-<lb/>
findlich iſt,</hi><hirendition="#aq">(actiones bonitatem, vel ma-<lb/>
litiam intrinſecam habentes)</hi>ſind an und<lb/>
vor ſich ſelbſt gut, oder boͤſe, oder werden<lb/>
wegen der dazu kommenden Beſtimmungen<lb/><hirendition="#aq">(propter determinationes accidentales ac-<lb/>
cedentes)</hi> gut, oder boͤſe (§. 14.); folglich<lb/><hirendition="#fr">enthalten</hi>ſie <hirendition="#fr">einen Bewegungsgrund<lb/>
in ſich, ſie zu wollen, oder nicht zu<lb/>
wollen</hi><hirendition="#aq">(motivum volitionis & nolitionis<lb/>
in ſe continent);</hi>ſo daß, wenn man ſie<lb/>
deutlich erkennet, man ſie entweder will,<lb/>
oder nicht will. Daher aber erhellet fer-<lb/>
ner, 1) <hirendition="#fr">daß die Handlungen, welche<lb/>
die Volkommenheit des Menſchen,<lb/>
oder ſeines Zuſtandes befoͤrdern, ei-<lb/>
nen Bewegungsgrund in ſich ent-<lb/>
halten, ſie zu wollen, und alſo an und<lb/>
vor ſich ſelbſt begehrungsfaͤhig ſind,<lb/>
oder ſo beſchaffen, daß man ſie will;<lb/>
2) daß aber die Handlungen, welche</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">die</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[10/0046]
I. Th. 1. H. Unterſchiede menſchl. Handl.
§. 15.
Weil die Natur des Menſchen ſo be-
ſchaffen iſt, daß er das Gute begehret, das
Boͤſe aber verabſcheuet; ſo ſind die in
ſich guten, oder boͤſen Handlungen
an und vor ſich ſelbſt begehrens- oder
verabſcheuungswuͤrdig (actiones in-
trinſecae bonae, vel malae per ſe appeti-
biles, vel averſabiles ſunt). Denn die
Handlungen, bey welchen ein inne-
res Gute, oder ein inneres Boͤſe be-
findlich iſt, (actiones bonitatem, vel ma-
litiam intrinſecam habentes) ſind an und
vor ſich ſelbſt gut, oder boͤſe, oder werden
wegen der dazu kommenden Beſtimmungen
(propter determinationes accidentales ac-
cedentes) gut, oder boͤſe (§. 14.); folglich
enthalten ſie einen Bewegungsgrund
in ſich, ſie zu wollen, oder nicht zu
wollen (motivum volitionis & nolitionis
in ſe continent); ſo daß, wenn man ſie
deutlich erkennet, man ſie entweder will,
oder nicht will. Daher aber erhellet fer-
ner, 1) daß die Handlungen, welche
die Volkommenheit des Menſchen,
oder ſeines Zuſtandes befoͤrdern, ei-
nen Bewegungsgrund in ſich ent-
halten, ſie zu wollen, und alſo an und
vor ſich ſelbſt begehrungsfaͤhig ſind,
oder ſo beſchaffen, daß man ſie will;
2) daß aber die Handlungen, welche
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/46>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.