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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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bens, die er vorangegangen ist, zum Grabe fol-
gen, wenn er dich auf der Bahn des Todes
einst zu seinen Freuden leiten soll. O, so schwe-
be mir denn täglich vor Augen, und ruhe mir
tief im Gedächtniß, du furchtbare, und dennoch
friedenvolle und segensreiche, Todesstunde mei-
nes Erlösers.

Hier schau ich hin auf meine Todesstunde.
Es ist vollbracht: mein irdisches Leben, mit
seinen Thaten, und seiner Arbeit, und seinen
Leiden: o, das wird einst jedem, der mich sterben
siehet, das verlöschende Licht meiner Augen, und
die Todesbläße auf meinem Antlitz, und der ge-
brochne Laut meiner Stimme, und das fühllose
Erstarren meiner Glieder, verkündigen. Wär
es denn aber ein Leben gewesen, verschwendet in
der rastlosen Mühe für diese Welt, und unge-
nützt für die zukünftige, verdunkelt in fröhlichen
Zerstreuungen der Sinne, leer an guten Thaten
für die Ewigkeit; wären es nur die Mühe und
Leiden der Eitelkeit und Sünden gewesen, nur
die Unruhe aufgebrachter Leidenschaften, nur das
ungesättigte Schmachten der Wollust, oder der
Verdruß des unbefriedigten Stolzes, oder die
Sorge des nimmer gesättigten Durstes nach

Gol-



bens, die er vorangegangen iſt, zum Grabe fol-
gen, wenn er dich auf der Bahn des Todes
einſt zu ſeinen Freuden leiten ſoll. O, ſo ſchwe-
be mir denn täglich vor Augen, und ruhe mir
tief im Gedächtniß, du furchtbare, und dennoch
friedenvolle und ſegensreiche, Todesſtunde mei-
nes Erlöſers.

Hier ſchau ich hin auf meine Todesſtunde.
Es iſt vollbracht: mein irdiſches Leben, mit
ſeinen Thaten, und ſeiner Arbeit, und ſeinen
Leiden: o, das wird einſt jedem, der mich ſterben
ſiehet, das verlöſchende Licht meiner Augen, und
die Todesbläße auf meinem Antlitz, und der ge-
brochne Laut meiner Stimme, und das fühlloſe
Erſtarren meiner Glieder, verkündigen. Wär
es denn aber ein Leben geweſen, verſchwendet in
der raſtloſen Mühe für dieſe Welt, und unge-
nützt für die zukünftige, verdunkelt in fröhlichen
Zerſtreuungen der Sinne, leer an guten Thaten
für die Ewigkeit; wären es nur die Mühe und
Leiden der Eitelkeit und Sünden geweſen, nur
die Unruhe aufgebrachter Leidenſchaften, nur das
ungeſättigte Schmachten der Wolluſt, oder der
Verdruß des unbefriedigten Stolzes, oder die
Sorge des nimmer geſättigten Durſtes nach

Gol-
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[286/0338] bens, die er vorangegangen iſt, zum Grabe fol- gen, wenn er dich auf der Bahn des Todes einſt zu ſeinen Freuden leiten ſoll. O, ſo ſchwe- be mir denn täglich vor Augen, und ruhe mir tief im Gedächtniß, du furchtbare, und dennoch friedenvolle und ſegensreiche, Todesſtunde mei- nes Erlöſers. Hier ſchau ich hin auf meine Todesſtunde. Es iſt vollbracht: mein irdiſches Leben, mit ſeinen Thaten, und ſeiner Arbeit, und ſeinen Leiden: o, das wird einſt jedem, der mich ſterben ſiehet, das verlöſchende Licht meiner Augen, und die Todesbläße auf meinem Antlitz, und der ge- brochne Laut meiner Stimme, und das fühlloſe Erſtarren meiner Glieder, verkündigen. Wär es denn aber ein Leben geweſen, verſchwendet in der raſtloſen Mühe für dieſe Welt, und unge- nützt für die zukünftige, verdunkelt in fröhlichen Zerſtreuungen der Sinne, leer an guten Thaten für die Ewigkeit; wären es nur die Mühe und Leiden der Eitelkeit und Sünden geweſen, nur die Unruhe aufgebrachter Leidenſchaften, nur das ungeſättigte Schmachten der Wolluſt, oder der Verdruß des unbefriedigten Stolzes, oder die Sorge des nimmer geſättigten Durſtes nach Gol-

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/338>, abgerufen am 24.06.2024.