Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



der Stadt, um in der Ruhe der Einsamkeit sei-
ne Gedanken zu sammeln, und sich zum Gebet
mit seinen Freunden zu vereinigen. Gethsemane,
ein Garten am Oelberge, einst die Stätte so
mancher freundschaftlichen Freuden, in der
Unterhaltung mit seinen Geliebten, sollte auch
izt der Ort seyn, wo er seinen Kummer ganz vor
ihnen ausschütten wollte. Seine Jünger folgten
ihm, noch wie immer, mit der innigsten Theil-
nehmung an allem was ihm begegnen würde.
Aber Jesus sahe voraus, wie wenig er auf den
Beistand dieser schwachen Freunde rechnen dür-
fe. Es ist seine erste Klage: "Jn dieser trau-
&q;rigen Nacht werdet ihr euch alle an mir är-
&q;gern:
werdet vielleicht ganz irre an mir wer-
&q;den; jene Weißagung wird an mir und euch in
&q;Erfüllung gehn: (Zach. 13, 7.) der Hirte
&q;wird geschlagen werden, und die Schaafe der
&q;Heerde werden sich zerstreuen; ich euer Lehrer,
&q;euer Freund, euer Heerführer, werde unter
&q;der Macht meiner Feinde erliegen, und ihr mei-
&q;ne Freunde werdet schüchtern fliehn. Doch,
&q;setzt er ihnen zum Troste hinzu: wenn man
&q;mich gleich ertödtet ins Grab legt; ich werde
&q;auferstehn, und euch in Galiläa wiedersehn."
Den Jüngern Jesu schien dies alles noch eine

bild-
O 3



der Stadt, um in der Ruhe der Einſamkeit ſei-
ne Gedanken zu ſammeln, und ſich zum Gebet
mit ſeinen Freunden zu vereinigen. Gethſemane,
ein Garten am Oelberge, einſt die Stätte ſo
mancher freundſchaftlichen Freuden, in der
Unterhaltung mit ſeinen Geliebten, ſollte auch
izt der Ort ſeyn, wo er ſeinen Kummer ganz vor
ihnen ausſchütten wollte. Seine Jünger folgten
ihm, noch wie immer, mit der innigſten Theil-
nehmung an allem was ihm begegnen würde.
Aber Jeſus ſahe voraus, wie wenig er auf den
Beiſtand dieſer ſchwachen Freunde rechnen dür-
fe. Es iſt ſeine erſte Klage: “Jn dieſer trau-
&q;rigen Nacht werdet ihr euch alle an mir är-
&q;gern:
werdet vielleicht ganz irre an mir wer-
&q;den; jene Weißagung wird an mir und euch in
&q;Erfüllung gehn: (Zach. 13, 7.) der Hirte
&q;wird geſchlagen werden, und die Schaafe der
&q;Heerde werden ſich zerſtreuen; ich euer Lehrer,
&q;euer Freund, euer Heerführer, werde unter
&q;der Macht meiner Feinde erliegen, und ihr mei-
&q;ne Freunde werdet ſchüchtern fliehn. Doch,
&q;ſetzt er ihnen zum Troſte hinzu: wenn man
&q;mich gleich ertödtet ins Grab legt; ich werde
&q;auferſtehn, und euch in Galiläa wiederſehn.“
Den Jüngern Jeſu ſchien dies alles noch eine

bild-
O 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0265" n="213"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
der Stadt, um in der Ruhe der Ein&#x017F;amkeit &#x017F;ei-<lb/>
ne Gedanken zu &#x017F;ammeln, und &#x017F;ich zum Gebet<lb/>
mit &#x017F;einen Freunden zu vereinigen. Geth&#x017F;emane,<lb/>
ein Garten am Oelberge, ein&#x017F;t die Stätte &#x017F;o<lb/>
mancher freund&#x017F;chaftlichen Freuden, in der<lb/>
Unterhaltung mit &#x017F;einen Geliebten, &#x017F;ollte auch<lb/>
izt der Ort &#x017F;eyn, wo er &#x017F;einen Kummer ganz vor<lb/>
ihnen aus&#x017F;chütten wollte. Seine Jünger folgten<lb/>
ihm, noch wie immer, mit der innig&#x017F;ten Theil-<lb/>
nehmung an allem was ihm begegnen würde.<lb/>
Aber Je&#x017F;us &#x017F;ahe voraus, wie wenig er auf den<lb/>
Bei&#x017F;tand die&#x017F;er &#x017F;chwachen Freunde rechnen dür-<lb/>
fe. Es i&#x017F;t &#x017F;eine er&#x017F;te Klage: <hi rendition="#fr">&#x201C;Jn die&#x017F;er trau-<lb/>
&amp;q;rigen Nacht werdet ihr euch alle an mir är-<lb/>
&amp;q;gern:</hi> werdet vielleicht ganz irre an mir wer-<lb/>
&amp;q;den; jene Weißagung wird an mir und euch in<lb/>
&amp;q;Erfüllung gehn: (Zach. 13, 7.) der Hirte<lb/>
&amp;q;wird ge&#x017F;chlagen werden, und die Schaafe der<lb/>
&amp;q;Heerde werden &#x017F;ich zer&#x017F;treuen; ich euer Lehrer,<lb/>
&amp;q;euer Freund, euer Heerführer, werde unter<lb/>
&amp;q;der Macht meiner Feinde erliegen, und ihr mei-<lb/>
&amp;q;ne Freunde werdet &#x017F;chüchtern fliehn. Doch,<lb/>
&amp;q;&#x017F;etzt er ihnen zum Tro&#x017F;te hinzu: wenn man<lb/>
&amp;q;mich gleich ertödtet ins Grab legt; ich werde<lb/>
&amp;q;aufer&#x017F;tehn, und euch in Galiläa wieder&#x017F;ehn.&#x201C;<lb/>
Den Jüngern Je&#x017F;u &#x017F;chien dies alles noch eine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 3</fw><fw place="bottom" type="catch">bild-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0265] der Stadt, um in der Ruhe der Einſamkeit ſei- ne Gedanken zu ſammeln, und ſich zum Gebet mit ſeinen Freunden zu vereinigen. Gethſemane, ein Garten am Oelberge, einſt die Stätte ſo mancher freundſchaftlichen Freuden, in der Unterhaltung mit ſeinen Geliebten, ſollte auch izt der Ort ſeyn, wo er ſeinen Kummer ganz vor ihnen ausſchütten wollte. Seine Jünger folgten ihm, noch wie immer, mit der innigſten Theil- nehmung an allem was ihm begegnen würde. Aber Jeſus ſahe voraus, wie wenig er auf den Beiſtand dieſer ſchwachen Freunde rechnen dür- fe. Es iſt ſeine erſte Klage: “Jn dieſer trau- &q;rigen Nacht werdet ihr euch alle an mir är- &q;gern: werdet vielleicht ganz irre an mir wer- &q;den; jene Weißagung wird an mir und euch in &q;Erfüllung gehn: (Zach. 13, 7.) der Hirte &q;wird geſchlagen werden, und die Schaafe der &q;Heerde werden ſich zerſtreuen; ich euer Lehrer, &q;euer Freund, euer Heerführer, werde unter &q;der Macht meiner Feinde erliegen, und ihr mei- &q;ne Freunde werdet ſchüchtern fliehn. Doch, &q;ſetzt er ihnen zum Troſte hinzu: wenn man &q;mich gleich ertödtet ins Grab legt; ich werde &q;auferſtehn, und euch in Galiläa wiederſehn.“ Den Jüngern Jeſu ſchien dies alles noch eine bild- O 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/265
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/265>, abgerufen am 23.06.2024.