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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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-- "mich dürstet!" -- Unmenschlicher Spott,
und ein Schwamm mit Eßig getränkt, ist die
Antwort seiner Feinde. Doch siehe! es waren
seine lezte Klagen, und der lezte Hohn, den er
duldete. Sein mattgequältes Herz brach, sein
Odem stand stille! Mit sterbender Kraft, ruft
er noch einmal: "Es ist vollbracht! Vater,
&q;in deine Hände befehl ich meinen Geist!"

neigte sein Haupt auf seine Brust, und starb.
-- Maria hört es, seine Freunde hören es:
sie verstanden nur zum Theil den Nachdruck die-
ser Worte, und ihre Empfindung war zwischen
Trost und Klage getheilt. Er ist erblaßt! und
unsre Hoffnung ist wohl dahin; und wir werden
ihn nicht wieder sehn! doch, er hats vollbracht,
und leidet nun nichts mehr! keinen Schmerz,
keine Angst, keinen Spott; sieht unsern Jam-
mer nicht mehr; sein Leichnam ruht bald, aller
Gewaltthätigkeit entnommen, im Schooße der
Erde; und sein Geist, in Gottes Hand! --
So dachten sie wohl: verließen sein Creuz, gien-
gen ihren Hütten wieder zu, weinten ihm da stille
Thränen der Wehmuth, und warteten auf ihren
Tod, der sie ihm wieder zuführen würde.

Verweile du, meine Seele! bei diesem
großen Gedanken: "Es ist vollbracht." Du

ver-



“mich dürſtet!” — Unmenſchlicher Spott,
und ein Schwamm mit Eßig getränkt, iſt die
Antwort ſeiner Feinde. Doch ſiehe! es waren
ſeine lezte Klagen, und der lezte Hohn, den er
duldete. Sein mattgequältes Herz brach, ſein
Odem ſtand ſtille! Mit ſterbender Kraft, ruft
er noch einmal: “Es iſt vollbracht! Vater,
&q;in deine Hände befehl ich meinen Geiſt!”

neigte ſein Haupt auf ſeine Bruſt, und ſtarb.
— Maria hört es, ſeine Freunde hören es:
ſie verſtanden nur zum Theil den Nachdruck die-
ſer Worte, und ihre Empfindung war zwiſchen
Troſt und Klage getheilt. Er iſt erblaßt! und
unſre Hoffnung iſt wohl dahin; und wir werden
ihn nicht wieder ſehn! doch, er hats vollbracht,
und leidet nun nichts mehr! keinen Schmerz,
keine Angſt, keinen Spott; ſieht unſern Jam-
mer nicht mehr; ſein Leichnam ruht bald, aller
Gewaltthätigkeit entnommen, im Schooße der
Erde; und ſein Geiſt, in Gottes Hand! —
So dachten ſie wohl: verließen ſein Creuz, gien-
gen ihren Hütten wieder zu, weinten ihm da ſtille
Thränen der Wehmuth, und warteten auf ihren
Tod, der ſie ihm wieder zuführen würde.

Verweile du, meine Seele! bei dieſem
großen Gedanken: “Es iſt vollbracht.” Du

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[276/0328] — “mich dürſtet!” — Unmenſchlicher Spott, und ein Schwamm mit Eßig getränkt, iſt die Antwort ſeiner Feinde. Doch ſiehe! es waren ſeine lezte Klagen, und der lezte Hohn, den er duldete. Sein mattgequältes Herz brach, ſein Odem ſtand ſtille! Mit ſterbender Kraft, ruft er noch einmal: “Es iſt vollbracht! Vater, &q;in deine Hände befehl ich meinen Geiſt!” neigte ſein Haupt auf ſeine Bruſt, und ſtarb. — Maria hört es, ſeine Freunde hören es: ſie verſtanden nur zum Theil den Nachdruck die- ſer Worte, und ihre Empfindung war zwiſchen Troſt und Klage getheilt. Er iſt erblaßt! und unſre Hoffnung iſt wohl dahin; und wir werden ihn nicht wieder ſehn! doch, er hats vollbracht, und leidet nun nichts mehr! keinen Schmerz, keine Angſt, keinen Spott; ſieht unſern Jam- mer nicht mehr; ſein Leichnam ruht bald, aller Gewaltthätigkeit entnommen, im Schooße der Erde; und ſein Geiſt, in Gottes Hand! — So dachten ſie wohl: verließen ſein Creuz, gien- gen ihren Hütten wieder zu, weinten ihm da ſtille Thränen der Wehmuth, und warteten auf ihren Tod, der ſie ihm wieder zuführen würde. Verweile du, meine Seele! bei dieſem großen Gedanken: “Es iſt vollbracht.” Du ver-

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/328>, abgerufen am 22.11.2024.