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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Lichte.
mässigsten der reinste der in der Natur vorkommenden Quarze, der
Bergkrystall, dar. Da der Quarz zum Hexaogonalsystem, also zu
einem einaxigen Krystallsystem gehört, so sollte man erwarten, dass
er, ähnlich dem Kalkspath und andern einaxigen Krystallen, auf zur
Hauptaxe senkrechten Durchschnitten die in Fig. 177 dargestellten
Erscheinungen zeigen werde. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr
finden wir, dass eine solche Quarzplatte bei gekreuzter Stellung der
beiden Nicols und der Beleuchtung mit homogenem Licht in der Mitte
des Gesichtsfeldes einen hellen Fleck zeigt, der die beiden Schenkel-
paare des Kreuzes unterbricht; die sonstige Aufeinanderfolge der dun-
keln und hellen Ringe entspricht jedoch derjenigen, wie man sie bei
andern einaxigen Krystallen beobachtet. Dreht man nun das eine
der Nicol'schen Prismen um einen bestimmten Winkel, so tritt Ver-
dunkelung der Mitte des Gesichtsfeldes ein: soll also eine Quarzplatte
die sonst bei rechtwinklig gekreuzter Stellung der Nicol's eintretende
Polarisationsfigur zeigen, so dürfen dieselben nicht rechtwinklig ge-
kreuzt sein, sondern sie müssen einen bestimmten andern Winkel mit
einander bilden, oder, wie wir dieselbe Thatsache auch ausdrücken
können: wenn die beiden Nicol's, zwischen welchen sich eine Quarz-
platte befindet, rechtwinklig gekreuzt sind, so verhalten sie sich so,
als wenn sie bei einer andern einaxigen Krystallplatte nicht ganz
unter einem rechten Winkel gekreuzt wären. Nun ist aber die Mitte
der Polarisationsfigur sonst desshalb dunkel, weil die Polarisations-
ebene der parallel der Hauptaxe einfallenden Strahlen nicht geändert
wird, und weil sich daher da wo die Strahlen senkrecht auf die Platte
fallen die Erscheinung gerade so verhält, als wenn gar keine Platte
vorhanden wäre, in welchem Fall, wie wir gesehen haben, das obere
Prisma die vom untern hindurchgelassenen Strahlen auslöscht. Findet
dies nun beim Zwischenschieben einer Quarzplatte nicht statt, so müs-
sen wir schliessen, dass der Quarz auch die Polarisationsebene der
ihn parallel seiner Hauptaxe durchsetzenden Strahlen verändert, und
zwar wird diese Drehung der Polarisationsebene im selben Sinne er-
folgen, im welchem man das obere Nicol'sche Prisma drehen muss,
um die Mitte des Kreuzes zu verdunkeln. Beim Quarze erfolgt die
Drehung bald rechts, im Sinn der Bewegung eines Uhrzeigers, bald
links. Es giebt also rechtsdrehende und linksdrehende
Quarze. Für verschiedene Farben ist natürlich der Winkel, um wel-
chen man den Nicol drehen muss, damit die Mitte des Gesichtsfeldes
verdunkelt werde, ein verschiedener: je brechbarer die Strahlen sind,
um so stärker muss die Drehung sein. So beträgt dieselbe nach den
Messungen von Biot bei Anwendung einer 1 Mm. dicken Quarzplatte
für das äusserste Roth 17°,49, für die Grenze zwischen Grün und Blau
30°,04, für das äusserste Violett 44°08. Ferner nimmt die Drehung
proportional der Dicke der Platte zu, so dass z. B. für eine Platte

Von dem Lichte.
mässigsten der reinste der in der Natur vorkommenden Quarze, der
Bergkrystall, dar. Da der Quarz zum Hexaogonalsystem, also zu
einem einaxigen Krystallsystem gehört, so sollte man erwarten, dass
er, ähnlich dem Kalkspath und andern einaxigen Krystallen, auf zur
Hauptaxe senkrechten Durchschnitten die in Fig. 177 dargestellten
Erscheinungen zeigen werde. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr
finden wir, dass eine solche Quarzplatte bei gekreuzter Stellung der
beiden Nicols und der Beleuchtung mit homogenem Licht in der Mitte
des Gesichtsfeldes einen hellen Fleck zeigt, der die beiden Schenkel-
paare des Kreuzes unterbricht; die sonstige Aufeinanderfolge der dun-
keln und hellen Ringe entspricht jedoch derjenigen, wie man sie bei
andern einaxigen Krystallen beobachtet. Dreht man nun das eine
der Nicol’schen Prismen um einen bestimmten Winkel, so tritt Ver-
dunkelung der Mitte des Gesichtsfeldes ein: soll also eine Quarzplatte
die sonst bei rechtwinklig gekreuzter Stellung der Nicol’s eintretende
Polarisationsfigur zeigen, so dürfen dieselben nicht rechtwinklig ge-
kreuzt sein, sondern sie müssen einen bestimmten andern Winkel mit
einander bilden, oder, wie wir dieselbe Thatsache auch ausdrücken
können: wenn die beiden Nicol’s, zwischen welchen sich eine Quarz-
platte befindet, rechtwinklig gekreuzt sind, so verhalten sie sich so,
als wenn sie bei einer andern einaxigen Krystallplatte nicht ganz
unter einem rechten Winkel gekreuzt wären. Nun ist aber die Mitte
der Polarisationsfigur sonst desshalb dunkel, weil die Polarisations-
ebene der parallel der Hauptaxe einfallenden Strahlen nicht geändert
wird, und weil sich daher da wo die Strahlen senkrecht auf die Platte
fallen die Erscheinung gerade so verhält, als wenn gar keine Platte
vorhanden wäre, in welchem Fall, wie wir gesehen haben, das obere
Prisma die vom untern hindurchgelassenen Strahlen auslöscht. Findet
dies nun beim Zwischenschieben einer Quarzplatte nicht statt, so müs-
sen wir schliessen, dass der Quarz auch die Polarisationsebene der
ihn parallel seiner Hauptaxe durchsetzenden Strahlen verändert, und
zwar wird diese Drehung der Polarisationsebene im selben Sinne er-
folgen, im welchem man das obere Nicol’sche Prisma drehen muss,
um die Mitte des Kreuzes zu verdunkeln. Beim Quarze erfolgt die
Drehung bald rechts, im Sinn der Bewegung eines Uhrzeigers, bald
links. Es giebt also rechtsdrehende und linksdrehende
Quarze. Für verschiedene Farben ist natürlich der Winkel, um wel-
chen man den Nicol drehen muss, damit die Mitte des Gesichtsfeldes
verdunkelt werde, ein verschiedener: je brechbarer die Strahlen sind,
um so stärker muss die Drehung sein. So beträgt dieselbe nach den
Messungen von Biot bei Anwendung einer 1 Mm. dicken Quarzplatte
für das äusserste Roth 17°,49, für die Grenze zwischen Grün und Blau
30°,04, für das äusserste Violett 44°08. Ferner nimmt die Drehung
proportional der Dicke der Platte zu, so dass z. B. für eine Platte

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[350/0372] Von dem Lichte. mässigsten der reinste der in der Natur vorkommenden Quarze, der Bergkrystall, dar. Da der Quarz zum Hexaogonalsystem, also zu einem einaxigen Krystallsystem gehört, so sollte man erwarten, dass er, ähnlich dem Kalkspath und andern einaxigen Krystallen, auf zur Hauptaxe senkrechten Durchschnitten die in Fig. 177 dargestellten Erscheinungen zeigen werde. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr finden wir, dass eine solche Quarzplatte bei gekreuzter Stellung der beiden Nicols und der Beleuchtung mit homogenem Licht in der Mitte des Gesichtsfeldes einen hellen Fleck zeigt, der die beiden Schenkel- paare des Kreuzes unterbricht; die sonstige Aufeinanderfolge der dun- keln und hellen Ringe entspricht jedoch derjenigen, wie man sie bei andern einaxigen Krystallen beobachtet. Dreht man nun das eine der Nicol’schen Prismen um einen bestimmten Winkel, so tritt Ver- dunkelung der Mitte des Gesichtsfeldes ein: soll also eine Quarzplatte die sonst bei rechtwinklig gekreuzter Stellung der Nicol’s eintretende Polarisationsfigur zeigen, so dürfen dieselben nicht rechtwinklig ge- kreuzt sein, sondern sie müssen einen bestimmten andern Winkel mit einander bilden, oder, wie wir dieselbe Thatsache auch ausdrücken können: wenn die beiden Nicol’s, zwischen welchen sich eine Quarz- platte befindet, rechtwinklig gekreuzt sind, so verhalten sie sich so, als wenn sie bei einer andern einaxigen Krystallplatte nicht ganz unter einem rechten Winkel gekreuzt wären. Nun ist aber die Mitte der Polarisationsfigur sonst desshalb dunkel, weil die Polarisations- ebene der parallel der Hauptaxe einfallenden Strahlen nicht geändert wird, und weil sich daher da wo die Strahlen senkrecht auf die Platte fallen die Erscheinung gerade so verhält, als wenn gar keine Platte vorhanden wäre, in welchem Fall, wie wir gesehen haben, das obere Prisma die vom untern hindurchgelassenen Strahlen auslöscht. Findet dies nun beim Zwischenschieben einer Quarzplatte nicht statt, so müs- sen wir schliessen, dass der Quarz auch die Polarisationsebene der ihn parallel seiner Hauptaxe durchsetzenden Strahlen verändert, und zwar wird diese Drehung der Polarisationsebene im selben Sinne er- folgen, im welchem man das obere Nicol’sche Prisma drehen muss, um die Mitte des Kreuzes zu verdunkeln. Beim Quarze erfolgt die Drehung bald rechts, im Sinn der Bewegung eines Uhrzeigers, bald links. Es giebt also rechtsdrehende und linksdrehende Quarze. Für verschiedene Farben ist natürlich der Winkel, um wel- chen man den Nicol drehen muss, damit die Mitte des Gesichtsfeldes verdunkelt werde, ein verschiedener: je brechbarer die Strahlen sind, um so stärker muss die Drehung sein. So beträgt dieselbe nach den Messungen von Biot bei Anwendung einer 1 Mm. dicken Quarzplatte für das äusserste Roth 17°,49, für die Grenze zwischen Grün und Blau 30°,04, für das äusserste Violett 44°08. Ferner nimmt die Drehung proportional der Dicke der Platte zu, so dass z. B. für eine Platte

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/372>, abgerufen am 05.12.2024.