Wenn Partheyen über ein Recht streiten,Wie er sein Amt zu ver- walten hat. so wird der Kläger(actor) genannt, wel- cher ein Recht fordert, so ihm der andere leugnet, oder nicht einräumet; der Beklag- te(reus) aber, von welchem die Geweh- rung des Rechtes gefordert wird. Da nun der Schiedsrichter den Streit entscheiden soll (§. 770.); so muß er sagen, ob dem Klä- ger das Recht zukommt, welches er fordert; folglich ob der Beklagte ihn dasselbe zu gewehren schuldig sey, oder nicht (§. 765.). Derowegen muß er nach der Beschaffenheit der Sache sich er- kundigen, und davor sorgen, daß die- selbe in Ansehung aller Umstände wi- der den, welcher dieses, oder jenes leug- net, bewiesen werde, und endlich die Sache nach den Gesetzen, das ist, im natürlichen Zustande, nach dem Rech- te der Natur entscheiden. Daher er- hellet, daß ein Schiedsrichter die Ge- setze, und im natürlichen Zustand das Recht der Natur inne haben müsse.
§. 774.
Weil der Schiedsrichter nach den Gesetzen,Was der Kläger und Be- klagte zu thun hat. wie sie beschaffen, entscheiden muß (§. 773.); so muß der Kläger die Sache erzehlen, und das, was vom Beklagten geleug- net wird, beweisen: Der Beklagte aber muß auf die Erzehlung der Sache ant- worten, ob er sie vor wahr hält, oder
nicht,
N n 3
Streitigkeiten zu endigen.
§. 773.
Wenn Partheyen uͤber ein Recht ſtreiten,Wie er ſein Amt zu ver- walten hat. ſo wird der Klaͤger(actor) genannt, wel- cher ein Recht fordert, ſo ihm der andere leugnet, oder nicht einraͤumet; der Beklag- te(reus) aber, von welchem die Geweh- rung des Rechtes gefordert wird. Da nun der Schiedsrichter den Streit entſcheiden ſoll (§. 770.); ſo muß er ſagen, ob dem Klaͤ- ger das Recht zukommt, welches er fordert; folglich ob der Beklagte ihn daſſelbe zu gewehren ſchuldig ſey, oder nicht (§. 765.). Derowegen muß er nach der Beſchaffenheit der Sache ſich er- kundigen, und davor ſorgen, daß die- ſelbe in Anſehung aller Umſtaͤnde wi- der den, welcher dieſes, oder jenes leug- net, bewieſen werde, und endlich die Sache nach den Geſetzen, das iſt, im natuͤrlichen Zuſtande, nach dem Rech- te der Natur entſcheiden. Daher er- hellet, daß ein Schiedsrichter die Ge- ſetze, und im natuͤrlichen Zuſtand das Recht der Natur inne haben muͤſſe.
§. 774.
Weil der Schiedsrichter nach den Geſetzen,Was der Klaͤger und Be- klagte zu thun hat. wie ſie beſchaffen, entſcheiden muß (§. 773.); ſo muß der Klaͤger die Sache erzehlen, und das, was vom Beklagten geleug- net wird, beweiſen: Der Beklagte aber muß auf die Erzehlung der Sache ant- worten, ob er ſie vor wahr haͤlt, oder
nicht,
N n 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0601"n="565"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Streitigkeiten zu endigen.</hi></fw><lb/><divn="4"><head>§. 773.</head><lb/><p>Wenn Partheyen uͤber ein Recht ſtreiten,<noteplace="right">Wie er<lb/>ſein Amt<lb/>
zu ver-<lb/>
walten<lb/>
hat.</note><lb/>ſo wird <hirendition="#fr">der Klaͤger</hi><hirendition="#aq">(actor)</hi> genannt, wel-<lb/>
cher ein Recht fordert, ſo ihm der andere<lb/>
leugnet, oder nicht einraͤumet; der <hirendition="#fr">Beklag-<lb/>
te</hi><hirendition="#aq">(reus)</hi> aber, von welchem die Geweh-<lb/>
rung des Rechtes gefordert wird. Da nun<lb/>
der Schiedsrichter den Streit entſcheiden ſoll<lb/>
(§. 770.); <hirendition="#fr">ſo muß er ſagen, ob dem Klaͤ-<lb/>
ger das Recht zukommt, welches er<lb/>
fordert;</hi> folglich <hirendition="#fr">ob der Beklagte ihn<lb/>
daſſelbe zu gewehren ſchuldig ſey, oder<lb/>
nicht</hi> (§. 765.). Derowegen <hirendition="#fr">muß er nach<lb/>
der Beſchaffenheit der Sache ſich er-<lb/>
kundigen, und davor ſorgen, daß die-<lb/>ſelbe in Anſehung aller Umſtaͤnde wi-<lb/>
der den, welcher dieſes, oder jenes leug-<lb/>
net, bewieſen werde,</hi> und endlich <hirendition="#fr">die<lb/>
Sache nach den Geſetzen, das iſt, im<lb/>
natuͤrlichen Zuſtande, nach dem Rech-<lb/>
te der Natur entſcheiden.</hi> Daher er-<lb/>
hellet, <hirendition="#fr">daß ein Schiedsrichter die Ge-<lb/>ſetze, und im natuͤrlichen Zuſtand das<lb/>
Recht der Natur inne haben muͤſſe.</hi></p></div><lb/><divn="4"><head>§. 774.</head><lb/><p>Weil der Schiedsrichter nach den Geſetzen,<noteplace="right">Was der<lb/>
Klaͤger<lb/>
und Be-<lb/>
klagte zu<lb/>
thun hat.</note><lb/>
wie ſie beſchaffen, entſcheiden muß (§. 773.);<lb/><hirendition="#fr">ſo muß der Klaͤger die Sache erzehlen,<lb/>
und das, was vom Beklagten geleug-<lb/>
net wird, beweiſen: Der Beklagte aber<lb/>
muß auf die Erzehlung der Sache ant-<lb/>
worten, ob er ſie vor wahr haͤlt, oder</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">N n 3</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">nicht,</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[565/0601]
Streitigkeiten zu endigen.
§. 773.
Wenn Partheyen uͤber ein Recht ſtreiten,
ſo wird der Klaͤger (actor) genannt, wel-
cher ein Recht fordert, ſo ihm der andere
leugnet, oder nicht einraͤumet; der Beklag-
te (reus) aber, von welchem die Geweh-
rung des Rechtes gefordert wird. Da nun
der Schiedsrichter den Streit entſcheiden ſoll
(§. 770.); ſo muß er ſagen, ob dem Klaͤ-
ger das Recht zukommt, welches er
fordert; folglich ob der Beklagte ihn
daſſelbe zu gewehren ſchuldig ſey, oder
nicht (§. 765.). Derowegen muß er nach
der Beſchaffenheit der Sache ſich er-
kundigen, und davor ſorgen, daß die-
ſelbe in Anſehung aller Umſtaͤnde wi-
der den, welcher dieſes, oder jenes leug-
net, bewieſen werde, und endlich die
Sache nach den Geſetzen, das iſt, im
natuͤrlichen Zuſtande, nach dem Rech-
te der Natur entſcheiden. Daher er-
hellet, daß ein Schiedsrichter die Ge-
ſetze, und im natuͤrlichen Zuſtand das
Recht der Natur inne haben muͤſſe.
Wie er
ſein Amt
zu ver-
walten
hat.
§. 774.
Weil der Schiedsrichter nach den Geſetzen,
wie ſie beſchaffen, entſcheiden muß (§. 773.);
ſo muß der Klaͤger die Sache erzehlen,
und das, was vom Beklagten geleug-
net wird, beweiſen: Der Beklagte aber
muß auf die Erzehlung der Sache ant-
worten, ob er ſie vor wahr haͤlt, oder
nicht,
Was der
Klaͤger
und Be-
klagte zu
thun hat.
N n 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/601>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.