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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 9. Die intensiven Vorstellungen.
weist, dass die Charakteristik der Vokale im wesentlichen
auf ihren Geräuschelementen beruht. Bei allen Geräuschen
verbinden sich übrigens wahrscheinlich mit den zahlreichen
in sie eingehenden Tonelementen auch einfache Geräusch-
empfindungen (S. 58), indem die aus den Störungen der Ton-
wellen entspringenden unregelmäßigen Lufterschütterungen
theils die durch solche erregbaren Elemente im Vorhof des La-
byrinths, theils wohl auch direct die Hörnervenfasern erregen.

7a. Das Verständniss der physiologischen Grundlagen der
intensiven Gehörs- und namentlich der Klangvorstellungen ist
durch die von Helmholtz aufgestellte Resonanzhypothese
(S. 61) wesentlich gefördert worden. Indem man annimmt, dass
bestimmte Theile des Gehörapparats derart abgestimmt seien, dass
durch Tonwellen von einer gewissen Schwingungszahl immer nur
die entsprechend abgestimmten Theile in Mitschwingungen versetzt
werden, wird im allgemeinen jene analysirende Fähigkeit des
Gehörssinns begreiflich gemacht, vermöge deren wir nicht nur in
einem Zusammenklang, sondern bis zu einem gewissen Grade
selbst in einem Einzelklang die Tonelemente unterscheiden
können. Aber die Resonanzhypothese gibt nur über die eine
Seite der Tonverschmelzung, die Fortexistenz der einzelnen Em-
pfindungen in dem intensiven Vorstellungsganzen, nicht über die
andere, die mehr oder weniger innige Verbindung der Elemente,
physiologische Rechenschaft. Wenn man zu diesem Behufe einen
imaginären "Verschmelzungsapparat" im Gehirn angenommen hat,
so gehört dies zu jenen mehr schädlichen als nützlichen Fic-
tionen, bei denen man das Erklärungsbedürfniss durch ein nichts-
sagendes Wort zu befriedigen sucht. Insofern die eine intensive
Klangvorstellung erzeugenden Tonelemente in jener als reale
Empfindungen enthalten sind und gleichwohl ihre Selbständigkeit
in dem Ganzen der Vorstellung mehr oder weniger aufgeben,
ist die Tonverschmelzung ein psychischer Vorgang, der daher
auch eine psychologische Erklärung fordert. Insofern aber diese
Verschmelzung unter verschiedenen objectiven Bedingungen, z. B.
bei der Einwirkung der zusammengesetzten Schwingungen einer
einzigen Klangquelle und bei derjenigen verschiedener Klang-
quellen, in sehr abweichender Weise vor sich geht, bedürfen

§ 9. Die intensiven Vorstellungen.
weist, dass die Charakteristik der Vokale im wesentlichen
auf ihren Geräuschelementen beruht. Bei allen Geräuschen
verbinden sich übrigens wahrscheinlich mit den zahlreichen
in sie eingehenden Tonelementen auch einfache Geräusch-
empfindungen (S. 58), indem die aus den Störungen der Ton-
wellen entspringenden unregelmäßigen Lufterschütterungen
theils die durch solche erregbaren Elemente im Vorhof des La-
byrinths, theils wohl auch direct die Hörnervenfasern erregen.

7a. Das Verständniss der physiologischen Grundlagen der
intensiven Gehörs- und namentlich der Klangvorstellungen ist
durch die von Helmholtz aufgestellte Resonanzhypothese
(S. 61) wesentlich gefördert worden. Indem man annimmt, dass
bestimmte Theile des Gehörapparats derart abgestimmt seien, dass
durch Tonwellen von einer gewissen Schwingungszahl immer nur
die entsprechend abgestimmten Theile in Mitschwingungen versetzt
werden, wird im allgemeinen jene analysirende Fähigkeit des
Gehörssinns begreiflich gemacht, vermöge deren wir nicht nur in
einem Zusammenklang, sondern bis zu einem gewissen Grade
selbst in einem Einzelklang die Tonelemente unterscheiden
können. Aber die Resonanzhypothese gibt nur über die eine
Seite der Tonverschmelzung, die Fortexistenz der einzelnen Em-
pfindungen in dem intensiven Vorstellungsganzen, nicht über die
andere, die mehr oder weniger innige Verbindung der Elemente,
physiologische Rechenschaft. Wenn man zu diesem Behufe einen
imaginären »Verschmelzungsapparat« im Gehirn angenommen hat,
so gehört dies zu jenen mehr schädlichen als nützlichen Fic-
tionen, bei denen man das Erklärungsbedürfniss durch ein nichts-
sagendes Wort zu befriedigen sucht. Insofern die eine intensive
Klangvorstellung erzeugenden Tonelemente in jener als reale
Empfindungen enthalten sind und gleichwohl ihre Selbständigkeit
in dem Ganzen der Vorstellung mehr oder weniger aufgeben,
ist die Tonverschmelzung ein psychischer Vorgang, der daher
auch eine psychologische Erklärung fordert. Insofern aber diese
Verschmelzung unter verschiedenen objectiven Bedingungen, z. B.
bei der Einwirkung der zusammengesetzten Schwingungen einer
einzigen Klangquelle und bei derjenigen verschiedener Klang-
quellen, in sehr abweichender Weise vor sich geht, bedürfen

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[119/0135] § 9. Die intensiven Vorstellungen. weist, dass die Charakteristik der Vokale im wesentlichen auf ihren Geräuschelementen beruht. Bei allen Geräuschen verbinden sich übrigens wahrscheinlich mit den zahlreichen in sie eingehenden Tonelementen auch einfache Geräusch- empfindungen (S. 58), indem die aus den Störungen der Ton- wellen entspringenden unregelmäßigen Lufterschütterungen theils die durch solche erregbaren Elemente im Vorhof des La- byrinths, theils wohl auch direct die Hörnervenfasern erregen. 7a. Das Verständniss der physiologischen Grundlagen der intensiven Gehörs- und namentlich der Klangvorstellungen ist durch die von Helmholtz aufgestellte Resonanzhypothese (S. 61) wesentlich gefördert worden. Indem man annimmt, dass bestimmte Theile des Gehörapparats derart abgestimmt seien, dass durch Tonwellen von einer gewissen Schwingungszahl immer nur die entsprechend abgestimmten Theile in Mitschwingungen versetzt werden, wird im allgemeinen jene analysirende Fähigkeit des Gehörssinns begreiflich gemacht, vermöge deren wir nicht nur in einem Zusammenklang, sondern bis zu einem gewissen Grade selbst in einem Einzelklang die Tonelemente unterscheiden können. Aber die Resonanzhypothese gibt nur über die eine Seite der Tonverschmelzung, die Fortexistenz der einzelnen Em- pfindungen in dem intensiven Vorstellungsganzen, nicht über die andere, die mehr oder weniger innige Verbindung der Elemente, physiologische Rechenschaft. Wenn man zu diesem Behufe einen imaginären »Verschmelzungsapparat« im Gehirn angenommen hat, so gehört dies zu jenen mehr schädlichen als nützlichen Fic- tionen, bei denen man das Erklärungsbedürfniss durch ein nichts- sagendes Wort zu befriedigen sucht. Insofern die eine intensive Klangvorstellung erzeugenden Tonelemente in jener als reale Empfindungen enthalten sind und gleichwohl ihre Selbständigkeit in dem Ganzen der Vorstellung mehr oder weniger aufgeben, ist die Tonverschmelzung ein psychischer Vorgang, der daher auch eine psychologische Erklärung fordert. Insofern aber diese Verschmelzung unter verschiedenen objectiven Bedingungen, z. B. bei der Einwirkung der zusammengesetzten Schwingungen einer einzigen Klangquelle und bei derjenigen verschiedener Klang- quellen, in sehr abweichender Weise vor sich geht, bedürfen

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/135>, abgerufen am 21.11.2024.