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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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verloren, welche, durch die Macht sündli-
cher Neigungen und gewaltiger Leidenschaf-
ten verhärtet ist:
davon zeugt das Beispiel der
Großen unter dem jüdischen Volke, dieser bit-
tersten Feinde Jesu. Ohne an jenen augenschein-
lichen Wundern die Stimme Gottes zu erken-
nen, und immer noch gleich ungerührt, durch
die Unschuld und Großmuth dessen, den sie ans
Creuz brachten, beschimpfen sie ihn, dessen eh-
renvoller Bestattung sie sich nicht widersetzen
konnten, im Grabe noch, mit dem Namen ei-
nes Betrügers, und mit jener, unter so schalem
Vorwande erbetnen Wache. -- Die feurig-
sten Rührungen verschwinden ohne Kraft,
nur zu bald aus leichtsinnigen Herzen:
da-
von giebt die gröste Menge umstehender Zuschau-
er am Creuze Jesu, den traurigsten Beweis.
Kaum hat sich ihr Herz von den Schrecken der
Verfinsterung erhohlt, so erwacht der Spottgeist
gegen den sterbenden Erlöser aufs neue, bis der
Tod sein Ohr gegen ihre Schmähungen ver-
schließt. -- Doch, mögen immerhin die Be-
arbeitungen der Vorsehung, zur Weisheit und
Besserung, an noch so viel Herzen fruchtlos
gewandt seyn: sie gehn nicht ganz verloren.
Unter dem Creuze Jesu, fühlt sich der heidni-

sche



verloren, welche, durch die Macht ſündli-
cher Neigungen und gewaltiger Leidenſchaf-
ten verhärtet iſt:
davon zeugt das Beiſpiel der
Großen unter dem jüdiſchen Volke, dieſer bit-
terſten Feinde Jeſu. Ohne an jenen augenſchein-
lichen Wundern die Stimme Gottes zu erken-
nen, und immer noch gleich ungerührt, durch
die Unſchuld und Großmuth deſſen, den ſie ans
Creuz brachten, beſchimpfen ſie ihn, deſſen eh-
renvoller Beſtattung ſie ſich nicht widerſetzen
konnten, im Grabe noch, mit dem Namen ei-
nes Betrügers, und mit jener, unter ſo ſchalem
Vorwande erbetnen Wache. — Die feurig-
ſten Rührungen verſchwinden ohne Kraft,
nur zu bald aus leichtſinnigen Herzen:
da-
von giebt die gröſte Menge umſtehender Zuſchau-
er am Creuze Jeſu, den traurigſten Beweis.
Kaum hat ſich ihr Herz von den Schrecken der
Verfinſterung erhohlt, ſo erwacht der Spottgeiſt
gegen den ſterbenden Erlöſer aufs neue, bis der
Tod ſein Ohr gegen ihre Schmähungen ver-
ſchließt. — Doch, mögen immerhin die Be-
arbeitungen der Vorſehung, zur Weisheit und
Beſſerung, an noch ſo viel Herzen fruchtlos
gewandt ſeyn: ſie gehn nicht ganz verloren.
Unter dem Creuze Jeſu, fühlt ſich der heidni-

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[298/0350] verloren, welche, durch die Macht ſündli- cher Neigungen und gewaltiger Leidenſchaf- ten verhärtet iſt: davon zeugt das Beiſpiel der Großen unter dem jüdiſchen Volke, dieſer bit- terſten Feinde Jeſu. Ohne an jenen augenſchein- lichen Wundern die Stimme Gottes zu erken- nen, und immer noch gleich ungerührt, durch die Unſchuld und Großmuth deſſen, den ſie ans Creuz brachten, beſchimpfen ſie ihn, deſſen eh- renvoller Beſtattung ſie ſich nicht widerſetzen konnten, im Grabe noch, mit dem Namen ei- nes Betrügers, und mit jener, unter ſo ſchalem Vorwande erbetnen Wache. — Die feurig- ſten Rührungen verſchwinden ohne Kraft, nur zu bald aus leichtſinnigen Herzen: da- von giebt die gröſte Menge umſtehender Zuſchau- er am Creuze Jeſu, den traurigſten Beweis. Kaum hat ſich ihr Herz von den Schrecken der Verfinſterung erhohlt, ſo erwacht der Spottgeiſt gegen den ſterbenden Erlöſer aufs neue, bis der Tod ſein Ohr gegen ihre Schmähungen ver- ſchließt. — Doch, mögen immerhin die Be- arbeitungen der Vorſehung, zur Weisheit und Beſſerung, an noch ſo viel Herzen fruchtlos gewandt ſeyn: ſie gehn nicht ganz verloren. Unter dem Creuze Jeſu, fühlt ſich der heidni- ſche

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/350>, abgerufen am 22.11.2024.