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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

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Fünfter Gesang.
Stolz zu den Wolken empor; es wohnen die Vögel des
Himmels
Jm ehrwürdigen Baum, der fast den Augen ein Wald
scheint.
Ein erfrischender Balsamgeruch von Timiansbüschen
Und Lavendel herrschet allhier; und über dem Rasen
Blitzen viel tausend gesternte Ranunkeln und schimmern-
de Blumen,
Welche die wilde Natur, die Kunst zu beschämen, her-
vorbringt.
Hier lag Murner am Fuß der großen Linde verscharret;
Angenehm war sein einsames Grab von Bäumen um-
schattet,
Gleich den Gräbern der Alten, die nicht mit Leichenge-
rüchen
Jhre Tempel erfüllt, und todt noch Seuchen erweckten.
Bey dem Grabe standen Rosaura, der Onkel, mit ihnen
Conrad, Lisette, nebst Herrmann, dem Jäger. Die
holde Rosaura
Nahm zwo Hände voll Veilchen, und streute sie über
das Grabmal
Jhres geliebren Cypers. Da nahm der Jäger sein
Jagdhorn,

Wie

Fuͤnfter Geſang.
Stolz zu den Wolken empor; es wohnen die Voͤgel des
Himmels
Jm ehrwuͤrdigen Baum, der faſt den Augen ein Wald
ſcheint.
Ein erfriſchender Balſamgeruch von Timiansbuͤſchen
Und Lavendel herrſchet allhier; und uͤber dem Raſen
Blitzen viel tauſend geſternte Ranunkeln und ſchimmern-
de Blumen,
Welche die wilde Natur, die Kunſt zu beſchaͤmen, her-
vorbringt.
Hier lag Murner am Fuß der großen Linde verſcharret;
Angenehm war ſein einſames Grab von Baͤumen um-
ſchattet,
Gleich den Graͤbern der Alten, die nicht mit Leichenge-
ruͤchen
Jhre Tempel erfuͤllt, und todt noch Seuchen erweckten.
Bey dem Grabe ſtanden Roſaura, der Onkel, mit ihnen
Conrad, Liſette, nebſt Herrmann, dem Jaͤger. Die
holde Roſaura
Nahm zwo Haͤnde voll Veilchen, und ſtreute ſie uͤber
das Grabmal
Jhres geliebren Cypers. Da nahm der Jaͤger ſein
Jagdhorn,

Wie
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[173/0181] Fuͤnfter Geſang. Stolz zu den Wolken empor; es wohnen die Voͤgel des Himmels Jm ehrwuͤrdigen Baum, der faſt den Augen ein Wald ſcheint. Ein erfriſchender Balſamgeruch von Timiansbuͤſchen Und Lavendel herrſchet allhier; und uͤber dem Raſen Blitzen viel tauſend geſternte Ranunkeln und ſchimmern- de Blumen, Welche die wilde Natur, die Kunſt zu beſchaͤmen, her- vorbringt. Hier lag Murner am Fuß der großen Linde verſcharret; Angenehm war ſein einſames Grab von Baͤumen um- ſchattet, Gleich den Graͤbern der Alten, die nicht mit Leichenge- ruͤchen Jhre Tempel erfuͤllt, und todt noch Seuchen erweckten. Bey dem Grabe ſtanden Roſaura, der Onkel, mit ihnen Conrad, Liſette, nebſt Herrmann, dem Jaͤger. Die holde Roſaura Nahm zwo Haͤnde voll Veilchen, und ſtreute ſie uͤber das Grabmal Jhres geliebren Cypers. Da nahm der Jaͤger ſein Jagdhorn, Wie

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/181>, abgerufen am 24.11.2024.