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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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den, begleitet von rachsüchtigen Vornehmen sei-
nes Volkes, die er durch die Stimme der Wahr-
heit, durch ernstliche Warnungen im Namen
Gottes, wider sich aufgebracht hatte; die un-
eingedenk aller seiner wohlthätigen Wunder, in
ihm den Verächter Gottes, und den Feind ihrer
Ruhe zu vertilgen glaubten; Jhr Anführer, sein
Jünger, in dessen Seele der unselige Durst nach
Golde, alle Empfindungen der Redlichkeit und
Dankbarkeit erstickt hatte; einst sein Freund,
der Gefährte so manches freundschaftlichen Mah-
les; itzt sein Verräther, der seine Liebe mit Fü-
ßen trat. Er erhob sein thränendes Auge zum
Himmel: "Mein Vater! es ist dir alles
&q;möglich, was dein guter Wille beschließt!
&q;bitter ist dieser Kelch! überhebe mich seiner!
&q;doch, nicht wie ich will, nein, wie du willst!

-- Er richtet sich auf und kehrt zu seinen
Freunden zurück, seine Thränen in ihren
Schooß zu weinen; aber, sie hatten sich, in der
Einsamkeit der Nacht, an den Oelberg hingelegt,
sich miteinander vielleicht einige Augenblicke von
der Traurigkeit ihres Herrn unterhalten, und
waren endlich vor Ermüdung und Bekümmer-
niß schlummernd hingesunken. Jesus sahe es,
und fühlte Mitleid mit ihrer Schwachheit. Er

re-



den, begleitet von rachſüchtigen Vornehmen ſei-
nes Volkes, die er durch die Stimme der Wahr-
heit, durch ernſtliche Warnungen im Namen
Gottes, wider ſich aufgebracht hatte; die un-
eingedenk aller ſeiner wohlthätigen Wunder, in
ihm den Verächter Gottes, und den Feind ihrer
Ruhe zu vertilgen glaubten; Jhr Anführer, ſein
Jünger, in deſſen Seele der unſelige Durſt nach
Golde, alle Empfindungen der Redlichkeit und
Dankbarkeit erſtickt hatte; einſt ſein Freund,
der Gefährte ſo manches freundſchaftlichen Mah-
les; itzt ſein Verräther, der ſeine Liebe mit Fü-
ßen trat. Er erhob ſein thränendes Auge zum
Himmel: “Mein Vater! es iſt dir alles
&q;möglich, was dein guter Wille beſchließt!
&q;bitter iſt dieſer Kelch! überhebe mich ſeiner!
&q;doch, nicht wie ich will, nein, wie du willſt!

— Er richtet ſich auf und kehrt zu ſeinen
Freunden zurück, ſeine Thränen in ihren
Schooß zu weinen; aber, ſie hatten ſich, in der
Einſamkeit der Nacht, an den Oelberg hingelegt,
ſich miteinander vielleicht einige Augenblicke von
der Traurigkeit ihres Herrn unterhalten, und
waren endlich vor Ermüdung und Bekümmer-
niß ſchlummernd hingeſunken. Jeſus ſahe es,
und fühlte Mitleid mit ihrer Schwachheit. Er

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[218/0270] den, begleitet von rachſüchtigen Vornehmen ſei- nes Volkes, die er durch die Stimme der Wahr- heit, durch ernſtliche Warnungen im Namen Gottes, wider ſich aufgebracht hatte; die un- eingedenk aller ſeiner wohlthätigen Wunder, in ihm den Verächter Gottes, und den Feind ihrer Ruhe zu vertilgen glaubten; Jhr Anführer, ſein Jünger, in deſſen Seele der unſelige Durſt nach Golde, alle Empfindungen der Redlichkeit und Dankbarkeit erſtickt hatte; einſt ſein Freund, der Gefährte ſo manches freundſchaftlichen Mah- les; itzt ſein Verräther, der ſeine Liebe mit Fü- ßen trat. Er erhob ſein thränendes Auge zum Himmel: “Mein Vater! es iſt dir alles &q;möglich, was dein guter Wille beſchließt! &q;bitter iſt dieſer Kelch! überhebe mich ſeiner! &q;doch, nicht wie ich will, nein, wie du willſt! — Er richtet ſich auf und kehrt zu ſeinen Freunden zurück, ſeine Thränen in ihren Schooß zu weinen; aber, ſie hatten ſich, in der Einſamkeit der Nacht, an den Oelberg hingelegt, ſich miteinander vielleicht einige Augenblicke von der Traurigkeit ihres Herrn unterhalten, und waren endlich vor Ermüdung und Bekümmer- niß ſchlummernd hingeſunken. Jeſus ſahe es, und fühlte Mitleid mit ihrer Schwachheit. Er re-

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/270>, abgerufen am 25.11.2024.