Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Verwandlungen.

Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan,
Fängt so mit finstrem Blick zu Charamunden an:
Erzittre! denn du hörst den Gott des Puders sprechen.
Daß du Selinden liebst, ist mir schon ein Verbrechen;
Doch daß dein Wankelmuth nicht treu sie lieben kan,
Das seh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an.
Dein flatterhafter Geist hat viel zu enge Schranken;
Du sollst dem Pudergott ein neues Wesen danken,
Das deiner würdiger, als deine Menschheit, ist,
Voll Unbeständigkeit hast du herum geküßt;
Geh hin, und küsse nun, an statt der Schönen, Aeste;
Du liebtest, wie ein West: so werde denn zum Weste.

So sprach der Pudergott; und Charamund ver-
schwand.

Doch nur sein erster Leib, sein irdisches Gewand
Verlohr sich in der Luft; und dünne feinre Glieder
Be-

Verwandlungen.

Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan,
Faͤngt ſo mit finſtrem Blick zu Charamunden an:
Erzittre! denn du hoͤrſt den Gott des Puders ſprechen.
Daß du Selinden liebſt, iſt mir ſchon ein Verbrechen;
Doch daß dein Wankelmuth nicht treu ſie lieben kan,
Das ſeh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an.
Dein flatterhafter Geiſt hat viel zu enge Schranken;
Du ſollſt dem Pudergott ein neues Weſen danken,
Das deiner wuͤrdiger, als deine Menſchheit, iſt,
Voll Unbeſtaͤndigkeit haſt du herum gekuͤßt;
Geh hin, und kuͤſſe nun, an ſtatt der Schoͤnen, Aeſte;
Du liebteſt, wie ein Weſt: ſo werde denn zum Weſte.

So ſprach der Pudergott; und Charamund ver-
ſchwand.

Doch nur ſein erſter Leib, ſein irdiſches Gewand
Verlohr ſich in der Luft; und duͤnne feinre Glieder
Be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <l>
            <pb facs="#f0268" n="204"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verwandlungen.</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan,</l><lb/>
          <l>Fa&#x0364;ngt &#x017F;o mit fin&#x017F;trem Blick zu Charamunden an:</l><lb/>
          <l>Erzittre! denn du ho&#x0364;r&#x017F;t den Gott des Puders &#x017F;prechen.</l><lb/>
          <l>Daß du Selinden lieb&#x017F;t, i&#x017F;t mir &#x017F;chon ein Verbrechen;</l><lb/>
          <l>Doch daß dein Wankelmuth nicht treu &#x017F;ie lieben kan,</l><lb/>
          <l>Das &#x017F;eh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an.</l><lb/>
          <l>Dein flatterhafter Gei&#x017F;t hat viel zu enge Schranken;</l><lb/>
          <l>Du &#x017F;oll&#x017F;t dem Pudergott ein neues We&#x017F;en danken,</l><lb/>
          <l>Das deiner wu&#x0364;rdiger, als deine Men&#x017F;chheit, i&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>Voll Unbe&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit ha&#x017F;t du herum geku&#x0364;ßt;</l><lb/>
          <l>Geh hin, und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nun, an &#x017F;tatt der Scho&#x0364;nen, Ae&#x017F;te;</l><lb/>
          <l>Du liebte&#x017F;t, wie ein We&#x017F;t: &#x017F;o werde denn zum We&#x017F;te.</l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>So &#x017F;prach der Pudergott; und Charamund ver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwand.</hi></l><lb/>
          <l>Doch nur &#x017F;ein er&#x017F;ter Leib, &#x017F;ein irdi&#x017F;ches Gewand</l><lb/>
          <l>Verlohr &#x017F;ich in der Luft; und du&#x0364;nne feinre Glieder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/></l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0268] Verwandlungen. Doch Zephis, der den Zorn nicht mehr verbergen kan, Faͤngt ſo mit finſtrem Blick zu Charamunden an: Erzittre! denn du hoͤrſt den Gott des Puders ſprechen. Daß du Selinden liebſt, iſt mir ſchon ein Verbrechen; Doch daß dein Wankelmuth nicht treu ſie lieben kan, Das ſeh ich auch mit Zorn im Nebenbuhler an. Dein flatterhafter Geiſt hat viel zu enge Schranken; Du ſollſt dem Pudergott ein neues Weſen danken, Das deiner wuͤrdiger, als deine Menſchheit, iſt, Voll Unbeſtaͤndigkeit haſt du herum gekuͤßt; Geh hin, und kuͤſſe nun, an ſtatt der Schoͤnen, Aeſte; Du liebteſt, wie ein Weſt: ſo werde denn zum Weſte. So ſprach der Pudergott; und Charamund ver- ſchwand. Doch nur ſein erſter Leib, ſein irdiſches Gewand Verlohr ſich in der Luft; und duͤnne feinre Glieder Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/268
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/268>, abgerufen am 24.11.2024.