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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Magnetismus.
Widerstände aufgehoben. Häufiger kommt eine drehende Wirkung
vor, und diese wird daher gewöhnlich benützt, um über die Inten-
sität magnetischer Kräfte Aufschluss zu erhalten. Ein Magnet, der in
seinem Schwerpunkt an einem Faden aufgehängt ist oder sich auf
einer Spitze dreht, findet nämlich bei seinen Drehbewegungen nur
äusserst geringe Widerstände. Nehmen wir an, der Magnetstab n s
(Fig. 226) sei in seinem Mittelpunkt b aufgehängt, und N S sei ein
unbeweglicher Magnet ihm gegenüber, so wird der Pol S den Pol n
anziehen in der Richtung n o. Da aber n sich nur um den Mittel-
punkt b drehen kann, so wird nur die in der Richtung der Tangente
des Drehungsbogens gelegene Componente n m eine wirkliche Bewe-
gung hervorbringen; die andere Componente n p der Kraft n o wird
den Pol n nach der Richtung n s ziehen, d. h. sie wird den Magneten
in seiner Richtung zu erhalten streben. Man nennt daher auch die
Componente n m die Drehkraft und die Componente n p die Direc-
tionskraft
des Magneten. Bezeichnen wir den Winkel, welchen die
Richtung S n mit dem Magneten n s bildet, mit b, so ist die Dreh-
kraft = M. sin. b und die Directionskraft = M. cos. b, wenn wir durch
M die magnetische Anziehungskraft o n ausdrücken. Die Wirkung
der Drehkraft m n ist vollständig nach dem Princip des Hebels zu
beurtheilen; sie erzeugt ein Drehungsmoment, welches = M.
sin. b. n b ist, da sie an dem Hebelarme n b wirkt.

Um den Magnetismus irgend eines magnetischen Körpers zu er-
mitteln, kann man sich nun sowohl des magnetischen Drehungsmo-
mentes wie der magnetischen Directionskraft bedienen. Es sei n s
(Fig. 227) eine entweder an einem Faden aufgehängte oder auf einer

[Abbildung] Fig. 227.
Spitze drehbare Magnetnadel, die sich in der Richtung des magne-
tischen Meridians befindet. Man habe zwei Magnete, deren magne-
tische Kräfte verglichen werden sollen. Beide Magnete werden nach
einander in die auf der Richtung des Meridians senkrechte Stellung
N S gebracht und die dauernden Ablenkungen beobachtet, welche die
Nadel n s erfährt. Wenn n' s' die Lage ist, welche die Magnetnadel
n s unter dem Einfluss des einen Magneten annimmt, so steht die-
selbe unter dem Einfluss zweier Kräfte, nämlich der in der Richtung
des Meridians wirkenden erdmagnetischen Kraft n' x und der drehen-
den Kraft n' y des Magneten, welche letztere, wenn sich der

Magnetismus.
Widerstände aufgehoben. Häufiger kommt eine drehende Wirkung
vor, und diese wird daher gewöhnlich benützt, um über die Inten-
sität magnetischer Kräfte Aufschluss zu erhalten. Ein Magnet, der in
seinem Schwerpunkt an einem Faden aufgehängt ist oder sich auf
einer Spitze dreht, findet nämlich bei seinen Drehbewegungen nur
äusserst geringe Widerstände. Nehmen wir an, der Magnetstab n s
(Fig. 226) sei in seinem Mittelpunkt b aufgehängt, und N S sei ein
unbeweglicher Magnet ihm gegenüber, so wird der Pol S den Pol n
anziehen in der Richtung n o. Da aber n sich nur um den Mittel-
punkt b drehen kann, so wird nur die in der Richtung der Tangente
des Drehungsbogens gelegene Componente n m eine wirkliche Bewe-
gung hervorbringen; die andere Componente n p der Kraft n o wird
den Pol n nach der Richtung n s ziehen, d. h. sie wird den Magneten
in seiner Richtung zu erhalten streben. Man nennt daher auch die
Componente n m die Drehkraft und die Componente n p die Direc-
tionskraft
des Magneten. Bezeichnen wir den Winkel, welchen die
Richtung S n mit dem Magneten n s bildet, mit β, so ist die Dreh-
kraft = M. sin. β und die Directionskraft = M. cos. β, wenn wir durch
M die magnetische Anziehungskraft o n ausdrücken. Die Wirkung
der Drehkraft m n ist vollständig nach dem Princip des Hebels zu
beurtheilen; sie erzeugt ein Drehungsmoment, welches = M.
sin. β. n b ist, da sie an dem Hebelarme n b wirkt.

Um den Magnetismus irgend eines magnetischen Körpers zu er-
mitteln, kann man sich nun sowohl des magnetischen Drehungsmo-
mentes wie der magnetischen Directionskraft bedienen. Es sei n s
(Fig. 227) eine entweder an einem Faden aufgehängte oder auf einer

[Abbildung] Fig. 227.
Spitze drehbare Magnetnadel, die sich in der Richtung des magne-
tischen Meridians befindet. Man habe zwei Magnete, deren magne-
tische Kräfte verglichen werden sollen. Beide Magnete werden nach
einander in die auf der Richtung des Meridians senkrechte Stellung
N S gebracht und die dauernden Ablenkungen beobachtet, welche die
Nadel n s erfährt. Wenn n' s' die Lage ist, welche die Magnetnadel
n s unter dem Einfluss des einen Magneten annimmt, so steht die-
selbe unter dem Einfluss zweier Kräfte, nämlich der in der Richtung
des Meridians wirkenden erdmagnetischen Kraft n' x und der drehen-
den Kraft n' y des Magneten, welche letztere, wenn sich der

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[507/0529] Magnetismus. Widerstände aufgehoben. Häufiger kommt eine drehende Wirkung vor, und diese wird daher gewöhnlich benützt, um über die Inten- sität magnetischer Kräfte Aufschluss zu erhalten. Ein Magnet, der in seinem Schwerpunkt an einem Faden aufgehängt ist oder sich auf einer Spitze dreht, findet nämlich bei seinen Drehbewegungen nur äusserst geringe Widerstände. Nehmen wir an, der Magnetstab n s (Fig. 226) sei in seinem Mittelpunkt b aufgehängt, und N S sei ein unbeweglicher Magnet ihm gegenüber, so wird der Pol S den Pol n anziehen in der Richtung n o. Da aber n sich nur um den Mittel- punkt b drehen kann, so wird nur die in der Richtung der Tangente des Drehungsbogens gelegene Componente n m eine wirkliche Bewe- gung hervorbringen; die andere Componente n p der Kraft n o wird den Pol n nach der Richtung n s ziehen, d. h. sie wird den Magneten in seiner Richtung zu erhalten streben. Man nennt daher auch die Componente n m die Drehkraft und die Componente n p die Direc- tionskraft des Magneten. Bezeichnen wir den Winkel, welchen die Richtung S n mit dem Magneten n s bildet, mit β, so ist die Dreh- kraft = M. sin. β und die Directionskraft = M. cos. β, wenn wir durch M die magnetische Anziehungskraft o n ausdrücken. Die Wirkung der Drehkraft m n ist vollständig nach dem Princip des Hebels zu beurtheilen; sie erzeugt ein Drehungsmoment, welches = M. sin. β. n b ist, da sie an dem Hebelarme n b wirkt. Um den Magnetismus irgend eines magnetischen Körpers zu er- mitteln, kann man sich nun sowohl des magnetischen Drehungsmo- mentes wie der magnetischen Directionskraft bedienen. Es sei n s (Fig. 227) eine entweder an einem Faden aufgehängte oder auf einer [Abbildung Fig. 227.] Spitze drehbare Magnetnadel, die sich in der Richtung des magne- tischen Meridians befindet. Man habe zwei Magnete, deren magne- tische Kräfte verglichen werden sollen. Beide Magnete werden nach einander in die auf der Richtung des Meridians senkrechte Stellung N S gebracht und die dauernden Ablenkungen beobachtet, welche die Nadel n s erfährt. Wenn n' s' die Lage ist, welche die Magnetnadel n s unter dem Einfluss des einen Magneten annimmt, so steht die- selbe unter dem Einfluss zweier Kräfte, nämlich der in der Richtung des Meridians wirkenden erdmagnetischen Kraft n' x und der drehen- den Kraft n' y des Magneten, welche letztere, wenn sich der

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/529>, abgerufen am 17.06.2024.